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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Kommt die Kaperei wieder?

daß ein Teil der Besatzung in der Bedienung der Geschütze ausgebildet werde.
Die Reedereien sollten lediglich die durch Ausstellung der Geschütze bedingten
baulichen Veränderungen auf sich nehmen.

Diese Pläne und auch ihre Begründung haben in England selbst Über¬
raschung, Erstaunen und vielfache Bedenken hervorgerufen, und seit jener Rede
im März wurden verschiedene, nicht uninteressante Fragen an Mr. Churchill
gerichtet. Man wollte zunächst wissen, was sür Schiffe er im Auge habe. Mr.
Churchill legte besonderen Wert auf die Erklärung, daß es sich keineswegs um
"Hilfskreuzer" handle, wie die beiden berühmten Cunarders "Mauretania" und
"Lusitania". die sofort mit Ausbruch eines Krieges, oder mit der Anordnung
einer Mobilmachung, als Kriegsschiffe in Dienst gestellt werden. Mr. Churchills
"armierte Kauffahrer" bleiben Handelsschiffe, auch mit Kanonen, Munition und
ausgebildeten Geschützmannschaften. Alle möglichen Typen von Schiffen können
dazu verwandt werden, sofern sie imstande sind, die Armierung zu plazieren.
Die Admiralität wird sich, bevor sie dem Schiffe die Geschütze übergibt,
davon überzeugen, ob Mannschaften an Bord sind, die für sachgemäße Bedienung
Gewähr geben. Eine Antwort auf die Frage, wer die Ausbildung dieser Mann¬
schaften übernehmen werde, behielt Mr. Churchill sich vor; vielleicht werde er
es im Juli sagen können. Eine bedeutungsvolle Frage schließlich: ob der Erste
Lord sich bewußt sei, daß eine internationale Gefahr aus der Armierung von
Kauffahrern entstehen könne, wenn die Admiralität nicht die sichere Überzeugung
erwecke, daß die Armierung nur unter völlig zu rechtfertigenden Bedingungen
in Tätigkeit treten würde, beantwortete Mr. Churchill: man habe diesem Punkte
besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und verhehle sich keineswegs die Gefahren,
die in dieser oder jener Richtung zu fürchten wären.

Alles in allem betrachtet kann also kein Zweifel darüber obwalten, daß es
sich mit der Einführung "armierter Kauffahrer" um einen vollkommen fertigen
Plan und um abgeschlossene Überlegungen handelt.

Um unserseits einen klaren Standpunkt dazu zu gewinnen, müssen wir
zunächst auf die Gründe zurückgreifen, mit denen Mr. Churchill die Absichten
der Admiralität ausdrücklich verteidigt. Er weist auf die Absicht oder den Vor¬
behalt gewisser Großmächte hin, im Kriege ihre Handelsschiffe in Kriegsschiffe
zu verwandeln, und zwar nicht nur in den nationalen Häfen, sondern auch auf
hoher See. -- Deshalb wollen die britische Admiralität und die Reedereien
eine "gewisse" -- d. h. eine ganz unbestimmte und unbegrenzte -- Anzahl von
Handelsdampfern schon in Friedenszeiten armieren, also mit Geschützen, mit
Munition und geübten Bedienungsmannschaften ausrüsten. . . .




Die Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe und ihre Nückver-
wandlung sind seit rund sechs Jahren Gegenstand sehr ausgiebiger inter¬
nationaler Erörterungen gewesen. Sie begannen auf der Haager Konferenz
im Jahre 1907 und führten dort zu dem folgenden "Abkommen über


Kommt die Kaperei wieder?

daß ein Teil der Besatzung in der Bedienung der Geschütze ausgebildet werde.
Die Reedereien sollten lediglich die durch Ausstellung der Geschütze bedingten
baulichen Veränderungen auf sich nehmen.

Diese Pläne und auch ihre Begründung haben in England selbst Über¬
raschung, Erstaunen und vielfache Bedenken hervorgerufen, und seit jener Rede
im März wurden verschiedene, nicht uninteressante Fragen an Mr. Churchill
gerichtet. Man wollte zunächst wissen, was sür Schiffe er im Auge habe. Mr.
Churchill legte besonderen Wert auf die Erklärung, daß es sich keineswegs um
„Hilfskreuzer" handle, wie die beiden berühmten Cunarders „Mauretania" und
„Lusitania". die sofort mit Ausbruch eines Krieges, oder mit der Anordnung
einer Mobilmachung, als Kriegsschiffe in Dienst gestellt werden. Mr. Churchills
„armierte Kauffahrer" bleiben Handelsschiffe, auch mit Kanonen, Munition und
ausgebildeten Geschützmannschaften. Alle möglichen Typen von Schiffen können
dazu verwandt werden, sofern sie imstande sind, die Armierung zu plazieren.
Die Admiralität wird sich, bevor sie dem Schiffe die Geschütze übergibt,
davon überzeugen, ob Mannschaften an Bord sind, die für sachgemäße Bedienung
Gewähr geben. Eine Antwort auf die Frage, wer die Ausbildung dieser Mann¬
schaften übernehmen werde, behielt Mr. Churchill sich vor; vielleicht werde er
es im Juli sagen können. Eine bedeutungsvolle Frage schließlich: ob der Erste
Lord sich bewußt sei, daß eine internationale Gefahr aus der Armierung von
Kauffahrern entstehen könne, wenn die Admiralität nicht die sichere Überzeugung
erwecke, daß die Armierung nur unter völlig zu rechtfertigenden Bedingungen
in Tätigkeit treten würde, beantwortete Mr. Churchill: man habe diesem Punkte
besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und verhehle sich keineswegs die Gefahren,
die in dieser oder jener Richtung zu fürchten wären.

Alles in allem betrachtet kann also kein Zweifel darüber obwalten, daß es
sich mit der Einführung „armierter Kauffahrer" um einen vollkommen fertigen
Plan und um abgeschlossene Überlegungen handelt.

Um unserseits einen klaren Standpunkt dazu zu gewinnen, müssen wir
zunächst auf die Gründe zurückgreifen, mit denen Mr. Churchill die Absichten
der Admiralität ausdrücklich verteidigt. Er weist auf die Absicht oder den Vor¬
behalt gewisser Großmächte hin, im Kriege ihre Handelsschiffe in Kriegsschiffe
zu verwandeln, und zwar nicht nur in den nationalen Häfen, sondern auch auf
hoher See. — Deshalb wollen die britische Admiralität und die Reedereien
eine „gewisse" — d. h. eine ganz unbestimmte und unbegrenzte — Anzahl von
Handelsdampfern schon in Friedenszeiten armieren, also mit Geschützen, mit
Munition und geübten Bedienungsmannschaften ausrüsten. . . .




Die Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe und ihre Nückver-
wandlung sind seit rund sechs Jahren Gegenstand sehr ausgiebiger inter¬
nationaler Erörterungen gewesen. Sie begannen auf der Haager Konferenz
im Jahre 1907 und führten dort zu dem folgenden „Abkommen über


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[0254] Kommt die Kaperei wieder? daß ein Teil der Besatzung in der Bedienung der Geschütze ausgebildet werde. Die Reedereien sollten lediglich die durch Ausstellung der Geschütze bedingten baulichen Veränderungen auf sich nehmen. Diese Pläne und auch ihre Begründung haben in England selbst Über¬ raschung, Erstaunen und vielfache Bedenken hervorgerufen, und seit jener Rede im März wurden verschiedene, nicht uninteressante Fragen an Mr. Churchill gerichtet. Man wollte zunächst wissen, was sür Schiffe er im Auge habe. Mr. Churchill legte besonderen Wert auf die Erklärung, daß es sich keineswegs um „Hilfskreuzer" handle, wie die beiden berühmten Cunarders „Mauretania" und „Lusitania". die sofort mit Ausbruch eines Krieges, oder mit der Anordnung einer Mobilmachung, als Kriegsschiffe in Dienst gestellt werden. Mr. Churchills „armierte Kauffahrer" bleiben Handelsschiffe, auch mit Kanonen, Munition und ausgebildeten Geschützmannschaften. Alle möglichen Typen von Schiffen können dazu verwandt werden, sofern sie imstande sind, die Armierung zu plazieren. Die Admiralität wird sich, bevor sie dem Schiffe die Geschütze übergibt, davon überzeugen, ob Mannschaften an Bord sind, die für sachgemäße Bedienung Gewähr geben. Eine Antwort auf die Frage, wer die Ausbildung dieser Mann¬ schaften übernehmen werde, behielt Mr. Churchill sich vor; vielleicht werde er es im Juli sagen können. Eine bedeutungsvolle Frage schließlich: ob der Erste Lord sich bewußt sei, daß eine internationale Gefahr aus der Armierung von Kauffahrern entstehen könne, wenn die Admiralität nicht die sichere Überzeugung erwecke, daß die Armierung nur unter völlig zu rechtfertigenden Bedingungen in Tätigkeit treten würde, beantwortete Mr. Churchill: man habe diesem Punkte besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und verhehle sich keineswegs die Gefahren, die in dieser oder jener Richtung zu fürchten wären. Alles in allem betrachtet kann also kein Zweifel darüber obwalten, daß es sich mit der Einführung „armierter Kauffahrer" um einen vollkommen fertigen Plan und um abgeschlossene Überlegungen handelt. Um unserseits einen klaren Standpunkt dazu zu gewinnen, müssen wir zunächst auf die Gründe zurückgreifen, mit denen Mr. Churchill die Absichten der Admiralität ausdrücklich verteidigt. Er weist auf die Absicht oder den Vor¬ behalt gewisser Großmächte hin, im Kriege ihre Handelsschiffe in Kriegsschiffe zu verwandeln, und zwar nicht nur in den nationalen Häfen, sondern auch auf hoher See. — Deshalb wollen die britische Admiralität und die Reedereien eine „gewisse" — d. h. eine ganz unbestimmte und unbegrenzte — Anzahl von Handelsdampfern schon in Friedenszeiten armieren, also mit Geschützen, mit Munition und geübten Bedienungsmannschaften ausrüsten. . . . Die Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe und ihre Nückver- wandlung sind seit rund sechs Jahren Gegenstand sehr ausgiebiger inter¬ nationaler Erörterungen gewesen. Sie begannen auf der Haager Konferenz im Jahre 1907 und führten dort zu dem folgenden „Abkommen über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/254>, abgerufen am 19.05.2024.