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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

Die mittlere Temperatur der Insel beträgt etwa 26,5 Grad Celsius, die
Regenmenge ungefähr 1550 Millimeter. Das ist außerordentlich viel, mehr als
die Küste des Festlandes besitzt. So ist das Klima der Insel, verglichen mit
dem der Ostküste Deutsch - Ostafrikas, ungleich feuchter und wärmer, in allen
Teilen wie zu allen Zeiten, d. h. zugleich auch ermüdender und ungesunder für
den Europäer. In der Stadt Sansibar wird die Hitze obendrein noch erhöht
durch den großen weißen Steinblock, als der die Masse arabischer Häuser sich
dem Europäer darstellt. Die engen, gänzlich schattenlosen Straßen täuschen eine
gewisse Kühle vor, aber der große Häuserblock läßt die Hitze um so stärker an-
schwellen. Die heißeste Zeit ist Dezember und Januar, in der denn auch die
Stadt meist von den Europäern nach Möglichkeit gemieden wird.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der Insel und ihre wirt¬
schaftliche Veranlagung. Seefahrer aus Arabien von der Benadirküste haben
zweifellos die früheste Niederlassung gegründet. Mit ihr entstand eine Misch-
bevölkerung auf der Insel: sie dürfte es gewesen sein, die Vasco da Gama im
Jahre 1499 auf der Rückkehr von Indien dort vorfand. Er berichtet von dem
regen Handel der Insel nach Cofalla und Gujerat hinüber, einem Handel, der
sich auf Gold, Wachs, Elfenbein und Schildpatt erstreckte; Produkte, von denen
bezeichnenderweise nur das letzte seinen Ursprung auf der Insel selbst haben
kann oder gehabt hat, indes die übrigen zeigen, daß Sansibar eine gewisse
bevorzugte Stellung als Handelsplatz gegenüber der Ostküste einnahm. Später
sind dann die Portugiesen von ihren Kolonien im südlichen Ostafrika aus ver¬
schiedentlich, doch ohne das Land wirklich zu besetzen, nach Sansibar vor¬
gedrungen. Sie haben im allgemeinen wohl nur die Absicht dabei gehabt, sich
den Seeweg nach Indien auch dort freizuhalten, und so ihre Plünderungs- und
Raubzüge nach der Insel hin ausgedehnt. Doch haben sicher auch im sechzehnten
und siebzehnten Jahrhundert Portugiesen durchaus friedlich als Ansiedler dort
gelebt.

Im siebzehnten Jahrhundert war es dann eine Reihe von Plätzen
Ostafrikas, voran Mombassa, im heutigen Britisch-Ostafrika, daneben Sansibar
selbst und andere, die eben gegen die Portugiesen den Sultan des südarabischen
Reiches von Oman (Maskat) zu Hilfe rief. Tatsächlich schlug auch dieser
einen Teil der Ostküste Afrikas, heutiges italienisches, britisches und deutsches
Gebiet, anderseits aber auch die besonders begehrten Inseln, darunter Sansibar,
zu seinem Reiche. Indes scheinen in den folgenden Zeiten, offenbar in¬
folge der im Innern des Reiches Oman selbst aufgetretenen Schwierigkeiten,
die Satrapen in Ostafrika und in Sansibar eine außerordentlich selbständige
Stellung eingenommen zu haben; zweifellos führten die Herrscher von Sansibar
und von Mombassa frühzeitig eine eigene Herrschaft, auch dem Namen nach.
Hier wurden nun im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zuerst englische
Einflüsse mächtig: 1823 erschien der britische Kapitän Owen und nahm im
portugiesischen Ostafrika zur Zeit, als die portugiesische Kolonie vollkommen


Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

Die mittlere Temperatur der Insel beträgt etwa 26,5 Grad Celsius, die
Regenmenge ungefähr 1550 Millimeter. Das ist außerordentlich viel, mehr als
die Küste des Festlandes besitzt. So ist das Klima der Insel, verglichen mit
dem der Ostküste Deutsch - Ostafrikas, ungleich feuchter und wärmer, in allen
Teilen wie zu allen Zeiten, d. h. zugleich auch ermüdender und ungesunder für
den Europäer. In der Stadt Sansibar wird die Hitze obendrein noch erhöht
durch den großen weißen Steinblock, als der die Masse arabischer Häuser sich
dem Europäer darstellt. Die engen, gänzlich schattenlosen Straßen täuschen eine
gewisse Kühle vor, aber der große Häuserblock läßt die Hitze um so stärker an-
schwellen. Die heißeste Zeit ist Dezember und Januar, in der denn auch die
Stadt meist von den Europäern nach Möglichkeit gemieden wird.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der Insel und ihre wirt¬
schaftliche Veranlagung. Seefahrer aus Arabien von der Benadirküste haben
zweifellos die früheste Niederlassung gegründet. Mit ihr entstand eine Misch-
bevölkerung auf der Insel: sie dürfte es gewesen sein, die Vasco da Gama im
Jahre 1499 auf der Rückkehr von Indien dort vorfand. Er berichtet von dem
regen Handel der Insel nach Cofalla und Gujerat hinüber, einem Handel, der
sich auf Gold, Wachs, Elfenbein und Schildpatt erstreckte; Produkte, von denen
bezeichnenderweise nur das letzte seinen Ursprung auf der Insel selbst haben
kann oder gehabt hat, indes die übrigen zeigen, daß Sansibar eine gewisse
bevorzugte Stellung als Handelsplatz gegenüber der Ostküste einnahm. Später
sind dann die Portugiesen von ihren Kolonien im südlichen Ostafrika aus ver¬
schiedentlich, doch ohne das Land wirklich zu besetzen, nach Sansibar vor¬
gedrungen. Sie haben im allgemeinen wohl nur die Absicht dabei gehabt, sich
den Seeweg nach Indien auch dort freizuhalten, und so ihre Plünderungs- und
Raubzüge nach der Insel hin ausgedehnt. Doch haben sicher auch im sechzehnten
und siebzehnten Jahrhundert Portugiesen durchaus friedlich als Ansiedler dort
gelebt.

Im siebzehnten Jahrhundert war es dann eine Reihe von Plätzen
Ostafrikas, voran Mombassa, im heutigen Britisch-Ostafrika, daneben Sansibar
selbst und andere, die eben gegen die Portugiesen den Sultan des südarabischen
Reiches von Oman (Maskat) zu Hilfe rief. Tatsächlich schlug auch dieser
einen Teil der Ostküste Afrikas, heutiges italienisches, britisches und deutsches
Gebiet, anderseits aber auch die besonders begehrten Inseln, darunter Sansibar,
zu seinem Reiche. Indes scheinen in den folgenden Zeiten, offenbar in¬
folge der im Innern des Reiches Oman selbst aufgetretenen Schwierigkeiten,
die Satrapen in Ostafrika und in Sansibar eine außerordentlich selbständige
Stellung eingenommen zu haben; zweifellos führten die Herrscher von Sansibar
und von Mombassa frühzeitig eine eigene Herrschaft, auch dem Namen nach.
Hier wurden nun im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zuerst englische
Einflüsse mächtig: 1823 erschien der britische Kapitän Owen und nahm im
portugiesischen Ostafrika zur Zeit, als die portugiesische Kolonie vollkommen


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[0071] Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung Die mittlere Temperatur der Insel beträgt etwa 26,5 Grad Celsius, die Regenmenge ungefähr 1550 Millimeter. Das ist außerordentlich viel, mehr als die Küste des Festlandes besitzt. So ist das Klima der Insel, verglichen mit dem der Ostküste Deutsch - Ostafrikas, ungleich feuchter und wärmer, in allen Teilen wie zu allen Zeiten, d. h. zugleich auch ermüdender und ungesunder für den Europäer. In der Stadt Sansibar wird die Hitze obendrein noch erhöht durch den großen weißen Steinblock, als der die Masse arabischer Häuser sich dem Europäer darstellt. Die engen, gänzlich schattenlosen Straßen täuschen eine gewisse Kühle vor, aber der große Häuserblock läßt die Hitze um so stärker an- schwellen. Die heißeste Zeit ist Dezember und Januar, in der denn auch die Stadt meist von den Europäern nach Möglichkeit gemieden wird. Werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der Insel und ihre wirt¬ schaftliche Veranlagung. Seefahrer aus Arabien von der Benadirküste haben zweifellos die früheste Niederlassung gegründet. Mit ihr entstand eine Misch- bevölkerung auf der Insel: sie dürfte es gewesen sein, die Vasco da Gama im Jahre 1499 auf der Rückkehr von Indien dort vorfand. Er berichtet von dem regen Handel der Insel nach Cofalla und Gujerat hinüber, einem Handel, der sich auf Gold, Wachs, Elfenbein und Schildpatt erstreckte; Produkte, von denen bezeichnenderweise nur das letzte seinen Ursprung auf der Insel selbst haben kann oder gehabt hat, indes die übrigen zeigen, daß Sansibar eine gewisse bevorzugte Stellung als Handelsplatz gegenüber der Ostküste einnahm. Später sind dann die Portugiesen von ihren Kolonien im südlichen Ostafrika aus ver¬ schiedentlich, doch ohne das Land wirklich zu besetzen, nach Sansibar vor¬ gedrungen. Sie haben im allgemeinen wohl nur die Absicht dabei gehabt, sich den Seeweg nach Indien auch dort freizuhalten, und so ihre Plünderungs- und Raubzüge nach der Insel hin ausgedehnt. Doch haben sicher auch im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert Portugiesen durchaus friedlich als Ansiedler dort gelebt. Im siebzehnten Jahrhundert war es dann eine Reihe von Plätzen Ostafrikas, voran Mombassa, im heutigen Britisch-Ostafrika, daneben Sansibar selbst und andere, die eben gegen die Portugiesen den Sultan des südarabischen Reiches von Oman (Maskat) zu Hilfe rief. Tatsächlich schlug auch dieser einen Teil der Ostküste Afrikas, heutiges italienisches, britisches und deutsches Gebiet, anderseits aber auch die besonders begehrten Inseln, darunter Sansibar, zu seinem Reiche. Indes scheinen in den folgenden Zeiten, offenbar in¬ folge der im Innern des Reiches Oman selbst aufgetretenen Schwierigkeiten, die Satrapen in Ostafrika und in Sansibar eine außerordentlich selbständige Stellung eingenommen zu haben; zweifellos führten die Herrscher von Sansibar und von Mombassa frühzeitig eine eigene Herrschaft, auch dem Namen nach. Hier wurden nun im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zuerst englische Einflüsse mächtig: 1823 erschien der britische Kapitän Owen und nahm im portugiesischen Ostafrika zur Zeit, als die portugiesische Kolonie vollkommen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/71>, abgerufen am 16.06.2024.