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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Heißer Tag

klatschend der Regen, am westlichen Himmel jedoch prangt schon ein goldiger
Streif: Abendrot.

"Wer ruft da, was laufen sie fo die Gasse hinab? -- Heda, guter Freund,
was gibts?" fragt von Tötung.

"Füer!"

"Feuer? -- Wo?"

"Da unum, dat letzte Hus, bei Möllers!"

"Mensch, wat du redst, -- Bi Wittfru Koch'n is dat, Herr." --




Feuer im Dorf? -- Das war der Volltreffer. -- Schnell hin. --

Gelber Rauch schwelt durch das Strohdach der Scheuer, doch im Inneren
da tost und siedet und rollt es. Ein feuriger Schwalg. --

"Füer! -- Fu . . . . er!" --

Hastig tritt eine Frau aus dem Haus. Strohhaarig, breithüftig; die kennt
ihre Arbeit und auch die Sorge, das sieht man.

"Was wollt Ihr?"

"Feuer! -- Es brennt! -- Dort, Eure Scheune!"
"

"Jesus, Maria, die ganze Ernte!

"Ruhe, Frau, die Grenadiere helfen!" --

Jetzt ringt sich das Feuer durch das Dach. Hui, wie das
lodert und prasselt. Gierig, wie Raubtiere Blut, so lecken die glühenden
Flammen. -- Von allen Seiten eilen die Gaffer herbei und auch die
Helfer. --

"Achtung, zurück, das Scheunendach stürzt ein!" Mit dumpfem Krachen
bricht berstend alles zusammen, und ein Funkenmeer wogt gewaltig zum Himmel. --
Da endlich rasselt die Spritze heran. Sergeant Merken befehligt den Zug.
Wie das rumpelt und dröhnt auf dem groben Pflaster, man versteht seinen
Nachbarn nicht. -- Nun sind sie am Ort. Eilt euch, schon brennt das Wohn¬
haus! Das Holz ist so trocken und morsch; dichter Qualm dringt aus den
Fenstern.

Ratlos steht die Bäuerin vor dem Schrecklichen, und mit ihr die Kinder.
Sie fassen das nicht, es kam zu plötzlich über sie.

"O Mudding, uns' Hus, o du leiver Gott, uns' Hus!" --

"Heda, Frau Koch, was ist zuerst zu retten? Menschen sind doch . . .?"

"Jesus. Mar . . .! Großmudding, oben, dicht an de Schür. in de Eckstuw.
Se kann nich rut, ick not ehr baten!" --

"Zurück, Frau, wir holen sie!" Der Leutnant steht wie von Erz:

"Wer kommt mit, Grenadiere?!"

"Ich!" ruft Merken und bricht sich Bahn; die anderen weichen betroffen.

"Brav. Merken! -- Haltet die Treppen frei und gebt soviel Wasser als
möglich!" Begeistert, als ging es in das Gefecht, straffe sich der sehnige Körper.

"Vorwärts, Sergeant!" --


Grenzboten III 1914 15
Heißer Tag

klatschend der Regen, am westlichen Himmel jedoch prangt schon ein goldiger
Streif: Abendrot.

„Wer ruft da, was laufen sie fo die Gasse hinab? — Heda, guter Freund,
was gibts?" fragt von Tötung.

„Füer!"

„Feuer? — Wo?"

„Da unum, dat letzte Hus, bei Möllers!"

„Mensch, wat du redst, — Bi Wittfru Koch'n is dat, Herr." —




Feuer im Dorf? — Das war der Volltreffer. — Schnell hin. —

Gelber Rauch schwelt durch das Strohdach der Scheuer, doch im Inneren
da tost und siedet und rollt es. Ein feuriger Schwalg. —

„Füer! — Fu . . . . er!" —

Hastig tritt eine Frau aus dem Haus. Strohhaarig, breithüftig; die kennt
ihre Arbeit und auch die Sorge, das sieht man.

„Was wollt Ihr?"

„Feuer! — Es brennt! — Dort, Eure Scheune!"
"

„Jesus, Maria, die ganze Ernte!

„Ruhe, Frau, die Grenadiere helfen!" —

Jetzt ringt sich das Feuer durch das Dach. Hui, wie das
lodert und prasselt. Gierig, wie Raubtiere Blut, so lecken die glühenden
Flammen. — Von allen Seiten eilen die Gaffer herbei und auch die
Helfer. —

„Achtung, zurück, das Scheunendach stürzt ein!" Mit dumpfem Krachen
bricht berstend alles zusammen, und ein Funkenmeer wogt gewaltig zum Himmel. —
Da endlich rasselt die Spritze heran. Sergeant Merken befehligt den Zug.
Wie das rumpelt und dröhnt auf dem groben Pflaster, man versteht seinen
Nachbarn nicht. — Nun sind sie am Ort. Eilt euch, schon brennt das Wohn¬
haus! Das Holz ist so trocken und morsch; dichter Qualm dringt aus den
Fenstern.

Ratlos steht die Bäuerin vor dem Schrecklichen, und mit ihr die Kinder.
Sie fassen das nicht, es kam zu plötzlich über sie.

„O Mudding, uns' Hus, o du leiver Gott, uns' Hus!" —

„Heda, Frau Koch, was ist zuerst zu retten? Menschen sind doch . . .?"

„Jesus. Mar . . .! Großmudding, oben, dicht an de Schür. in de Eckstuw.
Se kann nich rut, ick not ehr baten!" —

„Zurück, Frau, wir holen sie!" Der Leutnant steht wie von Erz:

„Wer kommt mit, Grenadiere?!"

„Ich!" ruft Merken und bricht sich Bahn; die anderen weichen betroffen.

„Brav. Merken! — Haltet die Treppen frei und gebt soviel Wasser als
möglich!" Begeistert, als ging es in das Gefecht, straffe sich der sehnige Körper.

„Vorwärts, Sergeant!" —


Grenzboten III 1914 15
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[0237] Heißer Tag klatschend der Regen, am westlichen Himmel jedoch prangt schon ein goldiger Streif: Abendrot. „Wer ruft da, was laufen sie fo die Gasse hinab? — Heda, guter Freund, was gibts?" fragt von Tötung. „Füer!" „Feuer? — Wo?" „Da unum, dat letzte Hus, bei Möllers!" „Mensch, wat du redst, — Bi Wittfru Koch'n is dat, Herr." — Feuer im Dorf? — Das war der Volltreffer. — Schnell hin. — Gelber Rauch schwelt durch das Strohdach der Scheuer, doch im Inneren da tost und siedet und rollt es. Ein feuriger Schwalg. — „Füer! — Fu . . . . er!" — Hastig tritt eine Frau aus dem Haus. Strohhaarig, breithüftig; die kennt ihre Arbeit und auch die Sorge, das sieht man. „Was wollt Ihr?" „Feuer! — Es brennt! — Dort, Eure Scheune!" " „Jesus, Maria, die ganze Ernte! „Ruhe, Frau, die Grenadiere helfen!" — Jetzt ringt sich das Feuer durch das Dach. Hui, wie das lodert und prasselt. Gierig, wie Raubtiere Blut, so lecken die glühenden Flammen. — Von allen Seiten eilen die Gaffer herbei und auch die Helfer. — „Achtung, zurück, das Scheunendach stürzt ein!" Mit dumpfem Krachen bricht berstend alles zusammen, und ein Funkenmeer wogt gewaltig zum Himmel. — Da endlich rasselt die Spritze heran. Sergeant Merken befehligt den Zug. Wie das rumpelt und dröhnt auf dem groben Pflaster, man versteht seinen Nachbarn nicht. — Nun sind sie am Ort. Eilt euch, schon brennt das Wohn¬ haus! Das Holz ist so trocken und morsch; dichter Qualm dringt aus den Fenstern. Ratlos steht die Bäuerin vor dem Schrecklichen, und mit ihr die Kinder. Sie fassen das nicht, es kam zu plötzlich über sie. „O Mudding, uns' Hus, o du leiver Gott, uns' Hus!" — „Heda, Frau Koch, was ist zuerst zu retten? Menschen sind doch . . .?" „Jesus. Mar . . .! Großmudding, oben, dicht an de Schür. in de Eckstuw. Se kann nich rut, ick not ehr baten!" — „Zurück, Frau, wir holen sie!" Der Leutnant steht wie von Erz: „Wer kommt mit, Grenadiere?!" „Ich!" ruft Merken und bricht sich Bahn; die anderen weichen betroffen. „Brav. Merken! — Haltet die Treppen frei und gebt soviel Wasser als möglich!" Begeistert, als ging es in das Gefecht, straffe sich der sehnige Körper. „Vorwärts, Sergeant!" — Grenzboten III 1914 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/237>, abgerufen am 31.05.2024.