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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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<Lark Hauptmann

in der "Bergschmiede" im Grunde aus der ExpoMvn nicht herausgekommen,
darum hatte er sich in "Marianne" immer wiederholt, darum zuerst im Klein¬
kunstwerk, das Holzschnitten alter Meister vergleichbar war, sein Bestes geleistet;
bis dann die reifgewordene Künstlerschaft endlich auch das Große ganz bezwang.
Freilich scheinen wie die Entwicklung so die Schwankungen bei Carl Hauptmann noch
keineswegs abgeschlossen zu sein. Sein "Napoleon" (1910 bei Callwey in München)
durfte nach dem "Moses" mit großer Spannung erwartet werden, aber er hat sie
enttäuscht. In düsterer Gewalt beginnt das weit angelegte Doppeldrama mit der Szene
der flüchtigen Bonapartes mit dem jungen Napoleon in einem Felscnwinkel Korsikas.
Mit feiner Psychologie ist noch der Bürger Vonaparte im Verhältnis zu Josephine
gezeichnet -- aber je höher der Held steigt, um so weniger kommt Carl Haupt¬
mann mit, und gerade die zusammenhaltende Kraft, die im "Moses" von Höhe
zu Höhe führte, verläßt den Dichter hier, und wir ziehen mit ihm durch eine end¬
lose Ebene. Im "Moses" entwarf Hauptmann wuchtige Gemälde, hinreißend in
ihren starken und satten Farben, der "Napoleon" geht uns vorbei wie ein Wandelzug
von Kartons mit leise getönter Färbung, in denen die Namen wechseln, aber keine
Gestalt uns für die Dauer eingeprägt wird.

Niemand, der überhaupt Carl Hauptmanns Begabung wirklich kennt, wird
das entmutigen, niemand vollends, der die Schwankungen in Hauptmanns Auf¬
stieg verfolgt hat. Denn zu viel Kraft und Zuversicht, bester und höchster Glaube
leben in diesem Dichter. "Die große Offenbarung, die einst auf Horeb Mose von
Gott zuteil ward, ist noch unter uns," das ist ein Hauptmannsches Wort. Und
wir sind gewiß, daß solchem Glauben immer wieder die Kraft kommen wird,
Werke zu schaffen, aus denen dasselbe glückhafte, tiefe Lebensempfinden erblüht,
wie aus jenem Ostergesang, der in wundervoller rhythmischer Steigerung wie aus
der "Mathilde" heraus geboren erscheint, die er schmückt.




Nachwort der Schriftleituug:

Zu unserer Freude können wir mitteilen,
daß Herr Dr. Carl Hauptmann uns seine soeben vollendete Erzählung "Ein Später
Derer van Doorn" zum Abdruck in den Grenzboten überlassen hat. Wir beginnen
mit der Veröffentlichung der Erzählung im nächsten Heft.




<Lark Hauptmann

in der „Bergschmiede" im Grunde aus der ExpoMvn nicht herausgekommen,
darum hatte er sich in „Marianne" immer wiederholt, darum zuerst im Klein¬
kunstwerk, das Holzschnitten alter Meister vergleichbar war, sein Bestes geleistet;
bis dann die reifgewordene Künstlerschaft endlich auch das Große ganz bezwang.
Freilich scheinen wie die Entwicklung so die Schwankungen bei Carl Hauptmann noch
keineswegs abgeschlossen zu sein. Sein „Napoleon" (1910 bei Callwey in München)
durfte nach dem „Moses" mit großer Spannung erwartet werden, aber er hat sie
enttäuscht. In düsterer Gewalt beginnt das weit angelegte Doppeldrama mit der Szene
der flüchtigen Bonapartes mit dem jungen Napoleon in einem Felscnwinkel Korsikas.
Mit feiner Psychologie ist noch der Bürger Vonaparte im Verhältnis zu Josephine
gezeichnet — aber je höher der Held steigt, um so weniger kommt Carl Haupt¬
mann mit, und gerade die zusammenhaltende Kraft, die im „Moses" von Höhe
zu Höhe führte, verläßt den Dichter hier, und wir ziehen mit ihm durch eine end¬
lose Ebene. Im „Moses" entwarf Hauptmann wuchtige Gemälde, hinreißend in
ihren starken und satten Farben, der „Napoleon" geht uns vorbei wie ein Wandelzug
von Kartons mit leise getönter Färbung, in denen die Namen wechseln, aber keine
Gestalt uns für die Dauer eingeprägt wird.

Niemand, der überhaupt Carl Hauptmanns Begabung wirklich kennt, wird
das entmutigen, niemand vollends, der die Schwankungen in Hauptmanns Auf¬
stieg verfolgt hat. Denn zu viel Kraft und Zuversicht, bester und höchster Glaube
leben in diesem Dichter. „Die große Offenbarung, die einst auf Horeb Mose von
Gott zuteil ward, ist noch unter uns," das ist ein Hauptmannsches Wort. Und
wir sind gewiß, daß solchem Glauben immer wieder die Kraft kommen wird,
Werke zu schaffen, aus denen dasselbe glückhafte, tiefe Lebensempfinden erblüht,
wie aus jenem Ostergesang, der in wundervoller rhythmischer Steigerung wie aus
der „Mathilde" heraus geboren erscheint, die er schmückt.




Nachwort der Schriftleituug:

Zu unserer Freude können wir mitteilen,
daß Herr Dr. Carl Hauptmann uns seine soeben vollendete Erzählung „Ein Später
Derer van Doorn" zum Abdruck in den Grenzboten überlassen hat. Wir beginnen
mit der Veröffentlichung der Erzählung im nächsten Heft.




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[0095] <Lark Hauptmann in der „Bergschmiede" im Grunde aus der ExpoMvn nicht herausgekommen, darum hatte er sich in „Marianne" immer wiederholt, darum zuerst im Klein¬ kunstwerk, das Holzschnitten alter Meister vergleichbar war, sein Bestes geleistet; bis dann die reifgewordene Künstlerschaft endlich auch das Große ganz bezwang. Freilich scheinen wie die Entwicklung so die Schwankungen bei Carl Hauptmann noch keineswegs abgeschlossen zu sein. Sein „Napoleon" (1910 bei Callwey in München) durfte nach dem „Moses" mit großer Spannung erwartet werden, aber er hat sie enttäuscht. In düsterer Gewalt beginnt das weit angelegte Doppeldrama mit der Szene der flüchtigen Bonapartes mit dem jungen Napoleon in einem Felscnwinkel Korsikas. Mit feiner Psychologie ist noch der Bürger Vonaparte im Verhältnis zu Josephine gezeichnet — aber je höher der Held steigt, um so weniger kommt Carl Haupt¬ mann mit, und gerade die zusammenhaltende Kraft, die im „Moses" von Höhe zu Höhe führte, verläßt den Dichter hier, und wir ziehen mit ihm durch eine end¬ lose Ebene. Im „Moses" entwarf Hauptmann wuchtige Gemälde, hinreißend in ihren starken und satten Farben, der „Napoleon" geht uns vorbei wie ein Wandelzug von Kartons mit leise getönter Färbung, in denen die Namen wechseln, aber keine Gestalt uns für die Dauer eingeprägt wird. Niemand, der überhaupt Carl Hauptmanns Begabung wirklich kennt, wird das entmutigen, niemand vollends, der die Schwankungen in Hauptmanns Auf¬ stieg verfolgt hat. Denn zu viel Kraft und Zuversicht, bester und höchster Glaube leben in diesem Dichter. „Die große Offenbarung, die einst auf Horeb Mose von Gott zuteil ward, ist noch unter uns," das ist ein Hauptmannsches Wort. Und wir sind gewiß, daß solchem Glauben immer wieder die Kraft kommen wird, Werke zu schaffen, aus denen dasselbe glückhafte, tiefe Lebensempfinden erblüht, wie aus jenem Ostergesang, der in wundervoller rhythmischer Steigerung wie aus der „Mathilde" heraus geboren erscheint, die er schmückt. Nachwort der Schriftleituug: Zu unserer Freude können wir mitteilen, daß Herr Dr. Carl Hauptmann uns seine soeben vollendete Erzählung „Ein Später Derer van Doorn" zum Abdruck in den Grenzboten überlassen hat. Wir beginnen mit der Veröffentlichung der Erzählung im nächsten Heft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/95>, abgerufen am 15.05.2024.