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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Reichsspiogcl

Roosevelt selbst ist das Bild der Zweideutigkeit gegen die Trusts. Er hat
Reden gegen sie gehalten mit beispiellosen Kraftstellen. Sie seien schlimmer als
Straßenräuber, als bezahlte Rowdies und Zuhälter. Damit schien er der große
Vorkämpfer in einem wirklich weltgeschichtlich zu nennenden Unternehmen werden
zu wollen: in der Verteidigung der Gewerbefreiheit und des Kleinunternehmer¬
tums gegen das Milliardenkapital. Natürlich wurde er der Gottseibeiuns der
Rockefeller, Morgan, Harriman, Carnegie und des ganzen Trosses kleinerer
Größen, die sich diesen angeschlossen haben, sowie ihres Einflusses. Roosevelt
spielte als Präsident auch mehrmals mit dem Gedanken einer Ermäßigung der
Eingangszölle. AIs es aber zum Klappen kam, als man sich der Wahl von
1908 näherte, zog er sein ungestümes Rößlein wieder in den Stall. Die
Trusts und ihr ganzer hochschutzzöllnerischer Anhang drohten der Partei alle
Beiträge zu entziehen, wenn sie Roosevelt als Präsidentschaftskandidaten auf¬
stelle; ja sie werde sich nicht scheuen, einen Gegenkandidaten aufzustellen.
Roosevelt hielt es doch nicht für ratsam, diesen Drohungen zu trotzen; er ließ
den Zollreformgedanken fallen, erklärte sich mit den schärfsten Worten gegen
eine nochmalige Kandidatur, überhaupt gegen die dritte Bekleidung der Pra-,
sidentenwürde durch dieselbe Persönlichkeit. Vielmehr wandte er seinen ganzen
beträchtlichen Einfluß zugunsten des jetzigen Präsidenten Taft auf, den die
Trusts aufgestellt hatten, und der denn auch gewählt wurde.

Diese ziemlich klaren Verhältnisse haben sich in mehr als einer Beziehung
gründlich gewandelt. Die Dinge sind einen ziemlich unerwarteten Gang gegangen.
Der neue Kongreß hatte die versprochene Reform des Zolltarifs ausgeführt;
aber während man nach dem Programm der republikanischen Partei annehmen
mußte, daß diese gewisse Übertreibungen der Schutzzölle beschneiden werde,
erhöhte mau sie noch. Präsident Tahl irrte sich so sehr in der Volksstimmung,
daß er auf seiner ersten Rundreise durch den Westen Lobgesänge auf den Tarif
anstimmte, jedoch in seiner eigenen Partei einen rasch wachsenden Widerstand
antraf. Immer deutlicher bildete sich ein neuer Parteiflügel heraus, die
"Insurgenten", die den "Korrekten" entgegentraten und dem Riesenkapitalismus
Feindschaft schworen. Davon lernte Präsident Taft; klug schrieb er sich hinters
Ohr, daß eine neue Zeit anbreche. Gerade schickte der Riesenkapitalismus sich
an, einen neuen Fischzug zu tun. Die Eisenbahnen in den Vereinigten Staaten
sind sämtlich private Aktienunternehmen; diese taten sich im Frühjahr 1910
zusammen, um die Frachten und Fahrgelder ansehnlich zu erhöhen, wogegen
sich namentlich die westlichen Staaten aufs schärfste wandten, denn für Reisen
von Personen und Waren (z. B. Getreide) kommen für sie sehr lange Strecken
in Betracht. Da war es nun Präsident Taft, der in wirksamster Weise ein
Gesetz durchbringen half, das der bisher ziemlich machtlosen IntL>8tale-Lom-
Mei-LL-Lommi88i0n das Recht gab, das Inkrafttreten solcher Tariferhöhungen
M verbieten, bis sie durch einen weitläufigen und unsicheren Gerichtsspruch
bestätigt seien. Damit fielen die verhaßten Erhöhungen; es war ein großer


Reichsspiogcl

Roosevelt selbst ist das Bild der Zweideutigkeit gegen die Trusts. Er hat
Reden gegen sie gehalten mit beispiellosen Kraftstellen. Sie seien schlimmer als
Straßenräuber, als bezahlte Rowdies und Zuhälter. Damit schien er der große
Vorkämpfer in einem wirklich weltgeschichtlich zu nennenden Unternehmen werden
zu wollen: in der Verteidigung der Gewerbefreiheit und des Kleinunternehmer¬
tums gegen das Milliardenkapital. Natürlich wurde er der Gottseibeiuns der
Rockefeller, Morgan, Harriman, Carnegie und des ganzen Trosses kleinerer
Größen, die sich diesen angeschlossen haben, sowie ihres Einflusses. Roosevelt
spielte als Präsident auch mehrmals mit dem Gedanken einer Ermäßigung der
Eingangszölle. AIs es aber zum Klappen kam, als man sich der Wahl von
1908 näherte, zog er sein ungestümes Rößlein wieder in den Stall. Die
Trusts und ihr ganzer hochschutzzöllnerischer Anhang drohten der Partei alle
Beiträge zu entziehen, wenn sie Roosevelt als Präsidentschaftskandidaten auf¬
stelle; ja sie werde sich nicht scheuen, einen Gegenkandidaten aufzustellen.
Roosevelt hielt es doch nicht für ratsam, diesen Drohungen zu trotzen; er ließ
den Zollreformgedanken fallen, erklärte sich mit den schärfsten Worten gegen
eine nochmalige Kandidatur, überhaupt gegen die dritte Bekleidung der Pra-,
sidentenwürde durch dieselbe Persönlichkeit. Vielmehr wandte er seinen ganzen
beträchtlichen Einfluß zugunsten des jetzigen Präsidenten Taft auf, den die
Trusts aufgestellt hatten, und der denn auch gewählt wurde.

Diese ziemlich klaren Verhältnisse haben sich in mehr als einer Beziehung
gründlich gewandelt. Die Dinge sind einen ziemlich unerwarteten Gang gegangen.
Der neue Kongreß hatte die versprochene Reform des Zolltarifs ausgeführt;
aber während man nach dem Programm der republikanischen Partei annehmen
mußte, daß diese gewisse Übertreibungen der Schutzzölle beschneiden werde,
erhöhte mau sie noch. Präsident Tahl irrte sich so sehr in der Volksstimmung,
daß er auf seiner ersten Rundreise durch den Westen Lobgesänge auf den Tarif
anstimmte, jedoch in seiner eigenen Partei einen rasch wachsenden Widerstand
antraf. Immer deutlicher bildete sich ein neuer Parteiflügel heraus, die
„Insurgenten", die den „Korrekten" entgegentraten und dem Riesenkapitalismus
Feindschaft schworen. Davon lernte Präsident Taft; klug schrieb er sich hinters
Ohr, daß eine neue Zeit anbreche. Gerade schickte der Riesenkapitalismus sich
an, einen neuen Fischzug zu tun. Die Eisenbahnen in den Vereinigten Staaten
sind sämtlich private Aktienunternehmen; diese taten sich im Frühjahr 1910
zusammen, um die Frachten und Fahrgelder ansehnlich zu erhöhen, wogegen
sich namentlich die westlichen Staaten aufs schärfste wandten, denn für Reisen
von Personen und Waren (z. B. Getreide) kommen für sie sehr lange Strecken
in Betracht. Da war es nun Präsident Taft, der in wirksamster Weise ein
Gesetz durchbringen half, das der bisher ziemlich machtlosen IntL>8tale-Lom-
Mei-LL-Lommi88i0n das Recht gab, das Inkrafttreten solcher Tariferhöhungen
M verbieten, bis sie durch einen weitläufigen und unsicheren Gerichtsspruch
bestätigt seien. Damit fielen die verhaßten Erhöhungen; es war ein großer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/313>, abgerufen am 17.06.2024.