Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Ilmglibcrcilen

Dr. Moldenhauer, eines Mitgliedes des Zentralvorstandes der nationalliberalen
Partei, eines idealgesonnenen und begeisterungsfähigen Mannes, am 23. Januar
1899 ein Verein der nationalliberalen Jugend zu Köln mit nur sechsunddreißig
Mitgliedern begründet, der zwei Jahre darauf schon über eintausend Mitglieder
zählte. In rascher Folge wurden dann, zunächst im Rheinland und in der
Pfalz, weitere Vereine begründet. Am 21. Oktober 1900 schlössen sich davon
neun mit zweitausendfünfhundertzwanzig Mitgliedern zu einem Verbände, dem
Reichsverbande der nationalliberalen Jugend, zusammen. Dies war für die
Bewegung von der größten Bedeutung. Im Süden und Westen Deutsch¬
lands -- weniger im Osten -- entstanden eine große Anzahl immer neuer
Vereine, so daß bereits 1908 die Zahl Hundert überschritten war.

Das Verhältnis des Neichsverbandes zur Gesamtpartei war zunächst
organisatorisch nicht umgrenzt. Als dann -- unter beträchtlicher Mitarbeit der
Jungliberalen -- im Jahre 1905 sich die Partei ein neues Statut gab, erschien
es angebracht, die Rechte und Pflichten der "Jungen" darin unzweideutig fest¬
zulegen. So setzte man sest, daß die Organisation der Partei auch "die beson¬
deren der Vertretung nationalliberaler Grundsätze gewidmeten Verbände"
(Arbeiter-, Jugendvereine usw.) mit ihren Verbänden umfasse, man gab diesen
Vereinen und Verbänden das Recht, für je fünfhundert Mitglieder einen Ver¬
treter zum Parteitag, für je dreitausend Mitglieder einen Vertreter in den
Zentralvorstand zu entsenden. Organisatorisch wurden also der Jugendbewegung
keine besonderen Rechte eingeräumt; tatsächlich aber nimmt sie eine Ausnahme¬
stellung ein, denn außer den jungliberalen Vereinen sind bisher keine Sonder¬
vereine entstanden, die das Recht eigener Vertretung auf dem Parteitage oder
im Zentralvorstande verlangen könnten.

Prüfen wir, welches die eigenartigen Kriterien dieser Jugendorganisation
sind, so fallen vorzüglich drei Punkte ins Auge:

die Zugehörigkeit zur nationalliberalen Partei;
b) die Altersgrenze;
c) die Ziele der Bewegung.

Die Zugehörigkeit zur nationalliberalen Partei war durch die Entstehungs¬
geschichte gegeben. Der Gedanke ging von einem altbewährten rheinischen Vor¬
kämpfer der Partei aus; die Begründer der ersten Vereine entstammten Familien,
in denen man stets nationalliberal gewesen war. Rudolf von Bennigsen machte
aus seinen Sympathien für die Jugendbewegung keinen Hehl. Der damalige
Vorsitzende des Zentralvorstandes der Partei, l)r. Hannacher, richtete gelegentlich
der Gründung des Reichsverbandes an den Kölner Jugendverein ein Schreiben,
in welchem er zum Ausdruck brachte, "daß die gesamte Partei mit lebhaftem
Gefühl des Dankes für diese patriotische Bemühung unserer jüngeren Freunde
im Westen und Südwesten des Reiches durchdrungen ist". Hieran konnte auch
der Umstand nichts ändern, daß zuerst im Süden, später auch im Norden, viele
Vereine die Worte "nationalliberale Jugend" aus ihren Firmen strichen und sie


Die Ilmglibcrcilen

Dr. Moldenhauer, eines Mitgliedes des Zentralvorstandes der nationalliberalen
Partei, eines idealgesonnenen und begeisterungsfähigen Mannes, am 23. Januar
1899 ein Verein der nationalliberalen Jugend zu Köln mit nur sechsunddreißig
Mitgliedern begründet, der zwei Jahre darauf schon über eintausend Mitglieder
zählte. In rascher Folge wurden dann, zunächst im Rheinland und in der
Pfalz, weitere Vereine begründet. Am 21. Oktober 1900 schlössen sich davon
neun mit zweitausendfünfhundertzwanzig Mitgliedern zu einem Verbände, dem
Reichsverbande der nationalliberalen Jugend, zusammen. Dies war für die
Bewegung von der größten Bedeutung. Im Süden und Westen Deutsch¬
lands — weniger im Osten — entstanden eine große Anzahl immer neuer
Vereine, so daß bereits 1908 die Zahl Hundert überschritten war.

Das Verhältnis des Neichsverbandes zur Gesamtpartei war zunächst
organisatorisch nicht umgrenzt. Als dann — unter beträchtlicher Mitarbeit der
Jungliberalen — im Jahre 1905 sich die Partei ein neues Statut gab, erschien
es angebracht, die Rechte und Pflichten der „Jungen" darin unzweideutig fest¬
zulegen. So setzte man sest, daß die Organisation der Partei auch „die beson¬
deren der Vertretung nationalliberaler Grundsätze gewidmeten Verbände"
(Arbeiter-, Jugendvereine usw.) mit ihren Verbänden umfasse, man gab diesen
Vereinen und Verbänden das Recht, für je fünfhundert Mitglieder einen Ver¬
treter zum Parteitag, für je dreitausend Mitglieder einen Vertreter in den
Zentralvorstand zu entsenden. Organisatorisch wurden also der Jugendbewegung
keine besonderen Rechte eingeräumt; tatsächlich aber nimmt sie eine Ausnahme¬
stellung ein, denn außer den jungliberalen Vereinen sind bisher keine Sonder¬
vereine entstanden, die das Recht eigener Vertretung auf dem Parteitage oder
im Zentralvorstande verlangen könnten.

Prüfen wir, welches die eigenartigen Kriterien dieser Jugendorganisation
sind, so fallen vorzüglich drei Punkte ins Auge:

die Zugehörigkeit zur nationalliberalen Partei;
b) die Altersgrenze;
c) die Ziele der Bewegung.

Die Zugehörigkeit zur nationalliberalen Partei war durch die Entstehungs¬
geschichte gegeben. Der Gedanke ging von einem altbewährten rheinischen Vor¬
kämpfer der Partei aus; die Begründer der ersten Vereine entstammten Familien,
in denen man stets nationalliberal gewesen war. Rudolf von Bennigsen machte
aus seinen Sympathien für die Jugendbewegung keinen Hehl. Der damalige
Vorsitzende des Zentralvorstandes der Partei, l)r. Hannacher, richtete gelegentlich
der Gründung des Reichsverbandes an den Kölner Jugendverein ein Schreiben,
in welchem er zum Ausdruck brachte, „daß die gesamte Partei mit lebhaftem
Gefühl des Dankes für diese patriotische Bemühung unserer jüngeren Freunde
im Westen und Südwesten des Reiches durchdrungen ist". Hieran konnte auch
der Umstand nichts ändern, daß zuerst im Süden, später auch im Norden, viele
Vereine die Worte „nationalliberale Jugend" aus ihren Firmen strichen und sie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0166" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321249"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Ilmglibcrcilen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_655" prev="#ID_654"> Dr. Moldenhauer, eines Mitgliedes des Zentralvorstandes der nationalliberalen<lb/>
Partei, eines idealgesonnenen und begeisterungsfähigen Mannes, am 23. Januar<lb/>
1899 ein Verein der nationalliberalen Jugend zu Köln mit nur sechsunddreißig<lb/>
Mitgliedern begründet, der zwei Jahre darauf schon über eintausend Mitglieder<lb/>
zählte. In rascher Folge wurden dann, zunächst im Rheinland und in der<lb/>
Pfalz, weitere Vereine begründet. Am 21. Oktober 1900 schlössen sich davon<lb/>
neun mit zweitausendfünfhundertzwanzig Mitgliedern zu einem Verbände, dem<lb/>
Reichsverbande der nationalliberalen Jugend, zusammen. Dies war für die<lb/>
Bewegung von der größten Bedeutung. Im Süden und Westen Deutsch¬<lb/>
lands &#x2014; weniger im Osten &#x2014; entstanden eine große Anzahl immer neuer<lb/>
Vereine, so daß bereits 1908 die Zahl Hundert überschritten war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_656"> Das Verhältnis des Neichsverbandes zur Gesamtpartei war zunächst<lb/>
organisatorisch nicht umgrenzt. Als dann &#x2014; unter beträchtlicher Mitarbeit der<lb/>
Jungliberalen &#x2014; im Jahre 1905 sich die Partei ein neues Statut gab, erschien<lb/>
es angebracht, die Rechte und Pflichten der &#x201E;Jungen" darin unzweideutig fest¬<lb/>
zulegen. So setzte man sest, daß die Organisation der Partei auch &#x201E;die beson¬<lb/>
deren der Vertretung nationalliberaler Grundsätze gewidmeten Verbände"<lb/>
(Arbeiter-, Jugendvereine usw.) mit ihren Verbänden umfasse, man gab diesen<lb/>
Vereinen und Verbänden das Recht, für je fünfhundert Mitglieder einen Ver¬<lb/>
treter zum Parteitag, für je dreitausend Mitglieder einen Vertreter in den<lb/>
Zentralvorstand zu entsenden. Organisatorisch wurden also der Jugendbewegung<lb/>
keine besonderen Rechte eingeräumt; tatsächlich aber nimmt sie eine Ausnahme¬<lb/>
stellung ein, denn außer den jungliberalen Vereinen sind bisher keine Sonder¬<lb/>
vereine entstanden, die das Recht eigener Vertretung auf dem Parteitage oder<lb/>
im Zentralvorstande verlangen könnten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_657"> Prüfen wir, welches die eigenartigen Kriterien dieser Jugendorganisation<lb/>
sind, so fallen vorzüglich drei Punkte ins Auge:</p><lb/>
          <list>
            <item> die Zugehörigkeit zur nationalliberalen Partei;</item>
            <item> b) die Altersgrenze;</item>
            <item> c) die Ziele der Bewegung.</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_658" next="#ID_659"> Die Zugehörigkeit zur nationalliberalen Partei war durch die Entstehungs¬<lb/>
geschichte gegeben. Der Gedanke ging von einem altbewährten rheinischen Vor¬<lb/>
kämpfer der Partei aus; die Begründer der ersten Vereine entstammten Familien,<lb/>
in denen man stets nationalliberal gewesen war. Rudolf von Bennigsen machte<lb/>
aus seinen Sympathien für die Jugendbewegung keinen Hehl. Der damalige<lb/>
Vorsitzende des Zentralvorstandes der Partei, l)r. Hannacher, richtete gelegentlich<lb/>
der Gründung des Reichsverbandes an den Kölner Jugendverein ein Schreiben,<lb/>
in welchem er zum Ausdruck brachte, &#x201E;daß die gesamte Partei mit lebhaftem<lb/>
Gefühl des Dankes für diese patriotische Bemühung unserer jüngeren Freunde<lb/>
im Westen und Südwesten des Reiches durchdrungen ist". Hieran konnte auch<lb/>
der Umstand nichts ändern, daß zuerst im Süden, später auch im Norden, viele<lb/>
Vereine die Worte &#x201E;nationalliberale Jugend" aus ihren Firmen strichen und sie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0166] Die Ilmglibcrcilen Dr. Moldenhauer, eines Mitgliedes des Zentralvorstandes der nationalliberalen Partei, eines idealgesonnenen und begeisterungsfähigen Mannes, am 23. Januar 1899 ein Verein der nationalliberalen Jugend zu Köln mit nur sechsunddreißig Mitgliedern begründet, der zwei Jahre darauf schon über eintausend Mitglieder zählte. In rascher Folge wurden dann, zunächst im Rheinland und in der Pfalz, weitere Vereine begründet. Am 21. Oktober 1900 schlössen sich davon neun mit zweitausendfünfhundertzwanzig Mitgliedern zu einem Verbände, dem Reichsverbande der nationalliberalen Jugend, zusammen. Dies war für die Bewegung von der größten Bedeutung. Im Süden und Westen Deutsch¬ lands — weniger im Osten — entstanden eine große Anzahl immer neuer Vereine, so daß bereits 1908 die Zahl Hundert überschritten war. Das Verhältnis des Neichsverbandes zur Gesamtpartei war zunächst organisatorisch nicht umgrenzt. Als dann — unter beträchtlicher Mitarbeit der Jungliberalen — im Jahre 1905 sich die Partei ein neues Statut gab, erschien es angebracht, die Rechte und Pflichten der „Jungen" darin unzweideutig fest¬ zulegen. So setzte man sest, daß die Organisation der Partei auch „die beson¬ deren der Vertretung nationalliberaler Grundsätze gewidmeten Verbände" (Arbeiter-, Jugendvereine usw.) mit ihren Verbänden umfasse, man gab diesen Vereinen und Verbänden das Recht, für je fünfhundert Mitglieder einen Ver¬ treter zum Parteitag, für je dreitausend Mitglieder einen Vertreter in den Zentralvorstand zu entsenden. Organisatorisch wurden also der Jugendbewegung keine besonderen Rechte eingeräumt; tatsächlich aber nimmt sie eine Ausnahme¬ stellung ein, denn außer den jungliberalen Vereinen sind bisher keine Sonder¬ vereine entstanden, die das Recht eigener Vertretung auf dem Parteitage oder im Zentralvorstande verlangen könnten. Prüfen wir, welches die eigenartigen Kriterien dieser Jugendorganisation sind, so fallen vorzüglich drei Punkte ins Auge: die Zugehörigkeit zur nationalliberalen Partei; b) die Altersgrenze; c) die Ziele der Bewegung. Die Zugehörigkeit zur nationalliberalen Partei war durch die Entstehungs¬ geschichte gegeben. Der Gedanke ging von einem altbewährten rheinischen Vor¬ kämpfer der Partei aus; die Begründer der ersten Vereine entstammten Familien, in denen man stets nationalliberal gewesen war. Rudolf von Bennigsen machte aus seinen Sympathien für die Jugendbewegung keinen Hehl. Der damalige Vorsitzende des Zentralvorstandes der Partei, l)r. Hannacher, richtete gelegentlich der Gründung des Reichsverbandes an den Kölner Jugendverein ein Schreiben, in welchem er zum Ausdruck brachte, „daß die gesamte Partei mit lebhaftem Gefühl des Dankes für diese patriotische Bemühung unserer jüngeren Freunde im Westen und Südwesten des Reiches durchdrungen ist". Hieran konnte auch der Umstand nichts ändern, daß zuerst im Süden, später auch im Norden, viele Vereine die Worte „nationalliberale Jugend" aus ihren Firmen strichen und sie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/166
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/166>, abgerufen am 17.06.2024.