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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

fahren, ist es selbstverständlich, daß es zu einer Ausfuhr der Produkte bisher
noch nicht gekommen ist. Die zerstückelten Kokosnußfleischstücke, wie sie, unter
dem Namen Kopra allgemein bekannt, aus Indien und Australien in den
Handel nach Europa gelangen, namentlich zur Seifenfabrikation und ähn¬
lichen Zwecken, werden aus Sansibar bisher noch nicht ausgeführt. Es
wäre aber ein leichtes, die bequeme und billige Kultur des Baumes soweit
auszubreiten, daß die Kopra, vielleicht auch die Faser (Coir) zur Ausfuhr
kommen könnte. Bisher ist freilich davon noch nicht die Rede. Es
wäre dazu wohl auch erforderlich, das Trocknen der Kopra in etwas
modernerer und zweckmäßigerer Weise, d. h. vor allem mittels Trockenöfen
vorzunehmen.

Eine sehr viel bedeutendere Rolle als die Kopra spielen indessen die
Nelken für die Ausfuhr. Die Gewürznelken sind auf Sansibar und Pemba
keineswegs einheimisch; vielmehr wurde der buschartige Baum, von dem die
Insel gegenwärtig etwa zwei Millionen zählt, erst im Jahre 1790 ein¬
geführt. Die Gewürznelke, wie wir sie getrocknet bei uns im Handel kennen,
stellt sich bekanntermaßen als eine noch nicht geöffnete Blütenknospe dar, die
zweimal jährlich durch sorgsames Pflücken von den Bäumen geerntet und
durch Trocknen, vorsichtiges Umwenden in der Sonne und Sortieren zu einem
sorgfältig bereiteten Handelsgegenstande wird, der für Sansibar wie für Pemba
von allerhöchster Bedeutung ist. Umsomehr, als heute all das, was die
Märkte von London und Hamburg an Gewürznelken bringen, von den beiden
Inseln kommt. Das Ursprungsland der Gewürznelke, die Molukken selbst,
liefern, wenn schon das allerbeste, so doch, was die Menge betrifft, so außer¬
ordentlich wenig, daß es für unseren Markt nicht in Betracht kommen kann.
Charakteristischerweise wird die ganze Ernte Pembas -- und sie ist größer
als die Sansibars selbst -- nach Sansibar auf den Markt gebracht. In den
Zahlen für die Ausfuhr Sansibars sind also allemal die jener Pembas mit
eingeschlossen. Und die macht gegen 75 Prozent der Gesamtausfuhr aus!
Ewas verschoben ist das Verhältnis zu Ungunsten Sansibars, seit ein Unwetter
im Jahre 1872 auf der Insel die gesamten sehr leichtbrüchigen Nelkenbüume,
die am Rande der Pflanzungen vielfach durch andere Bäume gegen Winde
geschützt werden müssen, vernichtete, während es Pemba verschonte. Es ist
deshalb denkbar, daß sich im Laufe der Zeit das Verhältnis zwischen den
Ausfuhrziffern der beiden Inseln wieder etwas ausgleichen wird. Im übrigen
ist die Entwicklung des Nelkenbaums nicht gerade von einer bestimmten Boden¬
beschaffenheit abhängig, nur muß er, wie die meisten anderen Tropenpflanzen,
auf Saatbeeten angezogen werden. Ist er, etwa im zweiten Jahre, ausgepflanzt,
so bedarf er ungefähr bis zum fünften Jahre noch eines Schutzes (zwischengepflanzte
Ricinusstauden oder Bananen) gegen starke Besonnung. Er trägt bis zum fünf¬
zehnten oder zwanzigsten Jahr. Eine gute Ernte, wie die im Jahre 1907, kann
einen Ertrag bis zu 6 Millionen Rupien (die indische Rupie zu etwa 1,30 Mark


Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung

fahren, ist es selbstverständlich, daß es zu einer Ausfuhr der Produkte bisher
noch nicht gekommen ist. Die zerstückelten Kokosnußfleischstücke, wie sie, unter
dem Namen Kopra allgemein bekannt, aus Indien und Australien in den
Handel nach Europa gelangen, namentlich zur Seifenfabrikation und ähn¬
lichen Zwecken, werden aus Sansibar bisher noch nicht ausgeführt. Es
wäre aber ein leichtes, die bequeme und billige Kultur des Baumes soweit
auszubreiten, daß die Kopra, vielleicht auch die Faser (Coir) zur Ausfuhr
kommen könnte. Bisher ist freilich davon noch nicht die Rede. Es
wäre dazu wohl auch erforderlich, das Trocknen der Kopra in etwas
modernerer und zweckmäßigerer Weise, d. h. vor allem mittels Trockenöfen
vorzunehmen.

Eine sehr viel bedeutendere Rolle als die Kopra spielen indessen die
Nelken für die Ausfuhr. Die Gewürznelken sind auf Sansibar und Pemba
keineswegs einheimisch; vielmehr wurde der buschartige Baum, von dem die
Insel gegenwärtig etwa zwei Millionen zählt, erst im Jahre 1790 ein¬
geführt. Die Gewürznelke, wie wir sie getrocknet bei uns im Handel kennen,
stellt sich bekanntermaßen als eine noch nicht geöffnete Blütenknospe dar, die
zweimal jährlich durch sorgsames Pflücken von den Bäumen geerntet und
durch Trocknen, vorsichtiges Umwenden in der Sonne und Sortieren zu einem
sorgfältig bereiteten Handelsgegenstande wird, der für Sansibar wie für Pemba
von allerhöchster Bedeutung ist. Umsomehr, als heute all das, was die
Märkte von London und Hamburg an Gewürznelken bringen, von den beiden
Inseln kommt. Das Ursprungsland der Gewürznelke, die Molukken selbst,
liefern, wenn schon das allerbeste, so doch, was die Menge betrifft, so außer¬
ordentlich wenig, daß es für unseren Markt nicht in Betracht kommen kann.
Charakteristischerweise wird die ganze Ernte Pembas — und sie ist größer
als die Sansibars selbst — nach Sansibar auf den Markt gebracht. In den
Zahlen für die Ausfuhr Sansibars sind also allemal die jener Pembas mit
eingeschlossen. Und die macht gegen 75 Prozent der Gesamtausfuhr aus!
Ewas verschoben ist das Verhältnis zu Ungunsten Sansibars, seit ein Unwetter
im Jahre 1872 auf der Insel die gesamten sehr leichtbrüchigen Nelkenbüume,
die am Rande der Pflanzungen vielfach durch andere Bäume gegen Winde
geschützt werden müssen, vernichtete, während es Pemba verschonte. Es ist
deshalb denkbar, daß sich im Laufe der Zeit das Verhältnis zwischen den
Ausfuhrziffern der beiden Inseln wieder etwas ausgleichen wird. Im übrigen
ist die Entwicklung des Nelkenbaums nicht gerade von einer bestimmten Boden¬
beschaffenheit abhängig, nur muß er, wie die meisten anderen Tropenpflanzen,
auf Saatbeeten angezogen werden. Ist er, etwa im zweiten Jahre, ausgepflanzt,
so bedarf er ungefähr bis zum fünften Jahre noch eines Schutzes (zwischengepflanzte
Ricinusstauden oder Bananen) gegen starke Besonnung. Er trägt bis zum fünf¬
zehnten oder zwanzigsten Jahr. Eine gute Ernte, wie die im Jahre 1907, kann
einen Ertrag bis zu 6 Millionen Rupien (die indische Rupie zu etwa 1,30 Mark


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[0076] Die Insel Sansibar und ihre wirtschaftliche Bedeutung fahren, ist es selbstverständlich, daß es zu einer Ausfuhr der Produkte bisher noch nicht gekommen ist. Die zerstückelten Kokosnußfleischstücke, wie sie, unter dem Namen Kopra allgemein bekannt, aus Indien und Australien in den Handel nach Europa gelangen, namentlich zur Seifenfabrikation und ähn¬ lichen Zwecken, werden aus Sansibar bisher noch nicht ausgeführt. Es wäre aber ein leichtes, die bequeme und billige Kultur des Baumes soweit auszubreiten, daß die Kopra, vielleicht auch die Faser (Coir) zur Ausfuhr kommen könnte. Bisher ist freilich davon noch nicht die Rede. Es wäre dazu wohl auch erforderlich, das Trocknen der Kopra in etwas modernerer und zweckmäßigerer Weise, d. h. vor allem mittels Trockenöfen vorzunehmen. Eine sehr viel bedeutendere Rolle als die Kopra spielen indessen die Nelken für die Ausfuhr. Die Gewürznelken sind auf Sansibar und Pemba keineswegs einheimisch; vielmehr wurde der buschartige Baum, von dem die Insel gegenwärtig etwa zwei Millionen zählt, erst im Jahre 1790 ein¬ geführt. Die Gewürznelke, wie wir sie getrocknet bei uns im Handel kennen, stellt sich bekanntermaßen als eine noch nicht geöffnete Blütenknospe dar, die zweimal jährlich durch sorgsames Pflücken von den Bäumen geerntet und durch Trocknen, vorsichtiges Umwenden in der Sonne und Sortieren zu einem sorgfältig bereiteten Handelsgegenstande wird, der für Sansibar wie für Pemba von allerhöchster Bedeutung ist. Umsomehr, als heute all das, was die Märkte von London und Hamburg an Gewürznelken bringen, von den beiden Inseln kommt. Das Ursprungsland der Gewürznelke, die Molukken selbst, liefern, wenn schon das allerbeste, so doch, was die Menge betrifft, so außer¬ ordentlich wenig, daß es für unseren Markt nicht in Betracht kommen kann. Charakteristischerweise wird die ganze Ernte Pembas — und sie ist größer als die Sansibars selbst — nach Sansibar auf den Markt gebracht. In den Zahlen für die Ausfuhr Sansibars sind also allemal die jener Pembas mit eingeschlossen. Und die macht gegen 75 Prozent der Gesamtausfuhr aus! Ewas verschoben ist das Verhältnis zu Ungunsten Sansibars, seit ein Unwetter im Jahre 1872 auf der Insel die gesamten sehr leichtbrüchigen Nelkenbüume, die am Rande der Pflanzungen vielfach durch andere Bäume gegen Winde geschützt werden müssen, vernichtete, während es Pemba verschonte. Es ist deshalb denkbar, daß sich im Laufe der Zeit das Verhältnis zwischen den Ausfuhrziffern der beiden Inseln wieder etwas ausgleichen wird. Im übrigen ist die Entwicklung des Nelkenbaums nicht gerade von einer bestimmten Boden¬ beschaffenheit abhängig, nur muß er, wie die meisten anderen Tropenpflanzen, auf Saatbeeten angezogen werden. Ist er, etwa im zweiten Jahre, ausgepflanzt, so bedarf er ungefähr bis zum fünften Jahre noch eines Schutzes (zwischengepflanzte Ricinusstauden oder Bananen) gegen starke Besonnung. Er trägt bis zum fünf¬ zehnten oder zwanzigsten Jahr. Eine gute Ernte, wie die im Jahre 1907, kann einen Ertrag bis zu 6 Millionen Rupien (die indische Rupie zu etwa 1,30 Mark

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/76>, abgerufen am 15.06.2024.