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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks

Rat, daß du die drei großen Gelage aufgäbest, denn du hast keine Ver¬
pflichtung sie abzuhalten, wie es dein Vater getan hat."

Aber sie mochte reden wie sie wollte, er tat, als ob er nicht zuhörte und
erklärte schließlich, er wolle nicht aus der Art schlagen und anders sein, wie
sein Vater, der immer als ein großer Herr gelebt hätte.

"Du magst es treiben, wie du willst," erwiderte sie, "aber nach Ablauf
eines Jahres werde ich dir sagen, was du verschwendet hast; denn ich werde
darauf achten."

Er lebte jetzt in derselben Weise weiter und gab seinen Freunden große
Beweise seiner Freigebigkeit; er schenkte soviel von seiner Habe her, daß er
dafür wortreiches Lob erntete. Nach Verlauf eines Jahres fragte die Frau,
was er von seinem Vermögen halte. Er meinte, daß er zu dem, was er einst
gesagt, wenig hinzuzufügen habe.

"Ich kann dir dafür sagen." sprach sie, "daß alle Handelsschiffe, die dir
Dein Vater hinterlassen hat, fort sind, so daß dir nicht ein einziges ge-
blieben ist."

Hakon antwortete, daß ihm nichts von seinen Lebensgewohnheiten abhalten
werde. So verging nun wieder ein Jahr.

Da sagte die Frau, daß alle zwölf Meierhöfe vergeudet und aufgezehrt
feien und sie fügte hinzu, es sei jetzt notwendig, aber vielleicht schon zu spät,
die Zahl der Gelage zu vermindern. Hakon erwiderte, es werde wohl noch
gehen; "denn wir haben noch einen großen Besitz von Kleinodien und Kostbar¬
keiten, die teils aus deiner Mitgift, teils aus meinem Erbe stammen."

"Treibst du es in derselben Weise wie bisher." entgegnete seine Frau,
"wird all dein Gut nach Ablauf eines Jahres verbraucht sein." Hakon behielt
seine glanzvolle Lebensweise bei und als es dazu kam, daß die Vorbereitungen
zum Ostergelage getroffen werden sollten, sagte Hakon seiner Frau, daß er
dieses Gelage mit besonderem Aufwand veranstalten und es an nichts fehlen
lassen wolle. Die Frau bemerkte wenig dazu, doch erfüllte sie seinen Wunsch
der großen Zuneigung wegen, die sie für ihn hegte. Es fanden sich bei diesem
Gelage so viele Menschen ein wie nie zuvor und es wurde große Mühe darauf
verwendet, um es so prächtig wie möglich zu gestalten. Und an dem Abend
des Festes, der dem Morgen der Abreise der Teilnehmer voranging, trank man
lange in die Nacht hinein; als das Gelage zu Ende war, gingen die Männer
berauscht zur Ruhe. Hakon schlief in der Bettkammer. Als die Ehegatten
sich niedergelegt hatten, sprach er zu seiner Frau: "Du verdienst es wohl, mein
Weib, daß ich dich aufrichtig liebe und daß ich den nachgiebigen Gehorsam
rühme, den du mir während unseres Beisammenseins erwiesen hast; ich aber
vergalt dir das übel, zuerst mit meinem Eigensinn, dann jetzt überdies damit,
daß ich dir, meinen Verwandten und meinen Jugendgenossen einen noch
größeren Schmerz bereite; ich will nämlich unter keinen Umständen mehr hier
im Lande bleiben und ich habe deshalb im Sinne, noch heute heimlich und


Die Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks

Rat, daß du die drei großen Gelage aufgäbest, denn du hast keine Ver¬
pflichtung sie abzuhalten, wie es dein Vater getan hat."

Aber sie mochte reden wie sie wollte, er tat, als ob er nicht zuhörte und
erklärte schließlich, er wolle nicht aus der Art schlagen und anders sein, wie
sein Vater, der immer als ein großer Herr gelebt hätte.

„Du magst es treiben, wie du willst," erwiderte sie, „aber nach Ablauf
eines Jahres werde ich dir sagen, was du verschwendet hast; denn ich werde
darauf achten."

Er lebte jetzt in derselben Weise weiter und gab seinen Freunden große
Beweise seiner Freigebigkeit; er schenkte soviel von seiner Habe her, daß er
dafür wortreiches Lob erntete. Nach Verlauf eines Jahres fragte die Frau,
was er von seinem Vermögen halte. Er meinte, daß er zu dem, was er einst
gesagt, wenig hinzuzufügen habe.

„Ich kann dir dafür sagen." sprach sie, „daß alle Handelsschiffe, die dir
Dein Vater hinterlassen hat, fort sind, so daß dir nicht ein einziges ge-
blieben ist."

Hakon antwortete, daß ihm nichts von seinen Lebensgewohnheiten abhalten
werde. So verging nun wieder ein Jahr.

Da sagte die Frau, daß alle zwölf Meierhöfe vergeudet und aufgezehrt
feien und sie fügte hinzu, es sei jetzt notwendig, aber vielleicht schon zu spät,
die Zahl der Gelage zu vermindern. Hakon erwiderte, es werde wohl noch
gehen; „denn wir haben noch einen großen Besitz von Kleinodien und Kostbar¬
keiten, die teils aus deiner Mitgift, teils aus meinem Erbe stammen."

„Treibst du es in derselben Weise wie bisher." entgegnete seine Frau,
„wird all dein Gut nach Ablauf eines Jahres verbraucht sein." Hakon behielt
seine glanzvolle Lebensweise bei und als es dazu kam, daß die Vorbereitungen
zum Ostergelage getroffen werden sollten, sagte Hakon seiner Frau, daß er
dieses Gelage mit besonderem Aufwand veranstalten und es an nichts fehlen
lassen wolle. Die Frau bemerkte wenig dazu, doch erfüllte sie seinen Wunsch
der großen Zuneigung wegen, die sie für ihn hegte. Es fanden sich bei diesem
Gelage so viele Menschen ein wie nie zuvor und es wurde große Mühe darauf
verwendet, um es so prächtig wie möglich zu gestalten. Und an dem Abend
des Festes, der dem Morgen der Abreise der Teilnehmer voranging, trank man
lange in die Nacht hinein; als das Gelage zu Ende war, gingen die Männer
berauscht zur Ruhe. Hakon schlief in der Bettkammer. Als die Ehegatten
sich niedergelegt hatten, sprach er zu seiner Frau: „Du verdienst es wohl, mein
Weib, daß ich dich aufrichtig liebe und daß ich den nachgiebigen Gehorsam
rühme, den du mir während unseres Beisammenseins erwiesen hast; ich aber
vergalt dir das übel, zuerst mit meinem Eigensinn, dann jetzt überdies damit,
daß ich dir, meinen Verwandten und meinen Jugendgenossen einen noch
größeren Schmerz bereite; ich will nämlich unter keinen Umständen mehr hier
im Lande bleiben und ich habe deshalb im Sinne, noch heute heimlich und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/225>, abgerufen am 12.05.2024.