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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Erfolg gehabt. Um so wirksamer kommen die an demselben Orte vorhandenen
mgliscken Lehreinrichtungen und das große englische Schulmuseum zur Geltung,
wo täglich mehr als tausend Chinesen über die "weltbeherrschende Stellung
Englands in politischer und wirtschaftlicher Beziehung" belehrt werden. Soweit
Deutschland sich nicht zu gleichen Schritten entschließt, kommt es durch diese
Unterlassung nicht nur direkt in das Hintertreffen,sondern läßt den anderen Ländern
auch noch freie Hand, die Chinesen in jeder Weise von der "Bedeutungslosigkeit
und Kulturarmut Deutschlands" zu überzeugen. Es ist nicht lange her, daß
man sich nicht einmal scheute, Deutschland als ein Anhängsel Englands hinzu¬
stellen. So hat im Jahre 1904 ein amerikanischer Missionar in Schanghai in
chinesischer Sprache einen Vortrag gehalten, in dem er über abendländische
Kultur sprach. Der Vortrag machte die Runde durch die bedeutenderen chine¬
sischen Zeitungen. In diesem Vortrage fand sich folgender Satz: "Unter Deutsch¬
lands Vereinigten Staaten nimmt Preußen die erste Stelle ein. Preußens ältere
Schriftsteller kann man an den Fingern herzählen, das Land hat daher in
neuerer Zeit auch die englische Sprache und Schrift angenommen."

Im Jahre 1912 wurde in England ein Verband, die "Britisch Engineers
Association" gegründet, der bestimmt ist, namentlich in China zu arbeiten und
allem Anschein direkt gegen die deutsche Industrie in Asien und wohl auch gegen
die Vereinigten Staaten gerichtet -ist. Das großzügige Programm hat den
Zweck, auf die verschiedenste Weise, durch wirtschaftliche und kulturelle Tätig¬
keit, den englischen Einfluß zu stärken und der englischen Industrie eine möglichst
herrschende Stellung zu verschaffen.

Wie wenig Interesse leider deutsche Kreise für deutsche wirtschaftliche Unter¬
nehmungen in China haben, zeigte sich kürzlich wieder bei der Aufstellung des
Planes, in Kiautschau ein Hochseefischereiunternehmen zu gründen. Das Unter¬
nehmen, welches mit einem Aktienkapital von 2 Millionen Mark veranschlagt ist,
findet in der Kolonie großes Interesse. Allerdings ist vor der Gründung eine
genaue Untersuchung der in Betracht kommenden Teile des chinesischen Meeres
notwendig, wozu eine biologische Station für ein bis anderthalb Jahre zu
errichten wäre. Sie beansprucht einen Aufwand von 100000 Mark, die nach
Gründung des Hochseefischereiunternehmens den Stiftern zurückgezahlt werden
sollen. Japan hat zu diesem Zweck fünfundzwanzig solcher Stationen und seine
Einnahmen aus der Hochseefischerei haben sich von 1898 bis zur Gegenwart
von 75 Millionen Mark auf 500 Millionen Mark erhöht. Gegenüber der Gründung
der deutschen biologischen Station verhielten sich jedoch die beteiligten Interessen-
kreise so gut wie ablehnend. Auch in dieser Beziehung drängt die Zeit, und es
ist ausgeschlossen, später etwas nachholen zu können. In Tientsin ist
bereits bei der Negierung von chinesischer Seite ein Gesuch um Genehmigung
eines Hochseefischereiunternehmens von Tientsin eingereicht worden, das mit
2 Millionen Mark und 200000 Mark für Voruntersuchungen gegründet werden
soll. In Schanghai besteht schon jetzt seit Beginn des Jahres 1912 ein englisches


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Erfolg gehabt. Um so wirksamer kommen die an demselben Orte vorhandenen
mgliscken Lehreinrichtungen und das große englische Schulmuseum zur Geltung,
wo täglich mehr als tausend Chinesen über die „weltbeherrschende Stellung
Englands in politischer und wirtschaftlicher Beziehung" belehrt werden. Soweit
Deutschland sich nicht zu gleichen Schritten entschließt, kommt es durch diese
Unterlassung nicht nur direkt in das Hintertreffen,sondern läßt den anderen Ländern
auch noch freie Hand, die Chinesen in jeder Weise von der „Bedeutungslosigkeit
und Kulturarmut Deutschlands" zu überzeugen. Es ist nicht lange her, daß
man sich nicht einmal scheute, Deutschland als ein Anhängsel Englands hinzu¬
stellen. So hat im Jahre 1904 ein amerikanischer Missionar in Schanghai in
chinesischer Sprache einen Vortrag gehalten, in dem er über abendländische
Kultur sprach. Der Vortrag machte die Runde durch die bedeutenderen chine¬
sischen Zeitungen. In diesem Vortrage fand sich folgender Satz: „Unter Deutsch¬
lands Vereinigten Staaten nimmt Preußen die erste Stelle ein. Preußens ältere
Schriftsteller kann man an den Fingern herzählen, das Land hat daher in
neuerer Zeit auch die englische Sprache und Schrift angenommen."

Im Jahre 1912 wurde in England ein Verband, die „Britisch Engineers
Association" gegründet, der bestimmt ist, namentlich in China zu arbeiten und
allem Anschein direkt gegen die deutsche Industrie in Asien und wohl auch gegen
die Vereinigten Staaten gerichtet -ist. Das großzügige Programm hat den
Zweck, auf die verschiedenste Weise, durch wirtschaftliche und kulturelle Tätig¬
keit, den englischen Einfluß zu stärken und der englischen Industrie eine möglichst
herrschende Stellung zu verschaffen.

Wie wenig Interesse leider deutsche Kreise für deutsche wirtschaftliche Unter¬
nehmungen in China haben, zeigte sich kürzlich wieder bei der Aufstellung des
Planes, in Kiautschau ein Hochseefischereiunternehmen zu gründen. Das Unter¬
nehmen, welches mit einem Aktienkapital von 2 Millionen Mark veranschlagt ist,
findet in der Kolonie großes Interesse. Allerdings ist vor der Gründung eine
genaue Untersuchung der in Betracht kommenden Teile des chinesischen Meeres
notwendig, wozu eine biologische Station für ein bis anderthalb Jahre zu
errichten wäre. Sie beansprucht einen Aufwand von 100000 Mark, die nach
Gründung des Hochseefischereiunternehmens den Stiftern zurückgezahlt werden
sollen. Japan hat zu diesem Zweck fünfundzwanzig solcher Stationen und seine
Einnahmen aus der Hochseefischerei haben sich von 1898 bis zur Gegenwart
von 75 Millionen Mark auf 500 Millionen Mark erhöht. Gegenüber der Gründung
der deutschen biologischen Station verhielten sich jedoch die beteiligten Interessen-
kreise so gut wie ablehnend. Auch in dieser Beziehung drängt die Zeit, und es
ist ausgeschlossen, später etwas nachholen zu können. In Tientsin ist
bereits bei der Negierung von chinesischer Seite ein Gesuch um Genehmigung
eines Hochseefischereiunternehmens von Tientsin eingereicht worden, das mit
2 Millionen Mark und 200000 Mark für Voruntersuchungen gegründet werden
soll. In Schanghai besteht schon jetzt seit Beginn des Jahres 1912 ein englisches


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/543>, abgerufen am 18.05.2024.