Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Über die Ziele der Bayerischen Geworbeschau

hinweisen, den ich auch als das nächste Ziel der Bayerischen Gcwerbeschau
bezeichnen möchte: Es ist der Versuch, alle die Schwierigkeiten zu
beseitigen, die einem Zusammenarbeiten zwischeu Industrie und
Kunst entgegenstehen (wobei unter Industrie in diesem Zusammenhange
immer auch das gesamte Handwerk mit einbezogen zu denken ist).

Nun sei es mir erlaubt, noch ein Einschiebsel zu machen, das nicht hierher
zu gehören scheint, das aber erklärt, was ich weiter ausführen möchte. Hätte
ich heute vor einem Publikum von Lesern zu sprechen, die künstlerisch tätig sind,
so würde ich vor allem die Schwierigkeiten betonen, die von den Künstlern
ausgehen; da ich aber heute die Ehre und sehr seltene Gelegenheit habe, vor
einem Kreise von Männern der Industrie zu stehen, so begrüße ich sehr die
Möglichkeit, gerade über die Schwierigkeiten zu sprechen, die von Ihrer Seite
herkommen. Wohl habe ich vielfach Gelegenheit, mit Unternehmern in Berührung
zu kommen und solche Dinge zu besprechen. Aber in der Fabrik muß man
da oft Vorsicht walten lassen, darf man Klagen kaum andeuten, will man nicht
von vornherein seinen Zweck ganz verfehlen. Um so mehr bitte ich Sie heute,
die günstig sich bietende Gelegenheit ausnützen zu dürfen.

Nun also zu den Schwierigkeiten selbst! Ich glaube, die bedenklichsten liegen
zum großen Teil schon in den allgemeinen Anschauungen der Zeit: der ungeheuere
erleichterte Verkehr, das unheimlich beschleunigte Tempo, in dem zu leben wir uns
gezwungen finden, hat eine erschreckliche Verfluchung und Oberflächlichkeit zur Folge.
Aber die schönen, guten Dinge entstehen nicht in der Hast, sie müssen ihre Zeit
haben, um auszureisen. Die Möglichkeit dazu ist aber oft gar nicht gegeben. Wie
sollen wir darüber hinauskommen? Die Entwicklung von Eigenart, von starken
Persönlichkeiten, eine Voraussetzung für künstlerische Leistungen, ist unter solchen
Umständen auch aufs äußerste erschwert. Blicken wir weiter auf die Verwirrung,
die in unsere Zeit gebracht wird durch solche gewaltige Probleme, wie das
Erwachen der Massen zum Machtwillen, die Monopole und Trusts, die unheim¬
lichen Möglichkeiten, die aus der Maschine und der Technik uns erwachsen, wie
soll in einem solchen chaotischen Zustand ruhiges, ungestörtes Weiterarbeiten,
Verfeinern, Veredeln gelingen? Daneben die Schulen, die vielfach rein ver¬
standesmäßiges Lernen pflegen und die Bildung des Charakters und der Sinne
ganz vernachlässigenI Eine andere Erscheinung: Welcher Mangel an Fähigkeit,
edlen Luxus zu treiben, kennzeichnet unsere Zeit, -- edlen Luxus, wie ihn die
Medici, wie ihn manches Patriziergeschlecht, manches Fürstengeschlecht auch bei
uns in früheren Zeiten getrieben hat --- während zugleich eine andere, ver¬
blüffend dumme Art von Luxus ekelhafte Auswüchse hervorbringt. Werfen wir
noch einen Blick aus die Unehrlichkeit und Unechtheit der Lebensauffassung, die
sich überall und vielleicht am auffälligsten darin bemerkbar macht, daß jeder
Stand, statt seine eigene Art zu vervollkommnen und stolz darauf zu sein, die
Lebensart des nächsthöheren Standes -- natürlich ungeschickt und plump --
vorzutäuschen sucht.


Über die Ziele der Bayerischen Geworbeschau

hinweisen, den ich auch als das nächste Ziel der Bayerischen Gcwerbeschau
bezeichnen möchte: Es ist der Versuch, alle die Schwierigkeiten zu
beseitigen, die einem Zusammenarbeiten zwischeu Industrie und
Kunst entgegenstehen (wobei unter Industrie in diesem Zusammenhange
immer auch das gesamte Handwerk mit einbezogen zu denken ist).

Nun sei es mir erlaubt, noch ein Einschiebsel zu machen, das nicht hierher
zu gehören scheint, das aber erklärt, was ich weiter ausführen möchte. Hätte
ich heute vor einem Publikum von Lesern zu sprechen, die künstlerisch tätig sind,
so würde ich vor allem die Schwierigkeiten betonen, die von den Künstlern
ausgehen; da ich aber heute die Ehre und sehr seltene Gelegenheit habe, vor
einem Kreise von Männern der Industrie zu stehen, so begrüße ich sehr die
Möglichkeit, gerade über die Schwierigkeiten zu sprechen, die von Ihrer Seite
herkommen. Wohl habe ich vielfach Gelegenheit, mit Unternehmern in Berührung
zu kommen und solche Dinge zu besprechen. Aber in der Fabrik muß man
da oft Vorsicht walten lassen, darf man Klagen kaum andeuten, will man nicht
von vornherein seinen Zweck ganz verfehlen. Um so mehr bitte ich Sie heute,
die günstig sich bietende Gelegenheit ausnützen zu dürfen.

Nun also zu den Schwierigkeiten selbst! Ich glaube, die bedenklichsten liegen
zum großen Teil schon in den allgemeinen Anschauungen der Zeit: der ungeheuere
erleichterte Verkehr, das unheimlich beschleunigte Tempo, in dem zu leben wir uns
gezwungen finden, hat eine erschreckliche Verfluchung und Oberflächlichkeit zur Folge.
Aber die schönen, guten Dinge entstehen nicht in der Hast, sie müssen ihre Zeit
haben, um auszureisen. Die Möglichkeit dazu ist aber oft gar nicht gegeben. Wie
sollen wir darüber hinauskommen? Die Entwicklung von Eigenart, von starken
Persönlichkeiten, eine Voraussetzung für künstlerische Leistungen, ist unter solchen
Umständen auch aufs äußerste erschwert. Blicken wir weiter auf die Verwirrung,
die in unsere Zeit gebracht wird durch solche gewaltige Probleme, wie das
Erwachen der Massen zum Machtwillen, die Monopole und Trusts, die unheim¬
lichen Möglichkeiten, die aus der Maschine und der Technik uns erwachsen, wie
soll in einem solchen chaotischen Zustand ruhiges, ungestörtes Weiterarbeiten,
Verfeinern, Veredeln gelingen? Daneben die Schulen, die vielfach rein ver¬
standesmäßiges Lernen pflegen und die Bildung des Charakters und der Sinne
ganz vernachlässigenI Eine andere Erscheinung: Welcher Mangel an Fähigkeit,
edlen Luxus zu treiben, kennzeichnet unsere Zeit, — edlen Luxus, wie ihn die
Medici, wie ihn manches Patriziergeschlecht, manches Fürstengeschlecht auch bei
uns in früheren Zeiten getrieben hat —- während zugleich eine andere, ver¬
blüffend dumme Art von Luxus ekelhafte Auswüchse hervorbringt. Werfen wir
noch einen Blick aus die Unehrlichkeit und Unechtheit der Lebensauffassung, die
sich überall und vielleicht am auffälligsten darin bemerkbar macht, daß jeder
Stand, statt seine eigene Art zu vervollkommnen und stolz darauf zu sein, die
Lebensart des nächsthöheren Standes — natürlich ungeschickt und plump —
vorzutäuschen sucht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321560"/>
          <fw type="header" place="top"> Über die Ziele der Bayerischen Geworbeschau</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2032" prev="#ID_2031"> hinweisen, den ich auch als das nächste Ziel der Bayerischen Gcwerbeschau<lb/>
bezeichnen möchte: Es ist der Versuch, alle die Schwierigkeiten zu<lb/>
beseitigen, die einem Zusammenarbeiten zwischeu Industrie und<lb/>
Kunst entgegenstehen (wobei unter Industrie in diesem Zusammenhange<lb/>
immer auch das gesamte Handwerk mit einbezogen zu denken ist).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2033"> Nun sei es mir erlaubt, noch ein Einschiebsel zu machen, das nicht hierher<lb/>
zu gehören scheint, das aber erklärt, was ich weiter ausführen möchte. Hätte<lb/>
ich heute vor einem Publikum von Lesern zu sprechen, die künstlerisch tätig sind,<lb/>
so würde ich vor allem die Schwierigkeiten betonen, die von den Künstlern<lb/>
ausgehen; da ich aber heute die Ehre und sehr seltene Gelegenheit habe, vor<lb/>
einem Kreise von Männern der Industrie zu stehen, so begrüße ich sehr die<lb/>
Möglichkeit, gerade über die Schwierigkeiten zu sprechen, die von Ihrer Seite<lb/>
herkommen. Wohl habe ich vielfach Gelegenheit, mit Unternehmern in Berührung<lb/>
zu kommen und solche Dinge zu besprechen. Aber in der Fabrik muß man<lb/>
da oft Vorsicht walten lassen, darf man Klagen kaum andeuten, will man nicht<lb/>
von vornherein seinen Zweck ganz verfehlen. Um so mehr bitte ich Sie heute,<lb/>
die günstig sich bietende Gelegenheit ausnützen zu dürfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2034"> Nun also zu den Schwierigkeiten selbst! Ich glaube, die bedenklichsten liegen<lb/>
zum großen Teil schon in den allgemeinen Anschauungen der Zeit: der ungeheuere<lb/>
erleichterte Verkehr, das unheimlich beschleunigte Tempo, in dem zu leben wir uns<lb/>
gezwungen finden, hat eine erschreckliche Verfluchung und Oberflächlichkeit zur Folge.<lb/>
Aber die schönen, guten Dinge entstehen nicht in der Hast, sie müssen ihre Zeit<lb/>
haben, um auszureisen. Die Möglichkeit dazu ist aber oft gar nicht gegeben. Wie<lb/>
sollen wir darüber hinauskommen? Die Entwicklung von Eigenart, von starken<lb/>
Persönlichkeiten, eine Voraussetzung für künstlerische Leistungen, ist unter solchen<lb/>
Umständen auch aufs äußerste erschwert. Blicken wir weiter auf die Verwirrung,<lb/>
die in unsere Zeit gebracht wird durch solche gewaltige Probleme, wie das<lb/>
Erwachen der Massen zum Machtwillen, die Monopole und Trusts, die unheim¬<lb/>
lichen Möglichkeiten, die aus der Maschine und der Technik uns erwachsen, wie<lb/>
soll in einem solchen chaotischen Zustand ruhiges, ungestörtes Weiterarbeiten,<lb/>
Verfeinern, Veredeln gelingen? Daneben die Schulen, die vielfach rein ver¬<lb/>
standesmäßiges Lernen pflegen und die Bildung des Charakters und der Sinne<lb/>
ganz vernachlässigenI Eine andere Erscheinung: Welcher Mangel an Fähigkeit,<lb/>
edlen Luxus zu treiben, kennzeichnet unsere Zeit, &#x2014; edlen Luxus, wie ihn die<lb/>
Medici, wie ihn manches Patriziergeschlecht, manches Fürstengeschlecht auch bei<lb/>
uns in früheren Zeiten getrieben hat &#x2014;- während zugleich eine andere, ver¬<lb/>
blüffend dumme Art von Luxus ekelhafte Auswüchse hervorbringt. Werfen wir<lb/>
noch einen Blick aus die Unehrlichkeit und Unechtheit der Lebensauffassung, die<lb/>
sich überall und vielleicht am auffälligsten darin bemerkbar macht, daß jeder<lb/>
Stand, statt seine eigene Art zu vervollkommnen und stolz darauf zu sein, die<lb/>
Lebensart des nächsthöheren Standes &#x2014; natürlich ungeschickt und plump &#x2014;<lb/>
vorzutäuschen sucht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0477] Über die Ziele der Bayerischen Geworbeschau hinweisen, den ich auch als das nächste Ziel der Bayerischen Gcwerbeschau bezeichnen möchte: Es ist der Versuch, alle die Schwierigkeiten zu beseitigen, die einem Zusammenarbeiten zwischeu Industrie und Kunst entgegenstehen (wobei unter Industrie in diesem Zusammenhange immer auch das gesamte Handwerk mit einbezogen zu denken ist). Nun sei es mir erlaubt, noch ein Einschiebsel zu machen, das nicht hierher zu gehören scheint, das aber erklärt, was ich weiter ausführen möchte. Hätte ich heute vor einem Publikum von Lesern zu sprechen, die künstlerisch tätig sind, so würde ich vor allem die Schwierigkeiten betonen, die von den Künstlern ausgehen; da ich aber heute die Ehre und sehr seltene Gelegenheit habe, vor einem Kreise von Männern der Industrie zu stehen, so begrüße ich sehr die Möglichkeit, gerade über die Schwierigkeiten zu sprechen, die von Ihrer Seite herkommen. Wohl habe ich vielfach Gelegenheit, mit Unternehmern in Berührung zu kommen und solche Dinge zu besprechen. Aber in der Fabrik muß man da oft Vorsicht walten lassen, darf man Klagen kaum andeuten, will man nicht von vornherein seinen Zweck ganz verfehlen. Um so mehr bitte ich Sie heute, die günstig sich bietende Gelegenheit ausnützen zu dürfen. Nun also zu den Schwierigkeiten selbst! Ich glaube, die bedenklichsten liegen zum großen Teil schon in den allgemeinen Anschauungen der Zeit: der ungeheuere erleichterte Verkehr, das unheimlich beschleunigte Tempo, in dem zu leben wir uns gezwungen finden, hat eine erschreckliche Verfluchung und Oberflächlichkeit zur Folge. Aber die schönen, guten Dinge entstehen nicht in der Hast, sie müssen ihre Zeit haben, um auszureisen. Die Möglichkeit dazu ist aber oft gar nicht gegeben. Wie sollen wir darüber hinauskommen? Die Entwicklung von Eigenart, von starken Persönlichkeiten, eine Voraussetzung für künstlerische Leistungen, ist unter solchen Umständen auch aufs äußerste erschwert. Blicken wir weiter auf die Verwirrung, die in unsere Zeit gebracht wird durch solche gewaltige Probleme, wie das Erwachen der Massen zum Machtwillen, die Monopole und Trusts, die unheim¬ lichen Möglichkeiten, die aus der Maschine und der Technik uns erwachsen, wie soll in einem solchen chaotischen Zustand ruhiges, ungestörtes Weiterarbeiten, Verfeinern, Veredeln gelingen? Daneben die Schulen, die vielfach rein ver¬ standesmäßiges Lernen pflegen und die Bildung des Charakters und der Sinne ganz vernachlässigenI Eine andere Erscheinung: Welcher Mangel an Fähigkeit, edlen Luxus zu treiben, kennzeichnet unsere Zeit, — edlen Luxus, wie ihn die Medici, wie ihn manches Patriziergeschlecht, manches Fürstengeschlecht auch bei uns in früheren Zeiten getrieben hat —- während zugleich eine andere, ver¬ blüffend dumme Art von Luxus ekelhafte Auswüchse hervorbringt. Werfen wir noch einen Blick aus die Unehrlichkeit und Unechtheit der Lebensauffassung, die sich überall und vielleicht am auffälligsten darin bemerkbar macht, daß jeder Stand, statt seine eigene Art zu vervollkommnen und stolz darauf zu sein, die Lebensart des nächsthöheren Standes — natürlich ungeschickt und plump — vorzutäuschen sucht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/477
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/477>, abgerufen am 17.06.2024.