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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Hundertundfünfzig Jahre deutscher Kunst

Stücke nicht bloß aus den bekanntesten Stätten dieser kunstgewerblichen Tätigkeit,
sondern auch aus den anderen finden. Viele dieser Arbeiten zeigen große Kunst¬
fertigkeit, manche feinen Geschmack, der selbst den gerade sür diese besondere
Kunsttätigkeit nicht sehr passenden Stil der Zeit sich gleichsam zum Diener
macht und so eigenartiges, feines und dem Material nicht geradezu konträres
zuwege bringt. Ein solches Werk ist zum Beispiel der aus Schlesien stammende,
maßvoll naturalistische Jagdbecher aus dem Besitz des Prinzen Biron von Kur¬
land (IZ. 34).

Welche wertvolle und für die damalige Zeit charakteristische Werke diese
verschiedenen Abteilungen aber auch enthalten, die Darstellung der Entwicklung
der Tafelmalerei in ihren verschiedenartigen Zweigen ist die vollständig ge¬
lungene Rechtfertigung der auf die wahrhaft bedeutsame Ausstellung gewandten
großen Mühe und Arbeit und der Ruhmestitel ihrer Anreger und Veranstalter.

Überblickt man zum Schluß noch einmal das ganze Feld, so wird einem
eines klar: die in ihrer Kunst zur Darstellung gelangte Zeit besitzt nicht mehr
die starke, aber notwendig umgrenzte innere Sicherheit und Einheitlichkeit früherer
Epochen, sondern weist schon in den sich kreuzenden und gegeneinander an¬
kämpfenden Strömungen und mannigfachen, zum Teil nur halb oder gar nicht
assimilierten Einflüssen eine Ähnlichkeit mit dem neunzehnten Jahrhundert auf.
Deshalb auch gruppieren sich die "Kleinmeister" nicht mehr um einige große, alle
anderen beherrschende und in ihrer Richtung bestimmende Meister, sondern
machen zum Teil den Eindruck eines Heerhaufens, der auseinandergesprengt
worden ist und nun aus allen möglichen Schleich- und Umwegen sich wieder zu
sammeln sucht, während die größeren Meister im Bestreben sich selber zu be¬
haupten und durchzusetzen einen großen Teil ihrer besten Kräfte verausgaben
müssen, so daß ihre Größe oft mehr in dem Streben selber als im Erreichten
zutage tritt, in dem Vorahnen und Anbahnen kommender Zeit, im Heraus¬
führen der Sonnenrosse aus dem Dunkel der Nacht. An solchen Persönlich¬
keiten hat es jener Zeit, wie wir gesehen, nicht gefehlt. Sie sind die wahren
Sterne der Darmstädter Ausstellung.




Hundertundfünfzig Jahre deutscher Kunst

Stücke nicht bloß aus den bekanntesten Stätten dieser kunstgewerblichen Tätigkeit,
sondern auch aus den anderen finden. Viele dieser Arbeiten zeigen große Kunst¬
fertigkeit, manche feinen Geschmack, der selbst den gerade sür diese besondere
Kunsttätigkeit nicht sehr passenden Stil der Zeit sich gleichsam zum Diener
macht und so eigenartiges, feines und dem Material nicht geradezu konträres
zuwege bringt. Ein solches Werk ist zum Beispiel der aus Schlesien stammende,
maßvoll naturalistische Jagdbecher aus dem Besitz des Prinzen Biron von Kur¬
land (IZ. 34).

Welche wertvolle und für die damalige Zeit charakteristische Werke diese
verschiedenen Abteilungen aber auch enthalten, die Darstellung der Entwicklung
der Tafelmalerei in ihren verschiedenartigen Zweigen ist die vollständig ge¬
lungene Rechtfertigung der auf die wahrhaft bedeutsame Ausstellung gewandten
großen Mühe und Arbeit und der Ruhmestitel ihrer Anreger und Veranstalter.

Überblickt man zum Schluß noch einmal das ganze Feld, so wird einem
eines klar: die in ihrer Kunst zur Darstellung gelangte Zeit besitzt nicht mehr
die starke, aber notwendig umgrenzte innere Sicherheit und Einheitlichkeit früherer
Epochen, sondern weist schon in den sich kreuzenden und gegeneinander an¬
kämpfenden Strömungen und mannigfachen, zum Teil nur halb oder gar nicht
assimilierten Einflüssen eine Ähnlichkeit mit dem neunzehnten Jahrhundert auf.
Deshalb auch gruppieren sich die „Kleinmeister" nicht mehr um einige große, alle
anderen beherrschende und in ihrer Richtung bestimmende Meister, sondern
machen zum Teil den Eindruck eines Heerhaufens, der auseinandergesprengt
worden ist und nun aus allen möglichen Schleich- und Umwegen sich wieder zu
sammeln sucht, während die größeren Meister im Bestreben sich selber zu be¬
haupten und durchzusetzen einen großen Teil ihrer besten Kräfte verausgaben
müssen, so daß ihre Größe oft mehr in dem Streben selber als im Erreichten
zutage tritt, in dem Vorahnen und Anbahnen kommender Zeit, im Heraus¬
führen der Sonnenrosse aus dem Dunkel der Nacht. An solchen Persönlich¬
keiten hat es jener Zeit, wie wir gesehen, nicht gefehlt. Sie sind die wahren
Sterne der Darmstädter Ausstellung.




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[0140] Hundertundfünfzig Jahre deutscher Kunst Stücke nicht bloß aus den bekanntesten Stätten dieser kunstgewerblichen Tätigkeit, sondern auch aus den anderen finden. Viele dieser Arbeiten zeigen große Kunst¬ fertigkeit, manche feinen Geschmack, der selbst den gerade sür diese besondere Kunsttätigkeit nicht sehr passenden Stil der Zeit sich gleichsam zum Diener macht und so eigenartiges, feines und dem Material nicht geradezu konträres zuwege bringt. Ein solches Werk ist zum Beispiel der aus Schlesien stammende, maßvoll naturalistische Jagdbecher aus dem Besitz des Prinzen Biron von Kur¬ land (IZ. 34). Welche wertvolle und für die damalige Zeit charakteristische Werke diese verschiedenen Abteilungen aber auch enthalten, die Darstellung der Entwicklung der Tafelmalerei in ihren verschiedenartigen Zweigen ist die vollständig ge¬ lungene Rechtfertigung der auf die wahrhaft bedeutsame Ausstellung gewandten großen Mühe und Arbeit und der Ruhmestitel ihrer Anreger und Veranstalter. Überblickt man zum Schluß noch einmal das ganze Feld, so wird einem eines klar: die in ihrer Kunst zur Darstellung gelangte Zeit besitzt nicht mehr die starke, aber notwendig umgrenzte innere Sicherheit und Einheitlichkeit früherer Epochen, sondern weist schon in den sich kreuzenden und gegeneinander an¬ kämpfenden Strömungen und mannigfachen, zum Teil nur halb oder gar nicht assimilierten Einflüssen eine Ähnlichkeit mit dem neunzehnten Jahrhundert auf. Deshalb auch gruppieren sich die „Kleinmeister" nicht mehr um einige große, alle anderen beherrschende und in ihrer Richtung bestimmende Meister, sondern machen zum Teil den Eindruck eines Heerhaufens, der auseinandergesprengt worden ist und nun aus allen möglichen Schleich- und Umwegen sich wieder zu sammeln sucht, während die größeren Meister im Bestreben sich selber zu be¬ haupten und durchzusetzen einen großen Teil ihrer besten Kräfte verausgaben müssen, so daß ihre Größe oft mehr in dem Streben selber als im Erreichten zutage tritt, in dem Vorahnen und Anbahnen kommender Zeit, im Heraus¬ führen der Sonnenrosse aus dem Dunkel der Nacht. An solchen Persönlich¬ keiten hat es jener Zeit, wie wir gesehen, nicht gefehlt. Sie sind die wahren Sterne der Darmstädter Ausstellung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/140>, abgerufen am 18.05.2024.