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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Ich sah den im Traum

einer besonders angelegten und groß angelegten, reich begabten Natur mit dem
Amt und dem Leben. Beide, der gewählte Beruf und die nicht gewählte Um¬
gebung, erscheinen schuldlos und der Held echt schuldlos-schuldig, wie tragische
Helden gemeinhin den in sie gelegten Konflikt erfüllen. Es ist erstaunlich, bis
zu welcher Höhe Brausewetter sich emporgearbeitet hat, besonders wenn man dies
Werk mit einem früheren, wie etwa "Halbseele", vergleicht. Auch im Äußer¬
lichen ist alles reif und rund, die großstädtische Gesellschaft vorzüglich gegeben
mit dem echten Ton des Kenners und ohne daß die Schilderung Selbstzweck
wird, weil alles nur der Idee der Dichtung dient. So regt das Werk zu tiefem
Nachdenken an und bringt mit der Entwicklung dieses Einen eine Fülle all¬
gemeiner Fragen, Gedanken, Hoffnungen in uns zum Wachen. Und wenn wir
jemanden: zutrauen möchten, nun auch einmal die kirchlichen und religiösen
Zeitkämpfe dichterisch darzustellen, die uns von Tag zu Tag tiefer erfassen, so
wäre es Artur Brausewetter, der Verfasser von "Stirb und werde!" Das evan¬
gelische Pfarrhaus kann stolz daraus sein, daß neben Heinrich Steinhausen,
Richard Weitbrecht, Fritz Philippi, Wilhelm Speck, Diedrich Specimann, Gustav
Frenssen (wobei ich allerdings nicht den Theologen von "Hilligenlei", sondern
den Dichter der "Drei Getreuen" und des "Jörn Abt" meine), daß neben sie
nun der Pfarrer außer Diensten Johannes Höffner und der Archidiakonus Artur
Brausewetter getreten sind, von denen beiden wir noch vieles zu erwarten
berechtigt und willens sind, vieles, was der Dublettenkrankheit so fern steht wie
ihre letzten Bücher.







Ich sah den im Traum

einer besonders angelegten und groß angelegten, reich begabten Natur mit dem
Amt und dem Leben. Beide, der gewählte Beruf und die nicht gewählte Um¬
gebung, erscheinen schuldlos und der Held echt schuldlos-schuldig, wie tragische
Helden gemeinhin den in sie gelegten Konflikt erfüllen. Es ist erstaunlich, bis
zu welcher Höhe Brausewetter sich emporgearbeitet hat, besonders wenn man dies
Werk mit einem früheren, wie etwa „Halbseele", vergleicht. Auch im Äußer¬
lichen ist alles reif und rund, die großstädtische Gesellschaft vorzüglich gegeben
mit dem echten Ton des Kenners und ohne daß die Schilderung Selbstzweck
wird, weil alles nur der Idee der Dichtung dient. So regt das Werk zu tiefem
Nachdenken an und bringt mit der Entwicklung dieses Einen eine Fülle all¬
gemeiner Fragen, Gedanken, Hoffnungen in uns zum Wachen. Und wenn wir
jemanden: zutrauen möchten, nun auch einmal die kirchlichen und religiösen
Zeitkämpfe dichterisch darzustellen, die uns von Tag zu Tag tiefer erfassen, so
wäre es Artur Brausewetter, der Verfasser von „Stirb und werde!" Das evan¬
gelische Pfarrhaus kann stolz daraus sein, daß neben Heinrich Steinhausen,
Richard Weitbrecht, Fritz Philippi, Wilhelm Speck, Diedrich Specimann, Gustav
Frenssen (wobei ich allerdings nicht den Theologen von „Hilligenlei", sondern
den Dichter der „Drei Getreuen" und des „Jörn Abt" meine), daß neben sie
nun der Pfarrer außer Diensten Johannes Höffner und der Archidiakonus Artur
Brausewetter getreten sind, von denen beiden wir noch vieles zu erwarten
berechtigt und willens sind, vieles, was der Dublettenkrankheit so fern steht wie
ihre letzten Bücher.







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[0305] Ich sah den im Traum einer besonders angelegten und groß angelegten, reich begabten Natur mit dem Amt und dem Leben. Beide, der gewählte Beruf und die nicht gewählte Um¬ gebung, erscheinen schuldlos und der Held echt schuldlos-schuldig, wie tragische Helden gemeinhin den in sie gelegten Konflikt erfüllen. Es ist erstaunlich, bis zu welcher Höhe Brausewetter sich emporgearbeitet hat, besonders wenn man dies Werk mit einem früheren, wie etwa „Halbseele", vergleicht. Auch im Äußer¬ lichen ist alles reif und rund, die großstädtische Gesellschaft vorzüglich gegeben mit dem echten Ton des Kenners und ohne daß die Schilderung Selbstzweck wird, weil alles nur der Idee der Dichtung dient. So regt das Werk zu tiefem Nachdenken an und bringt mit der Entwicklung dieses Einen eine Fülle all¬ gemeiner Fragen, Gedanken, Hoffnungen in uns zum Wachen. Und wenn wir jemanden: zutrauen möchten, nun auch einmal die kirchlichen und religiösen Zeitkämpfe dichterisch darzustellen, die uns von Tag zu Tag tiefer erfassen, so wäre es Artur Brausewetter, der Verfasser von „Stirb und werde!" Das evan¬ gelische Pfarrhaus kann stolz daraus sein, daß neben Heinrich Steinhausen, Richard Weitbrecht, Fritz Philippi, Wilhelm Speck, Diedrich Specimann, Gustav Frenssen (wobei ich allerdings nicht den Theologen von „Hilligenlei", sondern den Dichter der „Drei Getreuen" und des „Jörn Abt" meine), daß neben sie nun der Pfarrer außer Diensten Johannes Höffner und der Archidiakonus Artur Brausewetter getreten sind, von denen beiden wir noch vieles zu erwarten berechtigt und willens sind, vieles, was der Dublettenkrankheit so fern steht wie ihre letzten Bücher.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/305>, abgerufen am 17.06.2024.