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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Line deutsche katholische Kirche?

auszugleichen oder zeitlich wie örtlich in den Hintergrund treten zu lassen. Es
ist auch begreiflich und sozusagen entschuldbar, wenn man das Scheitern aller
bisherigen Versuche, eine solche deutsche katholische Kirche zu gründen, an sich noch
nicht als Beweis für die Undurchführbarkeit des Gedankens gelten lassen will.
Wenn aber der Herr Verfasser des erwähnten Artikels der Grenzboten meint, es
sei die Sache bisher nur noch nicht richtig angefaßt worden, die Bewegung dürfe
nicht vont Staate ausgehen, sondern müsse aus der Reihe der Katholiken selbst
heraus begonnen werden, so muß man doch darauf aufmerksam machen, daß
gerade das, was er hier verlangt, auf die altkatholische Bewegung der siebziger
Jahre zutrifft. Sie ist aus den Kreisen der Katholiken heraus entsprungen.
Nie standen außerdem die Chancen für die Abtrennung der deutschen Katholiken
von Rom, für die Ausführung dieses Gedankens günstiger als damals. Und
trotzdem mißglückte die Bewegung. Denn, daß sie mißglückt ist, darüber täuschen
die Altkatholiken, die noch vorhanden sind, niemand, ini eigensten Innern wohl
sich selbst nicht hinweg. Das sollte zu denken geben. Man sollte der Frage
näher treten, ob es wirklich bloß Zufall, bloß die Einwirkung äußerer Umstände
war, welche die Bewegung mißlingen ließ. Oder liegt nicht vielmehr der Grund
des Scheiterns in der Sache selbst? Und in der Tat, wenn man der Frage
etwas näher tritt, wird man zu der Überzeugung kommen, daß solche Versuche
scheitern müssen, weil sie an innerer Inkonsequenz leiden.

Es kommen hier zwei Grundprinzipien der katholischen Kirche in Frage,
die so sehr mit dem Wesen der katholischen Kirche verwachsen sind, daß man
sie schlechterdings von ihr nicht trennen kann. Das eine ist das der Universalität,
das andere das der Autorität von oben. Die katholische Kirche ist ihrer ganzen
Verfassung, ihrer ganzen Geschichte nach eine Weltkirche und eine hierarchisch
organisierte Kirche. Sie ist dies ihrer Auffassung nach auf Grund der Organi¬
sation, die Christus selbst einst seiner Kirche gegeben hat. Die Richtigkeit dieser
Auffassung mag man von nichtkatholischer Seite bestreiten, die Tatsache, daß
sie besteht, muß aber allgemein zugegeben werden. Man muß also im vor¬
liegenden Fall mit ihr rechnen, wenn man nicht Luftschlösser bauen will.

Aus dem Weltkirchenstandpunkt folgt, daß man katholischerseits nie un¬
abhängige Landeskirchen wird gründen können, sondern daß, wenn eine Gliederung
nach Ländern eintritt, dies immer nur in der Art geschehen kann, daß man
die Bistümer eines Landes organisatorisch zusammenfaßt, diese Gesamtorganisation
aber wieder dem Papste unterstellt. Die Länder würden also in kirchlicher
Hinsicht Provinzen der Weltkirche sein. Es ist ausgeschlossen, daß die katholische
Kirche den deutschen Verhältnissen zuliebe von ihrem Weltkirchen - Standpunkt
abgehen sollte. Sie würde sich selbst aufgeben. Es bliebe also nur übrig, die
Bildung der unabhängigen deutschen Kirche im Gegensatz zu den kirchlichen
Autoritäten zu bewerkstelligen, wie es die Altkatholiken versucht haben. Hier
tritt aber sofort hemmend der zweite oben erwähnte Grundsatz in Geltung, daß
die Unterordnung unter die Hierarchie der Kirche das wesentliche Kennzeichen


Line deutsche katholische Kirche?

auszugleichen oder zeitlich wie örtlich in den Hintergrund treten zu lassen. Es
ist auch begreiflich und sozusagen entschuldbar, wenn man das Scheitern aller
bisherigen Versuche, eine solche deutsche katholische Kirche zu gründen, an sich noch
nicht als Beweis für die Undurchführbarkeit des Gedankens gelten lassen will.
Wenn aber der Herr Verfasser des erwähnten Artikels der Grenzboten meint, es
sei die Sache bisher nur noch nicht richtig angefaßt worden, die Bewegung dürfe
nicht vont Staate ausgehen, sondern müsse aus der Reihe der Katholiken selbst
heraus begonnen werden, so muß man doch darauf aufmerksam machen, daß
gerade das, was er hier verlangt, auf die altkatholische Bewegung der siebziger
Jahre zutrifft. Sie ist aus den Kreisen der Katholiken heraus entsprungen.
Nie standen außerdem die Chancen für die Abtrennung der deutschen Katholiken
von Rom, für die Ausführung dieses Gedankens günstiger als damals. Und
trotzdem mißglückte die Bewegung. Denn, daß sie mißglückt ist, darüber täuschen
die Altkatholiken, die noch vorhanden sind, niemand, ini eigensten Innern wohl
sich selbst nicht hinweg. Das sollte zu denken geben. Man sollte der Frage
näher treten, ob es wirklich bloß Zufall, bloß die Einwirkung äußerer Umstände
war, welche die Bewegung mißlingen ließ. Oder liegt nicht vielmehr der Grund
des Scheiterns in der Sache selbst? Und in der Tat, wenn man der Frage
etwas näher tritt, wird man zu der Überzeugung kommen, daß solche Versuche
scheitern müssen, weil sie an innerer Inkonsequenz leiden.

Es kommen hier zwei Grundprinzipien der katholischen Kirche in Frage,
die so sehr mit dem Wesen der katholischen Kirche verwachsen sind, daß man
sie schlechterdings von ihr nicht trennen kann. Das eine ist das der Universalität,
das andere das der Autorität von oben. Die katholische Kirche ist ihrer ganzen
Verfassung, ihrer ganzen Geschichte nach eine Weltkirche und eine hierarchisch
organisierte Kirche. Sie ist dies ihrer Auffassung nach auf Grund der Organi¬
sation, die Christus selbst einst seiner Kirche gegeben hat. Die Richtigkeit dieser
Auffassung mag man von nichtkatholischer Seite bestreiten, die Tatsache, daß
sie besteht, muß aber allgemein zugegeben werden. Man muß also im vor¬
liegenden Fall mit ihr rechnen, wenn man nicht Luftschlösser bauen will.

Aus dem Weltkirchenstandpunkt folgt, daß man katholischerseits nie un¬
abhängige Landeskirchen wird gründen können, sondern daß, wenn eine Gliederung
nach Ländern eintritt, dies immer nur in der Art geschehen kann, daß man
die Bistümer eines Landes organisatorisch zusammenfaßt, diese Gesamtorganisation
aber wieder dem Papste unterstellt. Die Länder würden also in kirchlicher
Hinsicht Provinzen der Weltkirche sein. Es ist ausgeschlossen, daß die katholische
Kirche den deutschen Verhältnissen zuliebe von ihrem Weltkirchen - Standpunkt
abgehen sollte. Sie würde sich selbst aufgeben. Es bliebe also nur übrig, die
Bildung der unabhängigen deutschen Kirche im Gegensatz zu den kirchlichen
Autoritäten zu bewerkstelligen, wie es die Altkatholiken versucht haben. Hier
tritt aber sofort hemmend der zweite oben erwähnte Grundsatz in Geltung, daß
die Unterordnung unter die Hierarchie der Kirche das wesentliche Kennzeichen


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[0318] Line deutsche katholische Kirche? auszugleichen oder zeitlich wie örtlich in den Hintergrund treten zu lassen. Es ist auch begreiflich und sozusagen entschuldbar, wenn man das Scheitern aller bisherigen Versuche, eine solche deutsche katholische Kirche zu gründen, an sich noch nicht als Beweis für die Undurchführbarkeit des Gedankens gelten lassen will. Wenn aber der Herr Verfasser des erwähnten Artikels der Grenzboten meint, es sei die Sache bisher nur noch nicht richtig angefaßt worden, die Bewegung dürfe nicht vont Staate ausgehen, sondern müsse aus der Reihe der Katholiken selbst heraus begonnen werden, so muß man doch darauf aufmerksam machen, daß gerade das, was er hier verlangt, auf die altkatholische Bewegung der siebziger Jahre zutrifft. Sie ist aus den Kreisen der Katholiken heraus entsprungen. Nie standen außerdem die Chancen für die Abtrennung der deutschen Katholiken von Rom, für die Ausführung dieses Gedankens günstiger als damals. Und trotzdem mißglückte die Bewegung. Denn, daß sie mißglückt ist, darüber täuschen die Altkatholiken, die noch vorhanden sind, niemand, ini eigensten Innern wohl sich selbst nicht hinweg. Das sollte zu denken geben. Man sollte der Frage näher treten, ob es wirklich bloß Zufall, bloß die Einwirkung äußerer Umstände war, welche die Bewegung mißlingen ließ. Oder liegt nicht vielmehr der Grund des Scheiterns in der Sache selbst? Und in der Tat, wenn man der Frage etwas näher tritt, wird man zu der Überzeugung kommen, daß solche Versuche scheitern müssen, weil sie an innerer Inkonsequenz leiden. Es kommen hier zwei Grundprinzipien der katholischen Kirche in Frage, die so sehr mit dem Wesen der katholischen Kirche verwachsen sind, daß man sie schlechterdings von ihr nicht trennen kann. Das eine ist das der Universalität, das andere das der Autorität von oben. Die katholische Kirche ist ihrer ganzen Verfassung, ihrer ganzen Geschichte nach eine Weltkirche und eine hierarchisch organisierte Kirche. Sie ist dies ihrer Auffassung nach auf Grund der Organi¬ sation, die Christus selbst einst seiner Kirche gegeben hat. Die Richtigkeit dieser Auffassung mag man von nichtkatholischer Seite bestreiten, die Tatsache, daß sie besteht, muß aber allgemein zugegeben werden. Man muß also im vor¬ liegenden Fall mit ihr rechnen, wenn man nicht Luftschlösser bauen will. Aus dem Weltkirchenstandpunkt folgt, daß man katholischerseits nie un¬ abhängige Landeskirchen wird gründen können, sondern daß, wenn eine Gliederung nach Ländern eintritt, dies immer nur in der Art geschehen kann, daß man die Bistümer eines Landes organisatorisch zusammenfaßt, diese Gesamtorganisation aber wieder dem Papste unterstellt. Die Länder würden also in kirchlicher Hinsicht Provinzen der Weltkirche sein. Es ist ausgeschlossen, daß die katholische Kirche den deutschen Verhältnissen zuliebe von ihrem Weltkirchen - Standpunkt abgehen sollte. Sie würde sich selbst aufgeben. Es bliebe also nur übrig, die Bildung der unabhängigen deutschen Kirche im Gegensatz zu den kirchlichen Autoritäten zu bewerkstelligen, wie es die Altkatholiken versucht haben. Hier tritt aber sofort hemmend der zweite oben erwähnte Grundsatz in Geltung, daß die Unterordnung unter die Hierarchie der Kirche das wesentliche Kennzeichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/318>, abgerufen am 17.06.2024.