Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Leistungen moderner Lustfahrzeuge

braucht. Ein zweiter Fesselballon ist nach 20 Minuten beobachtungsbereit.
Während des Marsches mit angefülltem Ballon gleicht die Luftschifferabteilung
in Bewegungsfähigkeit, Marschlänge usw. einer Feldbatterie. Mit gefülltem
Ballon ist eine der Marschgeschwindigkeit der Infanterie annähernd entsprechende
Fortbewegungsmöglichkeit gegeben. Der Gasersatz wird nach dem Prinzip des
Munitionsersatzes geregelt. Abendbeobachtungen können zu schneller Feststellung
der feindlichen Biwaks führen.

Im Festungskriege werden Fesselballone von Angreifer und Verteidiger
verwendet, wobei die Chancen demjenigen zufallen, der die überlegene Artillerie
besitzt. Bis zur erfolgten Einschließung wird dies der Verteidiger, alsdann der
Angreifer sein. Im Festungskriege kommt die Photographie als wesentliches
Hilfsmittel hinzu. Auf großen Festungsfronten müssen Beobachtungen der
Artilleriewirkung und taktische Beobachtung von verschiedenen Fesselballon¬
abteilungen ausgeführt werden.

Erfahrungsgemäß vergrößert sich der Aufklärungsbereich nach der Küste zu.
Taktische Beobachtungen gelingen dort bis auf 20 Kilometer. Deshalb sind
Fesselballone mit besonderem Vorteil in der Küstenverteidigung zu verwenden.
Das Herannahen feindlicher Schiffe, Landungs- und Ausschiffungsversuche,
bilden ein dankbares Beobachtungsobjekt. Da wo ständig frische Winde wehen,
empfiehlt es sich Fesselballone durch bemannte, hintereinander gekoppelte Fessel¬
drachen zu ersetzen. Hiervon macht besonders die englische Küstenverteidigung
Gebrauch. Kriegsgeschichtlich ist bekannt, daß die Gefangennahme der Buren¬
abteilung unter General Cronje der Fesselballonerkundung zu danken ist, welche
überhaupt während des Burenfeldzuges den Engländern gute Dienste leistete,
um so mehr, als die klare durchsichtige südafrikanische Luft dieser Erkundungsart
günstig war.

Freiballone eignen sich für den Feldkrieg nur unter bestimmten Bedin¬
gungen des Stellungskrieges. Ihre vorzugsweise Verwendung werden sie zum
Entweichen aus belagerten Festungen finden. Beobachtungsergebnisse werden
durch Brieftauben, schriftlich oder photographisch, zurückgebracht. Auch der
Belagerer kann der Windrichtung entsprechend, Freiballone über eine Festung
hinwegfliegen lassen, und die dabei erhaltenen Erkundungsergebnisse direkt nach
der Landung auf der anderen Festungsseite auswerfen. Abfangen feindlicher
Balkone durch Automobilverfolgung kann hin und wieder zur Tageszeit gelingen.
In der Nacht ist die Automobilverfolgung vergeblich. Belagerte Festungen
können durch Freiballone und Brieftauben, unter Zuhilfenahme der Mikro¬
photographie, einen geregelten Luftpostdienst einrichten. Aus dem belagerten
Paris entwichen 65 Freiballone mit 164 Personen, 10675 Kilogramm Post¬
sachen und 381 Brieftauben. Letztere beförderten beim Nückflug (unter Aus¬
nutzung der Mikrophotographie) 60000 Telegramme aus der Provinz nach
Paris. Vier Fünftel der Tauben fand den Rückweg nicht oder ging durch
Raubvögel zugrunde.


Leistungen moderner Lustfahrzeuge

braucht. Ein zweiter Fesselballon ist nach 20 Minuten beobachtungsbereit.
Während des Marsches mit angefülltem Ballon gleicht die Luftschifferabteilung
in Bewegungsfähigkeit, Marschlänge usw. einer Feldbatterie. Mit gefülltem
Ballon ist eine der Marschgeschwindigkeit der Infanterie annähernd entsprechende
Fortbewegungsmöglichkeit gegeben. Der Gasersatz wird nach dem Prinzip des
Munitionsersatzes geregelt. Abendbeobachtungen können zu schneller Feststellung
der feindlichen Biwaks führen.

Im Festungskriege werden Fesselballone von Angreifer und Verteidiger
verwendet, wobei die Chancen demjenigen zufallen, der die überlegene Artillerie
besitzt. Bis zur erfolgten Einschließung wird dies der Verteidiger, alsdann der
Angreifer sein. Im Festungskriege kommt die Photographie als wesentliches
Hilfsmittel hinzu. Auf großen Festungsfronten müssen Beobachtungen der
Artilleriewirkung und taktische Beobachtung von verschiedenen Fesselballon¬
abteilungen ausgeführt werden.

Erfahrungsgemäß vergrößert sich der Aufklärungsbereich nach der Küste zu.
Taktische Beobachtungen gelingen dort bis auf 20 Kilometer. Deshalb sind
Fesselballone mit besonderem Vorteil in der Küstenverteidigung zu verwenden.
Das Herannahen feindlicher Schiffe, Landungs- und Ausschiffungsversuche,
bilden ein dankbares Beobachtungsobjekt. Da wo ständig frische Winde wehen,
empfiehlt es sich Fesselballone durch bemannte, hintereinander gekoppelte Fessel¬
drachen zu ersetzen. Hiervon macht besonders die englische Küstenverteidigung
Gebrauch. Kriegsgeschichtlich ist bekannt, daß die Gefangennahme der Buren¬
abteilung unter General Cronje der Fesselballonerkundung zu danken ist, welche
überhaupt während des Burenfeldzuges den Engländern gute Dienste leistete,
um so mehr, als die klare durchsichtige südafrikanische Luft dieser Erkundungsart
günstig war.

Freiballone eignen sich für den Feldkrieg nur unter bestimmten Bedin¬
gungen des Stellungskrieges. Ihre vorzugsweise Verwendung werden sie zum
Entweichen aus belagerten Festungen finden. Beobachtungsergebnisse werden
durch Brieftauben, schriftlich oder photographisch, zurückgebracht. Auch der
Belagerer kann der Windrichtung entsprechend, Freiballone über eine Festung
hinwegfliegen lassen, und die dabei erhaltenen Erkundungsergebnisse direkt nach
der Landung auf der anderen Festungsseite auswerfen. Abfangen feindlicher
Balkone durch Automobilverfolgung kann hin und wieder zur Tageszeit gelingen.
In der Nacht ist die Automobilverfolgung vergeblich. Belagerte Festungen
können durch Freiballone und Brieftauben, unter Zuhilfenahme der Mikro¬
photographie, einen geregelten Luftpostdienst einrichten. Aus dem belagerten
Paris entwichen 65 Freiballone mit 164 Personen, 10675 Kilogramm Post¬
sachen und 381 Brieftauben. Letztere beförderten beim Nückflug (unter Aus¬
nutzung der Mikrophotographie) 60000 Telegramme aus der Provinz nach
Paris. Vier Fünftel der Tauben fand den Rückweg nicht oder ging durch
Raubvögel zugrunde.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321565"/>
          <fw type="header" place="top"> Leistungen moderner Lustfahrzeuge</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2043" prev="#ID_2042"> braucht. Ein zweiter Fesselballon ist nach 20 Minuten beobachtungsbereit.<lb/>
Während des Marsches mit angefülltem Ballon gleicht die Luftschifferabteilung<lb/>
in Bewegungsfähigkeit, Marschlänge usw. einer Feldbatterie. Mit gefülltem<lb/>
Ballon ist eine der Marschgeschwindigkeit der Infanterie annähernd entsprechende<lb/>
Fortbewegungsmöglichkeit gegeben. Der Gasersatz wird nach dem Prinzip des<lb/>
Munitionsersatzes geregelt. Abendbeobachtungen können zu schneller Feststellung<lb/>
der feindlichen Biwaks führen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2044"> Im Festungskriege werden Fesselballone von Angreifer und Verteidiger<lb/>
verwendet, wobei die Chancen demjenigen zufallen, der die überlegene Artillerie<lb/>
besitzt. Bis zur erfolgten Einschließung wird dies der Verteidiger, alsdann der<lb/>
Angreifer sein. Im Festungskriege kommt die Photographie als wesentliches<lb/>
Hilfsmittel hinzu. Auf großen Festungsfronten müssen Beobachtungen der<lb/>
Artilleriewirkung und taktische Beobachtung von verschiedenen Fesselballon¬<lb/>
abteilungen ausgeführt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2045"> Erfahrungsgemäß vergrößert sich der Aufklärungsbereich nach der Küste zu.<lb/>
Taktische Beobachtungen gelingen dort bis auf 20 Kilometer. Deshalb sind<lb/>
Fesselballone mit besonderem Vorteil in der Küstenverteidigung zu verwenden.<lb/>
Das Herannahen feindlicher Schiffe, Landungs- und Ausschiffungsversuche,<lb/>
bilden ein dankbares Beobachtungsobjekt. Da wo ständig frische Winde wehen,<lb/>
empfiehlt es sich Fesselballone durch bemannte, hintereinander gekoppelte Fessel¬<lb/>
drachen zu ersetzen. Hiervon macht besonders die englische Küstenverteidigung<lb/>
Gebrauch. Kriegsgeschichtlich ist bekannt, daß die Gefangennahme der Buren¬<lb/>
abteilung unter General Cronje der Fesselballonerkundung zu danken ist, welche<lb/>
überhaupt während des Burenfeldzuges den Engländern gute Dienste leistete,<lb/>
um so mehr, als die klare durchsichtige südafrikanische Luft dieser Erkundungsart<lb/>
günstig war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2046"> Freiballone eignen sich für den Feldkrieg nur unter bestimmten Bedin¬<lb/>
gungen des Stellungskrieges. Ihre vorzugsweise Verwendung werden sie zum<lb/>
Entweichen aus belagerten Festungen finden. Beobachtungsergebnisse werden<lb/>
durch Brieftauben, schriftlich oder photographisch, zurückgebracht. Auch der<lb/>
Belagerer kann der Windrichtung entsprechend, Freiballone über eine Festung<lb/>
hinwegfliegen lassen, und die dabei erhaltenen Erkundungsergebnisse direkt nach<lb/>
der Landung auf der anderen Festungsseite auswerfen. Abfangen feindlicher<lb/>
Balkone durch Automobilverfolgung kann hin und wieder zur Tageszeit gelingen.<lb/>
In der Nacht ist die Automobilverfolgung vergeblich. Belagerte Festungen<lb/>
können durch Freiballone und Brieftauben, unter Zuhilfenahme der Mikro¬<lb/>
photographie, einen geregelten Luftpostdienst einrichten. Aus dem belagerten<lb/>
Paris entwichen 65 Freiballone mit 164 Personen, 10675 Kilogramm Post¬<lb/>
sachen und 381 Brieftauben. Letztere beförderten beim Nückflug (unter Aus¬<lb/>
nutzung der Mikrophotographie) 60000 Telegramme aus der Provinz nach<lb/>
Paris. Vier Fünftel der Tauben fand den Rückweg nicht oder ging durch<lb/>
Raubvögel zugrunde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0482] Leistungen moderner Lustfahrzeuge braucht. Ein zweiter Fesselballon ist nach 20 Minuten beobachtungsbereit. Während des Marsches mit angefülltem Ballon gleicht die Luftschifferabteilung in Bewegungsfähigkeit, Marschlänge usw. einer Feldbatterie. Mit gefülltem Ballon ist eine der Marschgeschwindigkeit der Infanterie annähernd entsprechende Fortbewegungsmöglichkeit gegeben. Der Gasersatz wird nach dem Prinzip des Munitionsersatzes geregelt. Abendbeobachtungen können zu schneller Feststellung der feindlichen Biwaks führen. Im Festungskriege werden Fesselballone von Angreifer und Verteidiger verwendet, wobei die Chancen demjenigen zufallen, der die überlegene Artillerie besitzt. Bis zur erfolgten Einschließung wird dies der Verteidiger, alsdann der Angreifer sein. Im Festungskriege kommt die Photographie als wesentliches Hilfsmittel hinzu. Auf großen Festungsfronten müssen Beobachtungen der Artilleriewirkung und taktische Beobachtung von verschiedenen Fesselballon¬ abteilungen ausgeführt werden. Erfahrungsgemäß vergrößert sich der Aufklärungsbereich nach der Küste zu. Taktische Beobachtungen gelingen dort bis auf 20 Kilometer. Deshalb sind Fesselballone mit besonderem Vorteil in der Küstenverteidigung zu verwenden. Das Herannahen feindlicher Schiffe, Landungs- und Ausschiffungsversuche, bilden ein dankbares Beobachtungsobjekt. Da wo ständig frische Winde wehen, empfiehlt es sich Fesselballone durch bemannte, hintereinander gekoppelte Fessel¬ drachen zu ersetzen. Hiervon macht besonders die englische Küstenverteidigung Gebrauch. Kriegsgeschichtlich ist bekannt, daß die Gefangennahme der Buren¬ abteilung unter General Cronje der Fesselballonerkundung zu danken ist, welche überhaupt während des Burenfeldzuges den Engländern gute Dienste leistete, um so mehr, als die klare durchsichtige südafrikanische Luft dieser Erkundungsart günstig war. Freiballone eignen sich für den Feldkrieg nur unter bestimmten Bedin¬ gungen des Stellungskrieges. Ihre vorzugsweise Verwendung werden sie zum Entweichen aus belagerten Festungen finden. Beobachtungsergebnisse werden durch Brieftauben, schriftlich oder photographisch, zurückgebracht. Auch der Belagerer kann der Windrichtung entsprechend, Freiballone über eine Festung hinwegfliegen lassen, und die dabei erhaltenen Erkundungsergebnisse direkt nach der Landung auf der anderen Festungsseite auswerfen. Abfangen feindlicher Balkone durch Automobilverfolgung kann hin und wieder zur Tageszeit gelingen. In der Nacht ist die Automobilverfolgung vergeblich. Belagerte Festungen können durch Freiballone und Brieftauben, unter Zuhilfenahme der Mikro¬ photographie, einen geregelten Luftpostdienst einrichten. Aus dem belagerten Paris entwichen 65 Freiballone mit 164 Personen, 10675 Kilogramm Post¬ sachen und 381 Brieftauben. Letztere beförderten beim Nückflug (unter Aus¬ nutzung der Mikrophotographie) 60000 Telegramme aus der Provinz nach Paris. Vier Fünftel der Tauben fand den Rückweg nicht oder ging durch Raubvögel zugrunde.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/482
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/482>, abgerufen am 17.06.2024.