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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Der Iviesvnznun

sie auf sein Schloß zu nehmen. Denn auf dem gastlichen Schlosse Pirkheimers,
des lebens- und liebesfreudigen, in Diensten zu stehen, mochte für jedes junge
gefällige Weibswesen allerlei bedeuten, was nicht immer leicht zu verwischen
war. Dies wußte man im ganzen Nürnberg und auch im Nachbarland umher,
und man hatte sich daran gewöhnt, wie man ja vornehmen, berühmten und
ums Vaterland verdienten Männern oft manches eher zugute hält als dem
schlichten, ans Maß der notgedrungenen Sitte gefesselten Bürger.

Und noch weniger wollte dem Meister die Frage behagen, die Herr Pirk-
heimer nun ganz unvermittelt an ihn richtete:

"Und wie gefiel Euch die Felicitas?"

"Ich find', daß sie kaum weniger als der Vater guten Trost's bedarf,"
meinte Dürer ausweichend.

"Und möchtet Ihr nit einmal ein Bildnis malen, auf dem der Jörg mit
seinem Kinde ist abkonterfeit?"

"Das weiß ich jetzo nit zu sagen," versetzte Dürer nach einigem Zögern.
"Ihr wißt, wie viel an guter Arbeit mich der Holzschnitt von des Kaisers
Brautzug kostet. Er ist nun bald zu End. Wann wollt Ihr kommen, ihn
zu sehen?"

"Das soll schon in den nächsten Tagen sein," meinte Herr Pirkheimer.
"Doch will ich Euch Genaueres noch sagen, da Ihr doch vorher mein Gast zu
Abend seid. Vergeßt nit: Zecuncl^ vizzilia ^atliei. Und sagt Eurem Weib',
ich laß sie grüßen und sie sollt' nit allzu ängstlich auf Euch sein und soll Euch
freundlichen Urlaub geben am Abend, da Ihr kommt."

Herr Pirkheimer reichte bei diesen Worten den? Freunde mit gutmütig
spöttischem Lächeln die Hand.

Hier auf dem Markte stand des Ratsherrn ehrwürdig stolzes Patrizierhaus,
die Stätte ruhmreichen Bürgerverdienstcs, freigebigsten Reichtums und unbegrenzter
weltberühmter Gastlichkeit.

"Lebt wohl, o seltener Vogel des Jahrhunderts, Fürst der Gelehrten,
Patron der Musen, Orakel aller Wissenschaften!" rief ihm Dürer lachend nach.

Herr Pirkheimer wandte sich im Tore um und drohte dem Meister lächelnd
mit dem Finger. Kein anderer durfte sich eines solchen Scherzes mit ihm
erkühnen. Nur Herr Dürer wagte es unverzagt. Wortschmig folgt)




Der Iviesvnznun

sie auf sein Schloß zu nehmen. Denn auf dem gastlichen Schlosse Pirkheimers,
des lebens- und liebesfreudigen, in Diensten zu stehen, mochte für jedes junge
gefällige Weibswesen allerlei bedeuten, was nicht immer leicht zu verwischen
war. Dies wußte man im ganzen Nürnberg und auch im Nachbarland umher,
und man hatte sich daran gewöhnt, wie man ja vornehmen, berühmten und
ums Vaterland verdienten Männern oft manches eher zugute hält als dem
schlichten, ans Maß der notgedrungenen Sitte gefesselten Bürger.

Und noch weniger wollte dem Meister die Frage behagen, die Herr Pirk-
heimer nun ganz unvermittelt an ihn richtete:

„Und wie gefiel Euch die Felicitas?"

„Ich find', daß sie kaum weniger als der Vater guten Trost's bedarf,"
meinte Dürer ausweichend.

„Und möchtet Ihr nit einmal ein Bildnis malen, auf dem der Jörg mit
seinem Kinde ist abkonterfeit?"

„Das weiß ich jetzo nit zu sagen," versetzte Dürer nach einigem Zögern.
„Ihr wißt, wie viel an guter Arbeit mich der Holzschnitt von des Kaisers
Brautzug kostet. Er ist nun bald zu End. Wann wollt Ihr kommen, ihn
zu sehen?"

„Das soll schon in den nächsten Tagen sein," meinte Herr Pirkheimer.
„Doch will ich Euch Genaueres noch sagen, da Ihr doch vorher mein Gast zu
Abend seid. Vergeßt nit: Zecuncl^ vizzilia ^atliei. Und sagt Eurem Weib',
ich laß sie grüßen und sie sollt' nit allzu ängstlich auf Euch sein und soll Euch
freundlichen Urlaub geben am Abend, da Ihr kommt."

Herr Pirkheimer reichte bei diesen Worten den? Freunde mit gutmütig
spöttischem Lächeln die Hand.

Hier auf dem Markte stand des Ratsherrn ehrwürdig stolzes Patrizierhaus,
die Stätte ruhmreichen Bürgerverdienstcs, freigebigsten Reichtums und unbegrenzter
weltberühmter Gastlichkeit.

„Lebt wohl, o seltener Vogel des Jahrhunderts, Fürst der Gelehrten,
Patron der Musen, Orakel aller Wissenschaften!" rief ihm Dürer lachend nach.

Herr Pirkheimer wandte sich im Tore um und drohte dem Meister lächelnd
mit dem Finger. Kein anderer durfte sich eines solchen Scherzes mit ihm
erkühnen. Nur Herr Dürer wagte es unverzagt. Wortschmig folgt)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/195>, abgerufen am 17.06.2024.