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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Die Provinz Ostpreußen hatte im Jahre 1890 1 958 663 Einwohner.
Von diesen hatten 1 496 451 oder 764,02 vom Tausend die deutsche Mutter¬
sprache, 23 060 oder 11,77 vom Tausend Polnisch und Deutsch, 316 166 oder
161.42 vom Tausend nur Polnisch als Muttersprache. Bis zum Jahre 1900
stiegen die Gesamtbevölkerung auf 1996626 Köpfe, die Deutschen auf 1 572 232
oder 787,50 vom Tausend (das ist um 75 881 Menschen oder 23,48 vom
Tausend), die deutsch-polnischen Leute auf 25 608 oder 12,83 vom Tausend
(also um 2548 Köpfe oder 1,06 vom Tausend). Hingegen fiel die Zahl der
Polen auf 286 160 oder 143,32 vom Tausend. Sie sank mithin absolut um
30 006 Personen oder relativ um 18,10 vom Tausend.

Diese schnelle Verminderung fiel ausschließlich den evangelischen Polen zur
Last. Denn 1890 zählten wir unter ihnen noch 251 051 Polen (--- 128,17
vom Tausend) außer 19 059 Doppelsprachigen. Bis 1900 sank die Zahl der
nur polnisch sprechenden Evangelischen auf 220 062 oder 110,22 vom Tausend,
mithin um 30 989 Köpfe oder 17,95 vom Tausend. Der absolute Verlust des
Polentums traf nur die ausschließlich polnisch sprechenden Evangelischen, hin¬
gegen stieg die Zahl der doppelsprachigen Evangelischen auf 20 602.

Etwas anders verhielten sich die katholischen Polen, sie zählten 1890 außer
3709 doppelsprachigen 62 999 oder 32,11 vom Tausend Leute nur polnischer
Muttersprache. Die Zahlen stiegen im Jahre 1900 auf 4775 Doppelsprachige
und 63 209 Polen. Die katholischen Polen haben somit einen absoluten Verlust
nicht erlitten; jedoch war ihre Zunahme gegenüber der allgemeinen Volks¬
vermehrung in Ostpreußen so gering, daß ihr Anteil auf 31,66 vom Tausend,
also um 0,45 vont Tausend sank.

Das war die Zeit, in der man von der völligen Verdeutschung der Polen
(Masuren) Ostpreußens träumte. Inzwischen breitete sich auch dort die polnische
Agitation ans. Die kurze Frist bis 1905 änderte schon das Bild.

Ostpreußen hatte nun 2 030 176 Bewohner, darunter 1 614 724 oder
795,36 vom Tausend Deutsche, 16 012 oder 7,88 vom Tausend Deutsch und
Polnisch als Muttersprache Angehende und 294 355 oder 144,94 vom Tausend
Polen. Das Deutschtum war zwar um fast 8 vom Tausend gestiegen, aber
diese Vermehrung war nicht mehr auf Kosten der Polen erfolgt, denn deren
Anteil hatte sich um rund 1-/^ vom Tausend erhöht. Das Wachstum der
Deutschen beruht hauptsächlich auf der Minderung anderer Volksstämme, in
erster Linie der Litauer, in zweiter Linie ans dem Sinken der Anzahl der polnisch und
deutsch Sprechenden. Gerade diese Ziffer gibt einen Maßstab für die Ver¬
schärfung der Volksgegensätze und die nationale Aufweckung der ostpreußischen
Polen. Je schärfer die Gegensätze zweier Völker sind, desto weniger Menschen
werden beider Völker Sprachen zugleich als Muttersprache angeben.

Von den Doppelsprachigen (polnisch und deutsch Redenden) waren etwa
13400 evangelisch und etwa 2600 katholisch. Von den Polen waren 226044
(111,34 vom Tausend der Gesamtbevölkerung) evangelisch, 65338 (32,18 vom


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Die Provinz Ostpreußen hatte im Jahre 1890 1 958 663 Einwohner.
Von diesen hatten 1 496 451 oder 764,02 vom Tausend die deutsche Mutter¬
sprache, 23 060 oder 11,77 vom Tausend Polnisch und Deutsch, 316 166 oder
161.42 vom Tausend nur Polnisch als Muttersprache. Bis zum Jahre 1900
stiegen die Gesamtbevölkerung auf 1996626 Köpfe, die Deutschen auf 1 572 232
oder 787,50 vom Tausend (das ist um 75 881 Menschen oder 23,48 vom
Tausend), die deutsch-polnischen Leute auf 25 608 oder 12,83 vom Tausend
(also um 2548 Köpfe oder 1,06 vom Tausend). Hingegen fiel die Zahl der
Polen auf 286 160 oder 143,32 vom Tausend. Sie sank mithin absolut um
30 006 Personen oder relativ um 18,10 vom Tausend.

Diese schnelle Verminderung fiel ausschließlich den evangelischen Polen zur
Last. Denn 1890 zählten wir unter ihnen noch 251 051 Polen (--- 128,17
vom Tausend) außer 19 059 Doppelsprachigen. Bis 1900 sank die Zahl der
nur polnisch sprechenden Evangelischen auf 220 062 oder 110,22 vom Tausend,
mithin um 30 989 Köpfe oder 17,95 vom Tausend. Der absolute Verlust des
Polentums traf nur die ausschließlich polnisch sprechenden Evangelischen, hin¬
gegen stieg die Zahl der doppelsprachigen Evangelischen auf 20 602.

Etwas anders verhielten sich die katholischen Polen, sie zählten 1890 außer
3709 doppelsprachigen 62 999 oder 32,11 vom Tausend Leute nur polnischer
Muttersprache. Die Zahlen stiegen im Jahre 1900 auf 4775 Doppelsprachige
und 63 209 Polen. Die katholischen Polen haben somit einen absoluten Verlust
nicht erlitten; jedoch war ihre Zunahme gegenüber der allgemeinen Volks¬
vermehrung in Ostpreußen so gering, daß ihr Anteil auf 31,66 vom Tausend,
also um 0,45 vont Tausend sank.

Das war die Zeit, in der man von der völligen Verdeutschung der Polen
(Masuren) Ostpreußens träumte. Inzwischen breitete sich auch dort die polnische
Agitation ans. Die kurze Frist bis 1905 änderte schon das Bild.

Ostpreußen hatte nun 2 030 176 Bewohner, darunter 1 614 724 oder
795,36 vom Tausend Deutsche, 16 012 oder 7,88 vom Tausend Deutsch und
Polnisch als Muttersprache Angehende und 294 355 oder 144,94 vom Tausend
Polen. Das Deutschtum war zwar um fast 8 vom Tausend gestiegen, aber
diese Vermehrung war nicht mehr auf Kosten der Polen erfolgt, denn deren
Anteil hatte sich um rund 1-/^ vom Tausend erhöht. Das Wachstum der
Deutschen beruht hauptsächlich auf der Minderung anderer Volksstämme, in
erster Linie der Litauer, in zweiter Linie ans dem Sinken der Anzahl der polnisch und
deutsch Sprechenden. Gerade diese Ziffer gibt einen Maßstab für die Ver¬
schärfung der Volksgegensätze und die nationale Aufweckung der ostpreußischen
Polen. Je schärfer die Gegensätze zweier Völker sind, desto weniger Menschen
werden beider Völker Sprachen zugleich als Muttersprache angeben.

Von den Doppelsprachigen (polnisch und deutsch Redenden) waren etwa
13400 evangelisch und etwa 2600 katholisch. Von den Polen waren 226044
(111,34 vom Tausend der Gesamtbevölkerung) evangelisch, 65338 (32,18 vom


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[0032] T>lo Polen in «Vstprcußcn Die Provinz Ostpreußen hatte im Jahre 1890 1 958 663 Einwohner. Von diesen hatten 1 496 451 oder 764,02 vom Tausend die deutsche Mutter¬ sprache, 23 060 oder 11,77 vom Tausend Polnisch und Deutsch, 316 166 oder 161.42 vom Tausend nur Polnisch als Muttersprache. Bis zum Jahre 1900 stiegen die Gesamtbevölkerung auf 1996626 Köpfe, die Deutschen auf 1 572 232 oder 787,50 vom Tausend (das ist um 75 881 Menschen oder 23,48 vom Tausend), die deutsch-polnischen Leute auf 25 608 oder 12,83 vom Tausend (also um 2548 Köpfe oder 1,06 vom Tausend). Hingegen fiel die Zahl der Polen auf 286 160 oder 143,32 vom Tausend. Sie sank mithin absolut um 30 006 Personen oder relativ um 18,10 vom Tausend. Diese schnelle Verminderung fiel ausschließlich den evangelischen Polen zur Last. Denn 1890 zählten wir unter ihnen noch 251 051 Polen (--- 128,17 vom Tausend) außer 19 059 Doppelsprachigen. Bis 1900 sank die Zahl der nur polnisch sprechenden Evangelischen auf 220 062 oder 110,22 vom Tausend, mithin um 30 989 Köpfe oder 17,95 vom Tausend. Der absolute Verlust des Polentums traf nur die ausschließlich polnisch sprechenden Evangelischen, hin¬ gegen stieg die Zahl der doppelsprachigen Evangelischen auf 20 602. Etwas anders verhielten sich die katholischen Polen, sie zählten 1890 außer 3709 doppelsprachigen 62 999 oder 32,11 vom Tausend Leute nur polnischer Muttersprache. Die Zahlen stiegen im Jahre 1900 auf 4775 Doppelsprachige und 63 209 Polen. Die katholischen Polen haben somit einen absoluten Verlust nicht erlitten; jedoch war ihre Zunahme gegenüber der allgemeinen Volks¬ vermehrung in Ostpreußen so gering, daß ihr Anteil auf 31,66 vom Tausend, also um 0,45 vont Tausend sank. Das war die Zeit, in der man von der völligen Verdeutschung der Polen (Masuren) Ostpreußens träumte. Inzwischen breitete sich auch dort die polnische Agitation ans. Die kurze Frist bis 1905 änderte schon das Bild. Ostpreußen hatte nun 2 030 176 Bewohner, darunter 1 614 724 oder 795,36 vom Tausend Deutsche, 16 012 oder 7,88 vom Tausend Deutsch und Polnisch als Muttersprache Angehende und 294 355 oder 144,94 vom Tausend Polen. Das Deutschtum war zwar um fast 8 vom Tausend gestiegen, aber diese Vermehrung war nicht mehr auf Kosten der Polen erfolgt, denn deren Anteil hatte sich um rund 1-/^ vom Tausend erhöht. Das Wachstum der Deutschen beruht hauptsächlich auf der Minderung anderer Volksstämme, in erster Linie der Litauer, in zweiter Linie ans dem Sinken der Anzahl der polnisch und deutsch Sprechenden. Gerade diese Ziffer gibt einen Maßstab für die Ver¬ schärfung der Volksgegensätze und die nationale Aufweckung der ostpreußischen Polen. Je schärfer die Gegensätze zweier Völker sind, desto weniger Menschen werden beider Völker Sprachen zugleich als Muttersprache angeben. Von den Doppelsprachigen (polnisch und deutsch Redenden) waren etwa 13400 evangelisch und etwa 2600 katholisch. Von den Polen waren 226044 (111,34 vom Tausend der Gesamtbevölkerung) evangelisch, 65338 (32,18 vom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/32>, abgerufen am 17.06.2024.