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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks

segelten nach Seeland, weil sie erfuhren, daß der König sich dort aufhalte;
sobald es möglich war, suchte Gyrd den König auf und mit ihm ging Vigfus,
der Norweger. Sie kamen zu dem Gehöfte, wo der König bei Tische saß und
traten vor ihn.

Der König empfing Gyrd mit großer Freundlichkeit und fragte nach dem
Verlauf der Englandreise. Er sprach sich günstig über dieselbe >aus; und als
das Gespräch hierüber zu Ende war, fragte der König, wer denn der junge
Mann neben ihm sei. Vigfus nannte seinen Namen und bat dann den König
um seine Fürsorge. Der König richtete an ihn die Frage, auf welche Weise er
wohl einem Fürsten zu dienen wisse, ob er geschickt und kenntnisreich in irgend¬
einem Fache sei. Er antwortete, daß er keine besonderen Kenntnisse besitze, um
einem König zu dienen. "Ich habe nur die Ahnung, daß ich bei Euch mein
Glück machen werde."

Der König meinte, daß es ihm wohl recht schwer fallen werde, ihm dazu
zu verhelfen.

Hierauf ließ der König den besten Eisenschmied rufen, den er auf seinem
Hose hatte und sprach zu ihm so:

"Hier ist ein junger Mann, den du mit dir nehmen sollst, um ihn die
Schmiedearbeit zu lehren, falls er dazu geschickt ist; achte auch darauf, daß du
ihn gut behandelst und laß ihn nicht deinen Unwillen fühlen, wenn er gute
Gaben zeigt, wie wir anzunehmen wohl alle Ursache haben."

Der Schmied ging auf den Wunsch des Königs ein und beide begaben
sich zusammen zur Schmiede; es ist nun bald erzählt, daß der Lehrling bei
seiner guten Begabung so rasche Fortschritte machte, daß er nach sechs Monaten
seinem Meister ebenbürtig war und seine Fertigkeit wurde um so größer, je
mehr sich seine Lehrzeit ihrem Ende näherte, so daß Vigfus endlich alle Eisen¬
schmiede in Dänemark an Tüchtigkeit überragte. Nach Ablauf eines Jahres
traten beide vor den König und der alte Schmied sagte, wie die Sachen stünden.

Der König dankte ihm warm; er rief jetzt einen Silberschmied und gab
ihm den Vigfus in die Lehre. Er war noch eifriger bemüht sich in dieser Kunst
auszubilden wie in der früher erwähnten, so daß nach sechs Monaten sein
Meister erklärte, er habe ihm nichts mehr zu lehren und dasselbe sagte er auch
dem Könige.

Dieser brachte ihn nun in eine dritte Schule, zu einem Goldschmied, damit
er das Ausschneiden von Figuren, das Einfassen von Steinen und das Email¬
lieren lerne; nach acht Monaten erschien der Meister vor dem Könige und sagte,
er sei jetzt fertig mit dem Unterrichte dieses Mannes, denn einen so klugen und
für jede Metallarbeit geschickten Menschen habe er noch nicht gesehen und er
fügte hinzu, es sei seine Meinung, daß er es in jeder Kunstfertigkeit, auf die er
sich verlege, weiterbringen werde als alle anderen Leute.

Der König war darüber sehr froh und gab Vigfus in eine vierte Schule,
zu einem Steinmetz damit er lerne, Steine zu beHauen, sie aneinander zu fügen


Die Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks

segelten nach Seeland, weil sie erfuhren, daß der König sich dort aufhalte;
sobald es möglich war, suchte Gyrd den König auf und mit ihm ging Vigfus,
der Norweger. Sie kamen zu dem Gehöfte, wo der König bei Tische saß und
traten vor ihn.

Der König empfing Gyrd mit großer Freundlichkeit und fragte nach dem
Verlauf der Englandreise. Er sprach sich günstig über dieselbe >aus; und als
das Gespräch hierüber zu Ende war, fragte der König, wer denn der junge
Mann neben ihm sei. Vigfus nannte seinen Namen und bat dann den König
um seine Fürsorge. Der König richtete an ihn die Frage, auf welche Weise er
wohl einem Fürsten zu dienen wisse, ob er geschickt und kenntnisreich in irgend¬
einem Fache sei. Er antwortete, daß er keine besonderen Kenntnisse besitze, um
einem König zu dienen. „Ich habe nur die Ahnung, daß ich bei Euch mein
Glück machen werde."

Der König meinte, daß es ihm wohl recht schwer fallen werde, ihm dazu
zu verhelfen.

Hierauf ließ der König den besten Eisenschmied rufen, den er auf seinem
Hose hatte und sprach zu ihm so:

„Hier ist ein junger Mann, den du mit dir nehmen sollst, um ihn die
Schmiedearbeit zu lehren, falls er dazu geschickt ist; achte auch darauf, daß du
ihn gut behandelst und laß ihn nicht deinen Unwillen fühlen, wenn er gute
Gaben zeigt, wie wir anzunehmen wohl alle Ursache haben."

Der Schmied ging auf den Wunsch des Königs ein und beide begaben
sich zusammen zur Schmiede; es ist nun bald erzählt, daß der Lehrling bei
seiner guten Begabung so rasche Fortschritte machte, daß er nach sechs Monaten
seinem Meister ebenbürtig war und seine Fertigkeit wurde um so größer, je
mehr sich seine Lehrzeit ihrem Ende näherte, so daß Vigfus endlich alle Eisen¬
schmiede in Dänemark an Tüchtigkeit überragte. Nach Ablauf eines Jahres
traten beide vor den König und der alte Schmied sagte, wie die Sachen stünden.

Der König dankte ihm warm; er rief jetzt einen Silberschmied und gab
ihm den Vigfus in die Lehre. Er war noch eifriger bemüht sich in dieser Kunst
auszubilden wie in der früher erwähnten, so daß nach sechs Monaten sein
Meister erklärte, er habe ihm nichts mehr zu lehren und dasselbe sagte er auch
dem Könige.

Dieser brachte ihn nun in eine dritte Schule, zu einem Goldschmied, damit
er das Ausschneiden von Figuren, das Einfassen von Steinen und das Email¬
lieren lerne; nach acht Monaten erschien der Meister vor dem Könige und sagte,
er sei jetzt fertig mit dem Unterrichte dieses Mannes, denn einen so klugen und
für jede Metallarbeit geschickten Menschen habe er noch nicht gesehen und er
fügte hinzu, es sei seine Meinung, daß er es in jeder Kunstfertigkeit, auf die er
sich verlege, weiterbringen werde als alle anderen Leute.

Der König war darüber sehr froh und gab Vigfus in eine vierte Schule,
zu einem Steinmetz damit er lerne, Steine zu beHauen, sie aneinander zu fügen


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[0227] Die Geschichte von Hakon, dem Sohne Hareks segelten nach Seeland, weil sie erfuhren, daß der König sich dort aufhalte; sobald es möglich war, suchte Gyrd den König auf und mit ihm ging Vigfus, der Norweger. Sie kamen zu dem Gehöfte, wo der König bei Tische saß und traten vor ihn. Der König empfing Gyrd mit großer Freundlichkeit und fragte nach dem Verlauf der Englandreise. Er sprach sich günstig über dieselbe >aus; und als das Gespräch hierüber zu Ende war, fragte der König, wer denn der junge Mann neben ihm sei. Vigfus nannte seinen Namen und bat dann den König um seine Fürsorge. Der König richtete an ihn die Frage, auf welche Weise er wohl einem Fürsten zu dienen wisse, ob er geschickt und kenntnisreich in irgend¬ einem Fache sei. Er antwortete, daß er keine besonderen Kenntnisse besitze, um einem König zu dienen. „Ich habe nur die Ahnung, daß ich bei Euch mein Glück machen werde." Der König meinte, daß es ihm wohl recht schwer fallen werde, ihm dazu zu verhelfen. Hierauf ließ der König den besten Eisenschmied rufen, den er auf seinem Hose hatte und sprach zu ihm so: „Hier ist ein junger Mann, den du mit dir nehmen sollst, um ihn die Schmiedearbeit zu lehren, falls er dazu geschickt ist; achte auch darauf, daß du ihn gut behandelst und laß ihn nicht deinen Unwillen fühlen, wenn er gute Gaben zeigt, wie wir anzunehmen wohl alle Ursache haben." Der Schmied ging auf den Wunsch des Königs ein und beide begaben sich zusammen zur Schmiede; es ist nun bald erzählt, daß der Lehrling bei seiner guten Begabung so rasche Fortschritte machte, daß er nach sechs Monaten seinem Meister ebenbürtig war und seine Fertigkeit wurde um so größer, je mehr sich seine Lehrzeit ihrem Ende näherte, so daß Vigfus endlich alle Eisen¬ schmiede in Dänemark an Tüchtigkeit überragte. Nach Ablauf eines Jahres traten beide vor den König und der alte Schmied sagte, wie die Sachen stünden. Der König dankte ihm warm; er rief jetzt einen Silberschmied und gab ihm den Vigfus in die Lehre. Er war noch eifriger bemüht sich in dieser Kunst auszubilden wie in der früher erwähnten, so daß nach sechs Monaten sein Meister erklärte, er habe ihm nichts mehr zu lehren und dasselbe sagte er auch dem Könige. Dieser brachte ihn nun in eine dritte Schule, zu einem Goldschmied, damit er das Ausschneiden von Figuren, das Einfassen von Steinen und das Email¬ lieren lerne; nach acht Monaten erschien der Meister vor dem Könige und sagte, er sei jetzt fertig mit dem Unterrichte dieses Mannes, denn einen so klugen und für jede Metallarbeit geschickten Menschen habe er noch nicht gesehen und er fügte hinzu, es sei seine Meinung, daß er es in jeder Kunstfertigkeit, auf die er sich verlege, weiterbringen werde als alle anderen Leute. Der König war darüber sehr froh und gab Vigfus in eine vierte Schule, zu einem Steinmetz damit er lerne, Steine zu beHauen, sie aneinander zu fügen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/227>, abgerufen am 16.06.2024.