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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Der Wieseilzcmn

Dürer lächelte belustigt. "Ich könnt' das Lob wohl brauchen, denn die
Müh' war nit gering. Mir war nit immer festlich genug zu Mut dabei, auch
hat mir fremder Wille allzuoft den Stift verzerrt!"

"Hier kann ich Euch Besseres zeigen," fuhr er dann fort und entnahm
seinem Pulte eine Zeichnung, die er dem erstaunten Pirkheimer reichte. "Es
liegt sür den Schäufelin zum Holzschnitt bereit."

"Das ist ja die Felicitas," rief Pirkheimer, kaum daß er einen Blick auf
das Bild geworfen. "Und was habt Ihr Köstliches daraus gemacht!"

Es war in der Tat etwas Wunderliebliches, was der Meister da mit selig
sicherer Hand geschaffen.

Felicitas saß, ein reizendes Lächeln auf den Lippen, als Jungfrau Maria
in einem weiten, prächtig gefalteten Gewände inmitten einer fröhlichen Engel¬
schar, die sich musizierend, singend und früchtespendend rings um sie bemühte,
indes zwei andere flügelrauschende Himmelsboten eine herrliche Krone ihr zu
Häupten trugen, auch diese noch überhöht von brandenden Wolken und Gott
lobpreisenden Seraphins. Das Jesuskindlein aber stand vergnügt auf einem
Bein im Schoß der Jungfrau und hielt ein Ärmchen vertraut um ihren Hals
geschlungen und sah mit Wohlgefallen auf eine neckische Gesellschaft kleiner
Engelchen herab, die mit Gelärm und vieler Himmelsfreude den Großen gleich
sich gebä'rdeten.

"Da find' ich meinen alten Dürer wieder," rief Pirkheimer gerührt, "dort
wo er mir am liebsten, am herzvertrautesten ist!"

Er reichte Dürern die Hand, die dieser mit freundlichem Nicken ergriff.
"Doch fagt mir," fuhr jener fort, "wie wußtet Ihr das Antlitz der Felicitas so
wunderähnlich zu gestalten, dieweil Ihr sie nur flüchtig an jenem Vormittag in
Unfugs Haus geschaut?"

"Ich könnt' Euch drob erwidern," lächelte Dürer, "daß es mir nit schwerer
ward, die Jungfrau zu kunterfenen, als es Euch gelang, sie wiederzuerkennen.
Doch kann ich Euch berichten, daß sie vor etlicher Zeit bei mir gewesen und
dort auf dem Schemel gesessen ist, und da hab' ich sie kunterfeyt!"

"Da soll doch --," fuhr Herr Pirkheimer in drolliger Verblüffung auf.
"Die Felicitas ist zu Euch gekommen? Und nun sag' mir Einer, er kenne der
Weiber wunderlich Hirngetriebe und Possenwerk!"

"Sie ist zu nur gekommen," sagte Dürer mit Nachdruck, "um meine Für¬
sprach beim hohen Rat zu erbitten für des Vaters Lieder!" Und nun erzählte
er, er habe sich bereits bei einigen Herren vom Rat für des blinden Sängers
Anliegen verwandt und bitte nun auch ihn, den Vielvermögenden, um sein
schwerwiegend Wort in dieser Angelegenheit.

Herr Pirkheimer nickte zerstreut, indes er die köstliche Zeichnung aufs neue
zur Hand nahm und angelegentlich betrachtete.

"Wie seid Ihr der dürstenden Fläche so völlig Meister geworden!" brach
er begeistert aus. "Ihr habt sie mit pulsendem Leben erfüllt von: Anfang bis


Der Wieseilzcmn

Dürer lächelte belustigt. „Ich könnt' das Lob wohl brauchen, denn die
Müh' war nit gering. Mir war nit immer festlich genug zu Mut dabei, auch
hat mir fremder Wille allzuoft den Stift verzerrt!"

„Hier kann ich Euch Besseres zeigen," fuhr er dann fort und entnahm
seinem Pulte eine Zeichnung, die er dem erstaunten Pirkheimer reichte. „Es
liegt sür den Schäufelin zum Holzschnitt bereit."

„Das ist ja die Felicitas," rief Pirkheimer, kaum daß er einen Blick auf
das Bild geworfen. „Und was habt Ihr Köstliches daraus gemacht!"

Es war in der Tat etwas Wunderliebliches, was der Meister da mit selig
sicherer Hand geschaffen.

Felicitas saß, ein reizendes Lächeln auf den Lippen, als Jungfrau Maria
in einem weiten, prächtig gefalteten Gewände inmitten einer fröhlichen Engel¬
schar, die sich musizierend, singend und früchtespendend rings um sie bemühte,
indes zwei andere flügelrauschende Himmelsboten eine herrliche Krone ihr zu
Häupten trugen, auch diese noch überhöht von brandenden Wolken und Gott
lobpreisenden Seraphins. Das Jesuskindlein aber stand vergnügt auf einem
Bein im Schoß der Jungfrau und hielt ein Ärmchen vertraut um ihren Hals
geschlungen und sah mit Wohlgefallen auf eine neckische Gesellschaft kleiner
Engelchen herab, die mit Gelärm und vieler Himmelsfreude den Großen gleich
sich gebä'rdeten.

„Da find' ich meinen alten Dürer wieder," rief Pirkheimer gerührt, „dort
wo er mir am liebsten, am herzvertrautesten ist!"

Er reichte Dürern die Hand, die dieser mit freundlichem Nicken ergriff.
„Doch fagt mir," fuhr jener fort, „wie wußtet Ihr das Antlitz der Felicitas so
wunderähnlich zu gestalten, dieweil Ihr sie nur flüchtig an jenem Vormittag in
Unfugs Haus geschaut?"

„Ich könnt' Euch drob erwidern," lächelte Dürer, „daß es mir nit schwerer
ward, die Jungfrau zu kunterfenen, als es Euch gelang, sie wiederzuerkennen.
Doch kann ich Euch berichten, daß sie vor etlicher Zeit bei mir gewesen und
dort auf dem Schemel gesessen ist, und da hab' ich sie kunterfeyt!"

„Da soll doch —," fuhr Herr Pirkheimer in drolliger Verblüffung auf.
„Die Felicitas ist zu Euch gekommen? Und nun sag' mir Einer, er kenne der
Weiber wunderlich Hirngetriebe und Possenwerk!"

„Sie ist zu nur gekommen," sagte Dürer mit Nachdruck, „um meine Für¬
sprach beim hohen Rat zu erbitten für des Vaters Lieder!" Und nun erzählte
er, er habe sich bereits bei einigen Herren vom Rat für des blinden Sängers
Anliegen verwandt und bitte nun auch ihn, den Vielvermögenden, um sein
schwerwiegend Wort in dieser Angelegenheit.

Herr Pirkheimer nickte zerstreut, indes er die köstliche Zeichnung aufs neue
zur Hand nahm und angelegentlich betrachtete.

„Wie seid Ihr der dürstenden Fläche so völlig Meister geworden!" brach
er begeistert aus. „Ihr habt sie mit pulsendem Leben erfüllt von: Anfang bis


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[0240] Der Wieseilzcmn Dürer lächelte belustigt. „Ich könnt' das Lob wohl brauchen, denn die Müh' war nit gering. Mir war nit immer festlich genug zu Mut dabei, auch hat mir fremder Wille allzuoft den Stift verzerrt!" „Hier kann ich Euch Besseres zeigen," fuhr er dann fort und entnahm seinem Pulte eine Zeichnung, die er dem erstaunten Pirkheimer reichte. „Es liegt sür den Schäufelin zum Holzschnitt bereit." „Das ist ja die Felicitas," rief Pirkheimer, kaum daß er einen Blick auf das Bild geworfen. „Und was habt Ihr Köstliches daraus gemacht!" Es war in der Tat etwas Wunderliebliches, was der Meister da mit selig sicherer Hand geschaffen. Felicitas saß, ein reizendes Lächeln auf den Lippen, als Jungfrau Maria in einem weiten, prächtig gefalteten Gewände inmitten einer fröhlichen Engel¬ schar, die sich musizierend, singend und früchtespendend rings um sie bemühte, indes zwei andere flügelrauschende Himmelsboten eine herrliche Krone ihr zu Häupten trugen, auch diese noch überhöht von brandenden Wolken und Gott lobpreisenden Seraphins. Das Jesuskindlein aber stand vergnügt auf einem Bein im Schoß der Jungfrau und hielt ein Ärmchen vertraut um ihren Hals geschlungen und sah mit Wohlgefallen auf eine neckische Gesellschaft kleiner Engelchen herab, die mit Gelärm und vieler Himmelsfreude den Großen gleich sich gebä'rdeten. „Da find' ich meinen alten Dürer wieder," rief Pirkheimer gerührt, „dort wo er mir am liebsten, am herzvertrautesten ist!" Er reichte Dürern die Hand, die dieser mit freundlichem Nicken ergriff. „Doch fagt mir," fuhr jener fort, „wie wußtet Ihr das Antlitz der Felicitas so wunderähnlich zu gestalten, dieweil Ihr sie nur flüchtig an jenem Vormittag in Unfugs Haus geschaut?" „Ich könnt' Euch drob erwidern," lächelte Dürer, „daß es mir nit schwerer ward, die Jungfrau zu kunterfenen, als es Euch gelang, sie wiederzuerkennen. Doch kann ich Euch berichten, daß sie vor etlicher Zeit bei mir gewesen und dort auf dem Schemel gesessen ist, und da hab' ich sie kunterfeyt!" „Da soll doch —," fuhr Herr Pirkheimer in drolliger Verblüffung auf. „Die Felicitas ist zu Euch gekommen? Und nun sag' mir Einer, er kenne der Weiber wunderlich Hirngetriebe und Possenwerk!" „Sie ist zu nur gekommen," sagte Dürer mit Nachdruck, „um meine Für¬ sprach beim hohen Rat zu erbitten für des Vaters Lieder!" Und nun erzählte er, er habe sich bereits bei einigen Herren vom Rat für des blinden Sängers Anliegen verwandt und bitte nun auch ihn, den Vielvermögenden, um sein schwerwiegend Wort in dieser Angelegenheit. Herr Pirkheimer nickte zerstreut, indes er die köstliche Zeichnung aufs neue zur Hand nahm und angelegentlich betrachtete. „Wie seid Ihr der dürstenden Fläche so völlig Meister geworden!" brach er begeistert aus. „Ihr habt sie mit pulsendem Leben erfüllt von: Anfang bis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/240>, abgerufen am 17.06.2024.