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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Die Bedeutung der deutschen Heercsverstärkung

die bürgerlichen Parteien von der liberalen Linken bis zur äußersten Rechten
das als notwendig Anerkannte glatt und ohne lange Debatten bewilligten, hoffen,
Bassermann möge recht behalten mit seiner Erwartung, "daß die Zeit der
Kämpfe über solche Fragen in diesen Parteien der Vergangenheit angehört".
Nur die Sozialdemokraten, die Polen und die Elsässer stimmten gegen die
Bewilligung der Heeresverstärkung -- vom Zentrum allein der bayerische General¬
major z. D. Kaspar Häusler. Welchen Eindruck die Endton-Annahme der Beschlüsse
der Budgetkommisston seitens des Plenums nach kaum zweistündiger Debatte gerade
bei diesem "roten" Reichstage im Auslande machte, läßt sich aus den ver¬
schiedenen Presseäußernngen entnehmen. Bei unseren Freunden und Bundes¬
genossen an der Donau lebhafte Freude, stellenweise gemischt mit ein bißchen
Wehmut ob der eigenen Misere in Sachen der so dringend nötigen und immer
wieder verzögerten Heeresverstärkung. Bei unseren gallischen Nachbarn aber
galliges Lärmen, der Ruf nach sofortiger rsprise -- nur fehlt es an den
Mitteln, um Deutschlands Schachzug ebenbürtig zu begegnen. Rückkehr zur
dreijährigen Dienstzeit, vor allem bei den berittenen Truppen. Bündnis mit
England, Abschaffung der Militärmusiken, um die dortigen Leute in die Truppe
einstellen zu können, und Ja8t not Iea8t sofortige Aufstellung von zwei schwarzen
Divisionen in Nordafrika: das sind so die Hauptvorschläge, denen man bisher
begegnen konnte. Außerdem schlägt der frühere Kriegsminister Messimy angesichts
des neuerlichen Rückgangs der Geburtenziffer, die von der Sterbeziffer um ein
Erhebliches übertroffen wird, Prämiierung zahlreicher Kindererzeugung und
Besteuerung von Kinderlosigkeit, Kinderarmut und Ehelosigkeit vor. Praktischen
Wert für einen Ausgleich mit der deutschen Heeresverstärkung würde höchstens
die Schaffung großer schwarzer Truppenverbände haben -- aber in Marokko
befindet sich Frankreich derzeit "in Feindesland" und auch in Algier scheint bei
den Eingeborenen eine Sympathie für die allgemeine Wehrpflicht nicht zu bestehen.

Die Verstärkung unseres Heeres bedeutet zugleich eine namhafte Verstärkung
unserer internationalen Machtstellung und durch diese gewinnt auch unsere volks¬
wirtschaftliche Entwicklung neuen Impuls und neue Kräftigung. Man hat im
Auslande während der Marokkowirren des vorigen Jahres vielfach bereits mit
einer beginnenden Schwächung des Reiches rechnen zu dürfen geglaubt. Man
meinte namentlich die finanzielle Kraft Deutschlands sehr gering einschätzen zu
dürfen. Ein Volk indessen, das solche Heeresverstärkung ohne jede Reibung
glatt zur Tat macht, ist weder schwach noch krank. Das haben unsere Gegner
nun wohl erkannt.




Die Bedeutung der deutschen Heercsverstärkung

die bürgerlichen Parteien von der liberalen Linken bis zur äußersten Rechten
das als notwendig Anerkannte glatt und ohne lange Debatten bewilligten, hoffen,
Bassermann möge recht behalten mit seiner Erwartung, „daß die Zeit der
Kämpfe über solche Fragen in diesen Parteien der Vergangenheit angehört".
Nur die Sozialdemokraten, die Polen und die Elsässer stimmten gegen die
Bewilligung der Heeresverstärkung — vom Zentrum allein der bayerische General¬
major z. D. Kaspar Häusler. Welchen Eindruck die Endton-Annahme der Beschlüsse
der Budgetkommisston seitens des Plenums nach kaum zweistündiger Debatte gerade
bei diesem „roten" Reichstage im Auslande machte, läßt sich aus den ver¬
schiedenen Presseäußernngen entnehmen. Bei unseren Freunden und Bundes¬
genossen an der Donau lebhafte Freude, stellenweise gemischt mit ein bißchen
Wehmut ob der eigenen Misere in Sachen der so dringend nötigen und immer
wieder verzögerten Heeresverstärkung. Bei unseren gallischen Nachbarn aber
galliges Lärmen, der Ruf nach sofortiger rsprise — nur fehlt es an den
Mitteln, um Deutschlands Schachzug ebenbürtig zu begegnen. Rückkehr zur
dreijährigen Dienstzeit, vor allem bei den berittenen Truppen. Bündnis mit
England, Abschaffung der Militärmusiken, um die dortigen Leute in die Truppe
einstellen zu können, und Ja8t not Iea8t sofortige Aufstellung von zwei schwarzen
Divisionen in Nordafrika: das sind so die Hauptvorschläge, denen man bisher
begegnen konnte. Außerdem schlägt der frühere Kriegsminister Messimy angesichts
des neuerlichen Rückgangs der Geburtenziffer, die von der Sterbeziffer um ein
Erhebliches übertroffen wird, Prämiierung zahlreicher Kindererzeugung und
Besteuerung von Kinderlosigkeit, Kinderarmut und Ehelosigkeit vor. Praktischen
Wert für einen Ausgleich mit der deutschen Heeresverstärkung würde höchstens
die Schaffung großer schwarzer Truppenverbände haben — aber in Marokko
befindet sich Frankreich derzeit „in Feindesland" und auch in Algier scheint bei
den Eingeborenen eine Sympathie für die allgemeine Wehrpflicht nicht zu bestehen.

Die Verstärkung unseres Heeres bedeutet zugleich eine namhafte Verstärkung
unserer internationalen Machtstellung und durch diese gewinnt auch unsere volks¬
wirtschaftliche Entwicklung neuen Impuls und neue Kräftigung. Man hat im
Auslande während der Marokkowirren des vorigen Jahres vielfach bereits mit
einer beginnenden Schwächung des Reiches rechnen zu dürfen geglaubt. Man
meinte namentlich die finanzielle Kraft Deutschlands sehr gering einschätzen zu
dürfen. Ein Volk indessen, das solche Heeresverstärkung ohne jede Reibung
glatt zur Tat macht, ist weder schwach noch krank. Das haben unsere Gegner
nun wohl erkannt.




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[0566] Die Bedeutung der deutschen Heercsverstärkung die bürgerlichen Parteien von der liberalen Linken bis zur äußersten Rechten das als notwendig Anerkannte glatt und ohne lange Debatten bewilligten, hoffen, Bassermann möge recht behalten mit seiner Erwartung, „daß die Zeit der Kämpfe über solche Fragen in diesen Parteien der Vergangenheit angehört". Nur die Sozialdemokraten, die Polen und die Elsässer stimmten gegen die Bewilligung der Heeresverstärkung — vom Zentrum allein der bayerische General¬ major z. D. Kaspar Häusler. Welchen Eindruck die Endton-Annahme der Beschlüsse der Budgetkommisston seitens des Plenums nach kaum zweistündiger Debatte gerade bei diesem „roten" Reichstage im Auslande machte, läßt sich aus den ver¬ schiedenen Presseäußernngen entnehmen. Bei unseren Freunden und Bundes¬ genossen an der Donau lebhafte Freude, stellenweise gemischt mit ein bißchen Wehmut ob der eigenen Misere in Sachen der so dringend nötigen und immer wieder verzögerten Heeresverstärkung. Bei unseren gallischen Nachbarn aber galliges Lärmen, der Ruf nach sofortiger rsprise — nur fehlt es an den Mitteln, um Deutschlands Schachzug ebenbürtig zu begegnen. Rückkehr zur dreijährigen Dienstzeit, vor allem bei den berittenen Truppen. Bündnis mit England, Abschaffung der Militärmusiken, um die dortigen Leute in die Truppe einstellen zu können, und Ja8t not Iea8t sofortige Aufstellung von zwei schwarzen Divisionen in Nordafrika: das sind so die Hauptvorschläge, denen man bisher begegnen konnte. Außerdem schlägt der frühere Kriegsminister Messimy angesichts des neuerlichen Rückgangs der Geburtenziffer, die von der Sterbeziffer um ein Erhebliches übertroffen wird, Prämiierung zahlreicher Kindererzeugung und Besteuerung von Kinderlosigkeit, Kinderarmut und Ehelosigkeit vor. Praktischen Wert für einen Ausgleich mit der deutschen Heeresverstärkung würde höchstens die Schaffung großer schwarzer Truppenverbände haben — aber in Marokko befindet sich Frankreich derzeit „in Feindesland" und auch in Algier scheint bei den Eingeborenen eine Sympathie für die allgemeine Wehrpflicht nicht zu bestehen. Die Verstärkung unseres Heeres bedeutet zugleich eine namhafte Verstärkung unserer internationalen Machtstellung und durch diese gewinnt auch unsere volks¬ wirtschaftliche Entwicklung neuen Impuls und neue Kräftigung. Man hat im Auslande während der Marokkowirren des vorigen Jahres vielfach bereits mit einer beginnenden Schwächung des Reiches rechnen zu dürfen geglaubt. Man meinte namentlich die finanzielle Kraft Deutschlands sehr gering einschätzen zu dürfen. Ein Volk indessen, das solche Heeresverstärkung ohne jede Reibung glatt zur Tat macht, ist weder schwach noch krank. Das haben unsere Gegner nun wohl erkannt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/566>, abgerufen am 17.06.2024.