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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Amerika am Bau seiner Handelsflotte

hinzugefügt ist, Anteil an den vom Generalpostmeister zu vergehenden Sub¬
ventionen haben.

Nordamerikanische Reeber kommen also nun in die Lage, Schiffe in Eng¬
land, Deutschland, auch in anderen Ländern Europas, kaufen zu können und an allen
Vorteilen der amerikanischen Handelsschiffe, mit Ausnahme der Küstenschiffahrt,
teilnehmen zu lassen, nur dürfen sie nicht älter sein als fünf Jahre. Solche
Schiffe sind in Europa weit billiger, als in Amerika; dennoch läßt man
den sonst maßgebenden Gru"dsatz, daß die billigere Herstellung des Aus¬
landes durch Zölle wieder ausgeglichen werden müsse, hier gänzlich fallen.
Ganze Schiffe und für den Schiffbauer, nicht für den Händler, auch Schiffsbau¬
materialien sind zollfrei. Die Schiffe müssen Eigentum von amerikanischen Bürgen:
sein; amerikanische Bürger können sie also kaufen und einführen. Aber mit
Hilfe von in Amerika gegründeten Aktiengesellschaften können selbst Europäer
ihre Schiffe unter amerikanische Flagge bringen, nur muß die Verwaltung
aus amerikanischen Bürgern bestehen, was leicht genug zu machen ist.

Die amerikanischen Gesetze schreiben vor, daß die Besatzungen unter amerika¬
nischer Flagge fahrender Schiffe bis zu einem gewissen Bruchteil aus amerikanischen
Bürgern bestehen müssen. Diese sind natürlich nicht im Handumdrehen vor¬
handen, aber doch, falls man keine anderen Vorkehrungen trifft, in längstens
drei Jahren. In diesem Zeitraum erwerben Einwanderer das Bürger¬
recht. Schon jetzt sind die Löhne der Besatzungen in den Vereinigten
Staaten viel höher als in Europa. Wenn nun mit einemmal eine
solche Nachfrage nach Seeleuten entsteht, werden viele Engländer, Deutsche,
Skandinavier, vom Schiffsjungen bis zum Kapitän aufwärts hinüber¬
gehen. Alle europäischen Seestaaten suchen ihr Personal festzuhalten, es ist
aber nicht wahrscheinlich, daß dieses so großen Lockungen widerstehen wird. Denn
die Amerikaner können viel bieten. Man denke doch, wieviel Geld ein mittlerer
Dampfer von 8000 Registertonnen Netto auf einer einzigen Reise erspart.
Die Gebühren für zweimaliges Durchfahren des Kanals belaufen sich auf
19200 Dollars oder 80600 Mark. Dies vermeidet man mit dem Übergang
des Schiffes unter amerikanische Flagge, und dabei kann die Durchfahrt dann
im Jahre sechs- oder zwölfmal oder noch öfter wiederholt werden.

Es ist zu erwarten, daß sehr viele europäische Schiffe auf diese Weise die
Heimat wechseln werden und mit ihnen eine entsprechende Anzahl von Seeleuten.
Das werden auch die Kriegsmarinen der betroffenen Länder fühlen, denn ihre
Reserven bilden die Mannschaften der Handelsschiffe. Die Amerikaner können
eine Kriegsflotte fortan weit leichter bemannen als zuvor, die europäischen
Staaten weit schwerer. Auch weitreichende wirtschaftliche Folgen werden sich
einstellen. Bis zu einem gewissen Grade ist es richtig, daß der Handel der
Flagge folgt. Wenn statt der Europäer fortan viele Amerikaner in den süd¬
amerikanischen und australischen Häfen in Uokohama, Schanghai, Hongkong
einlaufen, so knüpfen sich viele Handelsbeziehungen zwischen diesen und den


Amerika am Bau seiner Handelsflotte

hinzugefügt ist, Anteil an den vom Generalpostmeister zu vergehenden Sub¬
ventionen haben.

Nordamerikanische Reeber kommen also nun in die Lage, Schiffe in Eng¬
land, Deutschland, auch in anderen Ländern Europas, kaufen zu können und an allen
Vorteilen der amerikanischen Handelsschiffe, mit Ausnahme der Küstenschiffahrt,
teilnehmen zu lassen, nur dürfen sie nicht älter sein als fünf Jahre. Solche
Schiffe sind in Europa weit billiger, als in Amerika; dennoch läßt man
den sonst maßgebenden Gru"dsatz, daß die billigere Herstellung des Aus¬
landes durch Zölle wieder ausgeglichen werden müsse, hier gänzlich fallen.
Ganze Schiffe und für den Schiffbauer, nicht für den Händler, auch Schiffsbau¬
materialien sind zollfrei. Die Schiffe müssen Eigentum von amerikanischen Bürgen:
sein; amerikanische Bürger können sie also kaufen und einführen. Aber mit
Hilfe von in Amerika gegründeten Aktiengesellschaften können selbst Europäer
ihre Schiffe unter amerikanische Flagge bringen, nur muß die Verwaltung
aus amerikanischen Bürgern bestehen, was leicht genug zu machen ist.

Die amerikanischen Gesetze schreiben vor, daß die Besatzungen unter amerika¬
nischer Flagge fahrender Schiffe bis zu einem gewissen Bruchteil aus amerikanischen
Bürgern bestehen müssen. Diese sind natürlich nicht im Handumdrehen vor¬
handen, aber doch, falls man keine anderen Vorkehrungen trifft, in längstens
drei Jahren. In diesem Zeitraum erwerben Einwanderer das Bürger¬
recht. Schon jetzt sind die Löhne der Besatzungen in den Vereinigten
Staaten viel höher als in Europa. Wenn nun mit einemmal eine
solche Nachfrage nach Seeleuten entsteht, werden viele Engländer, Deutsche,
Skandinavier, vom Schiffsjungen bis zum Kapitän aufwärts hinüber¬
gehen. Alle europäischen Seestaaten suchen ihr Personal festzuhalten, es ist
aber nicht wahrscheinlich, daß dieses so großen Lockungen widerstehen wird. Denn
die Amerikaner können viel bieten. Man denke doch, wieviel Geld ein mittlerer
Dampfer von 8000 Registertonnen Netto auf einer einzigen Reise erspart.
Die Gebühren für zweimaliges Durchfahren des Kanals belaufen sich auf
19200 Dollars oder 80600 Mark. Dies vermeidet man mit dem Übergang
des Schiffes unter amerikanische Flagge, und dabei kann die Durchfahrt dann
im Jahre sechs- oder zwölfmal oder noch öfter wiederholt werden.

Es ist zu erwarten, daß sehr viele europäische Schiffe auf diese Weise die
Heimat wechseln werden und mit ihnen eine entsprechende Anzahl von Seeleuten.
Das werden auch die Kriegsmarinen der betroffenen Länder fühlen, denn ihre
Reserven bilden die Mannschaften der Handelsschiffe. Die Amerikaner können
eine Kriegsflotte fortan weit leichter bemannen als zuvor, die europäischen
Staaten weit schwerer. Auch weitreichende wirtschaftliche Folgen werden sich
einstellen. Bis zu einem gewissen Grade ist es richtig, daß der Handel der
Flagge folgt. Wenn statt der Europäer fortan viele Amerikaner in den süd¬
amerikanischen und australischen Häfen in Uokohama, Schanghai, Hongkong
einlaufen, so knüpfen sich viele Handelsbeziehungen zwischen diesen und den


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[0607] Amerika am Bau seiner Handelsflotte hinzugefügt ist, Anteil an den vom Generalpostmeister zu vergehenden Sub¬ ventionen haben. Nordamerikanische Reeber kommen also nun in die Lage, Schiffe in Eng¬ land, Deutschland, auch in anderen Ländern Europas, kaufen zu können und an allen Vorteilen der amerikanischen Handelsschiffe, mit Ausnahme der Küstenschiffahrt, teilnehmen zu lassen, nur dürfen sie nicht älter sein als fünf Jahre. Solche Schiffe sind in Europa weit billiger, als in Amerika; dennoch läßt man den sonst maßgebenden Gru"dsatz, daß die billigere Herstellung des Aus¬ landes durch Zölle wieder ausgeglichen werden müsse, hier gänzlich fallen. Ganze Schiffe und für den Schiffbauer, nicht für den Händler, auch Schiffsbau¬ materialien sind zollfrei. Die Schiffe müssen Eigentum von amerikanischen Bürgen: sein; amerikanische Bürger können sie also kaufen und einführen. Aber mit Hilfe von in Amerika gegründeten Aktiengesellschaften können selbst Europäer ihre Schiffe unter amerikanische Flagge bringen, nur muß die Verwaltung aus amerikanischen Bürgern bestehen, was leicht genug zu machen ist. Die amerikanischen Gesetze schreiben vor, daß die Besatzungen unter amerika¬ nischer Flagge fahrender Schiffe bis zu einem gewissen Bruchteil aus amerikanischen Bürgern bestehen müssen. Diese sind natürlich nicht im Handumdrehen vor¬ handen, aber doch, falls man keine anderen Vorkehrungen trifft, in längstens drei Jahren. In diesem Zeitraum erwerben Einwanderer das Bürger¬ recht. Schon jetzt sind die Löhne der Besatzungen in den Vereinigten Staaten viel höher als in Europa. Wenn nun mit einemmal eine solche Nachfrage nach Seeleuten entsteht, werden viele Engländer, Deutsche, Skandinavier, vom Schiffsjungen bis zum Kapitän aufwärts hinüber¬ gehen. Alle europäischen Seestaaten suchen ihr Personal festzuhalten, es ist aber nicht wahrscheinlich, daß dieses so großen Lockungen widerstehen wird. Denn die Amerikaner können viel bieten. Man denke doch, wieviel Geld ein mittlerer Dampfer von 8000 Registertonnen Netto auf einer einzigen Reise erspart. Die Gebühren für zweimaliges Durchfahren des Kanals belaufen sich auf 19200 Dollars oder 80600 Mark. Dies vermeidet man mit dem Übergang des Schiffes unter amerikanische Flagge, und dabei kann die Durchfahrt dann im Jahre sechs- oder zwölfmal oder noch öfter wiederholt werden. Es ist zu erwarten, daß sehr viele europäische Schiffe auf diese Weise die Heimat wechseln werden und mit ihnen eine entsprechende Anzahl von Seeleuten. Das werden auch die Kriegsmarinen der betroffenen Länder fühlen, denn ihre Reserven bilden die Mannschaften der Handelsschiffe. Die Amerikaner können eine Kriegsflotte fortan weit leichter bemannen als zuvor, die europäischen Staaten weit schwerer. Auch weitreichende wirtschaftliche Folgen werden sich einstellen. Bis zu einem gewissen Grade ist es richtig, daß der Handel der Flagge folgt. Wenn statt der Europäer fortan viele Amerikaner in den süd¬ amerikanischen und australischen Häfen in Uokohama, Schanghai, Hongkong einlaufen, so knüpfen sich viele Handelsbeziehungen zwischen diesen und den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/607>, abgerufen am 20.05.2024.