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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Stützpunkte und Uberseetelegraxhen

lahmgelegt, so herrscht im selben Moment dort Totenstille. Die Folgen sind
aber noch schlimmere. Nicht der Platz allein ist hiermit aus der Liste alles
Lebenden gestrichen, vielmehr als in Europa, wo in jedem Lande die Be¬
völkerung noch durch die Wechselseitigkeit ihrer Tätigkeit zum Erwerb Möglichkeit
findet, sind die Kolonien auf ihre Hafenplätze angewiesen. Die Kohle, die in
Schankung abgebaut wird, und die Kopra, die in Neuguinea gewonnen wird,
kann in diesen Gebieten gar nicht oder nur zum geringsten Teil verbraucht
werden. Erst durch ihre Verschiffung gewinnt sie ihren Geldeswert, und ist
diese durch Sperrung des Hafenplatzes infolge kriegerischer Aktionen nicht mehr
möglich, so legt auch der Einwohner des Hinterlandes wegen Mangel an Arbeit
in kürzester Zeit die Hände in den Schoß.

Kann die Sperrung eines Hafenplatzes durch seine Befestigung verhindert
werden? Gewiß! Denn der Seeverkehr eines Hafens kann auf zweierlei Weise
lahmgelegt werden: durch Besetzung des Platzes und durch Blockade. Die
erstere ist die bedeutend einfachere und gründlichere Maßregel für unsere in
Frage kommenden Gegner. In allen Weltteilen vermögen sie Landstreitkräste
ins Feld zu führen, die unseren schwachen Schutztruppen an Zahl weit über¬
legen find. Wenn diese zum Angriff auf einen unbefestigten Hafenplatz benutzt
werden sollen, können sie nach bequemem und schnellem Seetransport unter dem
Schutz des Artilleriefeuers eines einzigen Kreuzers binnen wenigen Stunden
nach ihrem Erscheinen vor dem angegriffenen Ort den Strand gewonnen haben,
um unsere unterlegenen Landstreitkräste zu vertreiben. Auch die hartnäckigste
Gegenwehr unserer Schutztruppen würde nicht hindern können, daß ein stärkerer
Gegner sich bald nach Kriegsausbruch der wichtigsten Seeplätze bemächtigte und
sie in ihrer Wirksamkeit als Übermittler des Überseeverkehrs lahmlegte.

Anders wenn der Platz auch nur durch eine Batterie, sagen wir von vier
modernen 21 ein-Kanonen, geschützt wäre. Die Landung könnte dann erst
unternommen werden, wenn die Küstenartillerie niedergekämpft wäre, und an
diese Aufgabe würden sich die feindlichen Kreuzer, bei der geringen Besetzung
der auswärtigen Stationen mit gepanzerten Schiffen, wohl schwerlich heran¬
machen. Sollten sie wirklich Erfolg gehabt haben, so würden sie wohl infolge
der unvermeidlichen schweren Beschädigungen für ihren in erster Linie stehenden
Zweck, die Jagd auf deutsche Kreuzer, für lange Zeit untauglich sein.

Bei Befestigung des Platzes bleibt also für seine Sperrung nur die Blockade.
Eine Blockade findet rechtliche Anerkennung aber nur, wenn sie effektiv ist,
d. h. wenn sie wirklich so gründlich durchgeführt wird, daß der Verkehr von
Seeschiffen im allgemeinen verhindert wird. Es würde dies ein einzelner Kreuzer
aber keinesfalls leisten können, sondern es müßten mehrere dazu herangezogen
werden, schon weil, abgesehen von der notwendigen zeitweisen Entfernung zur
Kohlenergänzung, ein einzelnes ^Fahrzeug nur bei außerordentlich günstigen
Fahrwasserverhältnissen außerhalb der befestigten Küstenbatterien die nötige
Übersicht über den Seeraum hat.


Stützpunkte und Uberseetelegraxhen

lahmgelegt, so herrscht im selben Moment dort Totenstille. Die Folgen sind
aber noch schlimmere. Nicht der Platz allein ist hiermit aus der Liste alles
Lebenden gestrichen, vielmehr als in Europa, wo in jedem Lande die Be¬
völkerung noch durch die Wechselseitigkeit ihrer Tätigkeit zum Erwerb Möglichkeit
findet, sind die Kolonien auf ihre Hafenplätze angewiesen. Die Kohle, die in
Schankung abgebaut wird, und die Kopra, die in Neuguinea gewonnen wird,
kann in diesen Gebieten gar nicht oder nur zum geringsten Teil verbraucht
werden. Erst durch ihre Verschiffung gewinnt sie ihren Geldeswert, und ist
diese durch Sperrung des Hafenplatzes infolge kriegerischer Aktionen nicht mehr
möglich, so legt auch der Einwohner des Hinterlandes wegen Mangel an Arbeit
in kürzester Zeit die Hände in den Schoß.

Kann die Sperrung eines Hafenplatzes durch seine Befestigung verhindert
werden? Gewiß! Denn der Seeverkehr eines Hafens kann auf zweierlei Weise
lahmgelegt werden: durch Besetzung des Platzes und durch Blockade. Die
erstere ist die bedeutend einfachere und gründlichere Maßregel für unsere in
Frage kommenden Gegner. In allen Weltteilen vermögen sie Landstreitkräste
ins Feld zu führen, die unseren schwachen Schutztruppen an Zahl weit über¬
legen find. Wenn diese zum Angriff auf einen unbefestigten Hafenplatz benutzt
werden sollen, können sie nach bequemem und schnellem Seetransport unter dem
Schutz des Artilleriefeuers eines einzigen Kreuzers binnen wenigen Stunden
nach ihrem Erscheinen vor dem angegriffenen Ort den Strand gewonnen haben,
um unsere unterlegenen Landstreitkräste zu vertreiben. Auch die hartnäckigste
Gegenwehr unserer Schutztruppen würde nicht hindern können, daß ein stärkerer
Gegner sich bald nach Kriegsausbruch der wichtigsten Seeplätze bemächtigte und
sie in ihrer Wirksamkeit als Übermittler des Überseeverkehrs lahmlegte.

Anders wenn der Platz auch nur durch eine Batterie, sagen wir von vier
modernen 21 ein-Kanonen, geschützt wäre. Die Landung könnte dann erst
unternommen werden, wenn die Küstenartillerie niedergekämpft wäre, und an
diese Aufgabe würden sich die feindlichen Kreuzer, bei der geringen Besetzung
der auswärtigen Stationen mit gepanzerten Schiffen, wohl schwerlich heran¬
machen. Sollten sie wirklich Erfolg gehabt haben, so würden sie wohl infolge
der unvermeidlichen schweren Beschädigungen für ihren in erster Linie stehenden
Zweck, die Jagd auf deutsche Kreuzer, für lange Zeit untauglich sein.

Bei Befestigung des Platzes bleibt also für seine Sperrung nur die Blockade.
Eine Blockade findet rechtliche Anerkennung aber nur, wenn sie effektiv ist,
d. h. wenn sie wirklich so gründlich durchgeführt wird, daß der Verkehr von
Seeschiffen im allgemeinen verhindert wird. Es würde dies ein einzelner Kreuzer
aber keinesfalls leisten können, sondern es müßten mehrere dazu herangezogen
werden, schon weil, abgesehen von der notwendigen zeitweisen Entfernung zur
Kohlenergänzung, ein einzelnes ^Fahrzeug nur bei außerordentlich günstigen
Fahrwasserverhältnissen außerhalb der befestigten Küstenbatterien die nötige
Übersicht über den Seeraum hat.


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[0397] Stützpunkte und Uberseetelegraxhen lahmgelegt, so herrscht im selben Moment dort Totenstille. Die Folgen sind aber noch schlimmere. Nicht der Platz allein ist hiermit aus der Liste alles Lebenden gestrichen, vielmehr als in Europa, wo in jedem Lande die Be¬ völkerung noch durch die Wechselseitigkeit ihrer Tätigkeit zum Erwerb Möglichkeit findet, sind die Kolonien auf ihre Hafenplätze angewiesen. Die Kohle, die in Schankung abgebaut wird, und die Kopra, die in Neuguinea gewonnen wird, kann in diesen Gebieten gar nicht oder nur zum geringsten Teil verbraucht werden. Erst durch ihre Verschiffung gewinnt sie ihren Geldeswert, und ist diese durch Sperrung des Hafenplatzes infolge kriegerischer Aktionen nicht mehr möglich, so legt auch der Einwohner des Hinterlandes wegen Mangel an Arbeit in kürzester Zeit die Hände in den Schoß. Kann die Sperrung eines Hafenplatzes durch seine Befestigung verhindert werden? Gewiß! Denn der Seeverkehr eines Hafens kann auf zweierlei Weise lahmgelegt werden: durch Besetzung des Platzes und durch Blockade. Die erstere ist die bedeutend einfachere und gründlichere Maßregel für unsere in Frage kommenden Gegner. In allen Weltteilen vermögen sie Landstreitkräste ins Feld zu führen, die unseren schwachen Schutztruppen an Zahl weit über¬ legen find. Wenn diese zum Angriff auf einen unbefestigten Hafenplatz benutzt werden sollen, können sie nach bequemem und schnellem Seetransport unter dem Schutz des Artilleriefeuers eines einzigen Kreuzers binnen wenigen Stunden nach ihrem Erscheinen vor dem angegriffenen Ort den Strand gewonnen haben, um unsere unterlegenen Landstreitkräste zu vertreiben. Auch die hartnäckigste Gegenwehr unserer Schutztruppen würde nicht hindern können, daß ein stärkerer Gegner sich bald nach Kriegsausbruch der wichtigsten Seeplätze bemächtigte und sie in ihrer Wirksamkeit als Übermittler des Überseeverkehrs lahmlegte. Anders wenn der Platz auch nur durch eine Batterie, sagen wir von vier modernen 21 ein-Kanonen, geschützt wäre. Die Landung könnte dann erst unternommen werden, wenn die Küstenartillerie niedergekämpft wäre, und an diese Aufgabe würden sich die feindlichen Kreuzer, bei der geringen Besetzung der auswärtigen Stationen mit gepanzerten Schiffen, wohl schwerlich heran¬ machen. Sollten sie wirklich Erfolg gehabt haben, so würden sie wohl infolge der unvermeidlichen schweren Beschädigungen für ihren in erster Linie stehenden Zweck, die Jagd auf deutsche Kreuzer, für lange Zeit untauglich sein. Bei Befestigung des Platzes bleibt also für seine Sperrung nur die Blockade. Eine Blockade findet rechtliche Anerkennung aber nur, wenn sie effektiv ist, d. h. wenn sie wirklich so gründlich durchgeführt wird, daß der Verkehr von Seeschiffen im allgemeinen verhindert wird. Es würde dies ein einzelner Kreuzer aber keinesfalls leisten können, sondern es müßten mehrere dazu herangezogen werden, schon weil, abgesehen von der notwendigen zeitweisen Entfernung zur Kohlenergänzung, ein einzelnes ^Fahrzeug nur bei außerordentlich günstigen Fahrwasserverhältnissen außerhalb der befestigten Küstenbatterien die nötige Übersicht über den Seeraum hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/397>, abgerufen am 15.06.2024.