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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Theodor Lontcmcs Briefe

von dessen Aufsätzen schuldig zu bekennen: "Du könntest das nicht, so klang es
immer leise mit und deprimierte mich ein wenig."

Tief kränkt es ihn, den Schriftstellerberuf im allgemeinen so niedrig ein¬
geschätzt zu sehen. "Ein Schriftsteller ist ein Schmirarius, ein käuflicher Lügen¬
bold, eine verächtliche oder lächerliche Figur," so charakterisiert er die herrschende
Anschauung. Von jener kokett anspruchsvollen Ablehnung staatlicher Aus¬
zeichnungen, die in Künstler- und Literatenkreisen gelegentlich zu finden ist, hält
er sich frei. Er erkennt an, "daß man in Deutschland, speziell in Preußen, nur
dann etwas gilt, wenn man staatlich approbiert ist," und daß daher der Orden
wirklich praktischen Wert hat. "Man wird respektvoller angekuckt und besser
behandelt." Er legt Wert darauf, mit der Regierung und hohen Kreisen auf
gutem Fuße zu steheu und scherzt über sich als "Fürstendiener". Daß er dabei
von Servilitüt ebenso frei bleibt wie von einseitiger Überschätzung preußischer
Zustände bedarf gar nicht erst der Versicherung. Wie mancher Stoßseufzer über
den "Borusstsmus," "die niedrigste Kulturform die je da war," findet sich in
den BriefenI "Welch Glück, daß wir noch ein außerpreußisches Deutschland
haben. Oberammergau, Bayreuth, München, Weimar, das sind Plätze, daran
man sich erfreuen kann. Bei Strammstehen und Finger an die Hosennaht wird
mir schlimm." Auch seine lieben Berliner sind ihm nicht immer die beste
Gesellschaft. "Der Berliner als höherer Kulturmensch" ist das Lieblingsthema
seiner ironischen Expektorationen, und die herkömmlichen Berliner Banketts, bei
denen man "im Hochgefühl auf sechs Stunden Zeitgenosse zu sein ... die
pappernsten Semmeln frißt und im Festlokal an der Mündungsstelle von drei
Korridoren in einem wahren Gebläse von Zug sitzt," sind ihm ein Greuel.
Auch macht er mit Mißbehagen die Beobachtung, "daß das gesellschaftlich höher
potenzierte Berliner Leben immer nur ein Juden- will sagen Jüdinnenleben
gewesen ist." Im ganzen meint er: "Ehrlich ist der Märker, aber schrecklich.
Und daß ich gerade ihn habe verherrlichen müssen!"

Noch manches ließe sich diesem Meister der Plauderkunst nachplaudern.
Doch gilt auch beim Schreiben über Fontane eine Mahnung, die er sich selbst
am Schlüsse eines langen Briefes zuruft. Es sei ja, meint er da, ganz schön,
wenn einer viel schreibe; aber er müsse doch auch auf die Rücksicht nehmen, die
es zu lesen hätten.




Grenzboteii II 191212
Theodor Lontcmcs Briefe

von dessen Aufsätzen schuldig zu bekennen: „Du könntest das nicht, so klang es
immer leise mit und deprimierte mich ein wenig."

Tief kränkt es ihn, den Schriftstellerberuf im allgemeinen so niedrig ein¬
geschätzt zu sehen. „Ein Schriftsteller ist ein Schmirarius, ein käuflicher Lügen¬
bold, eine verächtliche oder lächerliche Figur," so charakterisiert er die herrschende
Anschauung. Von jener kokett anspruchsvollen Ablehnung staatlicher Aus¬
zeichnungen, die in Künstler- und Literatenkreisen gelegentlich zu finden ist, hält
er sich frei. Er erkennt an, „daß man in Deutschland, speziell in Preußen, nur
dann etwas gilt, wenn man staatlich approbiert ist," und daß daher der Orden
wirklich praktischen Wert hat. „Man wird respektvoller angekuckt und besser
behandelt." Er legt Wert darauf, mit der Regierung und hohen Kreisen auf
gutem Fuße zu steheu und scherzt über sich als „Fürstendiener". Daß er dabei
von Servilitüt ebenso frei bleibt wie von einseitiger Überschätzung preußischer
Zustände bedarf gar nicht erst der Versicherung. Wie mancher Stoßseufzer über
den „Borusstsmus," „die niedrigste Kulturform die je da war," findet sich in
den BriefenI „Welch Glück, daß wir noch ein außerpreußisches Deutschland
haben. Oberammergau, Bayreuth, München, Weimar, das sind Plätze, daran
man sich erfreuen kann. Bei Strammstehen und Finger an die Hosennaht wird
mir schlimm." Auch seine lieben Berliner sind ihm nicht immer die beste
Gesellschaft. „Der Berliner als höherer Kulturmensch" ist das Lieblingsthema
seiner ironischen Expektorationen, und die herkömmlichen Berliner Banketts, bei
denen man „im Hochgefühl auf sechs Stunden Zeitgenosse zu sein ... die
pappernsten Semmeln frißt und im Festlokal an der Mündungsstelle von drei
Korridoren in einem wahren Gebläse von Zug sitzt," sind ihm ein Greuel.
Auch macht er mit Mißbehagen die Beobachtung, „daß das gesellschaftlich höher
potenzierte Berliner Leben immer nur ein Juden- will sagen Jüdinnenleben
gewesen ist." Im ganzen meint er: „Ehrlich ist der Märker, aber schrecklich.
Und daß ich gerade ihn habe verherrlichen müssen!"

Noch manches ließe sich diesem Meister der Plauderkunst nachplaudern.
Doch gilt auch beim Schreiben über Fontane eine Mahnung, die er sich selbst
am Schlüsse eines langen Briefes zuruft. Es sei ja, meint er da, ganz schön,
wenn einer viel schreibe; aber er müsse doch auch auf die Rücksicht nehmen, die
es zu lesen hätten.




Grenzboteii II 191212
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[0101] Theodor Lontcmcs Briefe von dessen Aufsätzen schuldig zu bekennen: „Du könntest das nicht, so klang es immer leise mit und deprimierte mich ein wenig." Tief kränkt es ihn, den Schriftstellerberuf im allgemeinen so niedrig ein¬ geschätzt zu sehen. „Ein Schriftsteller ist ein Schmirarius, ein käuflicher Lügen¬ bold, eine verächtliche oder lächerliche Figur," so charakterisiert er die herrschende Anschauung. Von jener kokett anspruchsvollen Ablehnung staatlicher Aus¬ zeichnungen, die in Künstler- und Literatenkreisen gelegentlich zu finden ist, hält er sich frei. Er erkennt an, „daß man in Deutschland, speziell in Preußen, nur dann etwas gilt, wenn man staatlich approbiert ist," und daß daher der Orden wirklich praktischen Wert hat. „Man wird respektvoller angekuckt und besser behandelt." Er legt Wert darauf, mit der Regierung und hohen Kreisen auf gutem Fuße zu steheu und scherzt über sich als „Fürstendiener". Daß er dabei von Servilitüt ebenso frei bleibt wie von einseitiger Überschätzung preußischer Zustände bedarf gar nicht erst der Versicherung. Wie mancher Stoßseufzer über den „Borusstsmus," „die niedrigste Kulturform die je da war," findet sich in den BriefenI „Welch Glück, daß wir noch ein außerpreußisches Deutschland haben. Oberammergau, Bayreuth, München, Weimar, das sind Plätze, daran man sich erfreuen kann. Bei Strammstehen und Finger an die Hosennaht wird mir schlimm." Auch seine lieben Berliner sind ihm nicht immer die beste Gesellschaft. „Der Berliner als höherer Kulturmensch" ist das Lieblingsthema seiner ironischen Expektorationen, und die herkömmlichen Berliner Banketts, bei denen man „im Hochgefühl auf sechs Stunden Zeitgenosse zu sein ... die pappernsten Semmeln frißt und im Festlokal an der Mündungsstelle von drei Korridoren in einem wahren Gebläse von Zug sitzt," sind ihm ein Greuel. Auch macht er mit Mißbehagen die Beobachtung, „daß das gesellschaftlich höher potenzierte Berliner Leben immer nur ein Juden- will sagen Jüdinnenleben gewesen ist." Im ganzen meint er: „Ehrlich ist der Märker, aber schrecklich. Und daß ich gerade ihn habe verherrlichen müssen!" Noch manches ließe sich diesem Meister der Plauderkunst nachplaudern. Doch gilt auch beim Schreiben über Fontane eine Mahnung, die er sich selbst am Schlüsse eines langen Briefes zuruft. Es sei ja, meint er da, ganz schön, wenn einer viel schreibe; aber er müsse doch auch auf die Rücksicht nehmen, die es zu lesen hätten. Grenzboteii II 191212

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/101>, abgerufen am 17.06.2024.