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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Grade gleich sind, zu ihre:" Rechte zu ver¬
helfen. Das wollen die Forderungen, die
Herr Dr. Quandt als übertrieben anführt,
eben bewirken; daß sie wissenschaftlich immer
relativ zu verstehen sind, fühlt Wohl jeder
Psychologisch Gebildete heraus.

Es fällt weiterhin der Pr.-O. gar nicht
ein, Anwärter aus der Volksschule in Zukunft
möglichst ausschließen zu wollen; wegen des
Stoffes in Latein, der in der Aufnahme-
Prüfung verlangt wird, braucht man keine
höhere Schule zu besuchen, das lernt man in
Privatstunden auch auf dem kleinsten Dorfe
bei dem Pfarrer oder Lehrer. Daß wir aber
ein Jahrespensum in Latein verlangen müssen,
ist eine pädagogische Notwendigkeit, denn wir
können in der zukünftigen Septima nicht
zwei fremde Sprachen zu gleicher Zeit be¬
ginnen.

Schließlich wirft Herr Dr. Quandt den
Anforderungen für die Wahlfähigkeits¬
prüfung zu große Wissenschaftlichkeit vor.
Er führt zum Beweise ein Beispiel aus
der Physik und Mathematik an und fordert,
daß der Lehrer, wenn er sich auf den Boden
der Wissenschaftlichkeit begeben will, Probleme
zu lösen versuchen soll, die sich aus dem
Inneren seines Berufes ergeben. Hat Herr
Dr. Quandt gar nicht gelesen, wie sehr die
Pr.-O. solche Versuche anregt? Sollten ihm
Probleme wie: "das religiöse Leben des
Schulorts oder der engeren Heimat, das
Studium der Sprechweise der Schulkinder,
historische Denkmäler, Geschichte des Schul¬
ortes, Sitten und Gebräuche der Heimat,
Abschnitte der Volksschulgeometrie in elemen¬
tarer und wissenschaftlicher Behandlung, An¬
stellung planmäßiger Beobachtungen über die
Wirkung Pädagogischer Maßnahmen im eigenen
Unterrichte, Untersuchungen über die Gesamt¬
lage der eigenen Schüler in und außerhalb
-der Schule" und anderes vollständig ent¬
Dr. G. Heller gangen sein?

Achöns Literatur

Edgar Allan Poe: Heureka und roman¬
tische Erzählungen. (Verlag I. C. C. Bruns,
Minden i. W.)

Was weiß man über Edgar Man Poe?
Daß er grausige Erzählungen, Kriminal¬

[Spaltenumbruch]

geschichten geschrieben hat. Traurige Weis-
heitl . . . Wer liest diese Novellen so, wie
sie gemeint sind, als Dokumente innerer Er¬
griffenheit, als Forschungen eines seelischen
Spürjägers? Genug, daß bei ihrer Lektüre
ein angenehmes Gruseln den Rücken hinauf¬
kriecht. ... Wer mehr sucht, wer ganz in
das sehnende, hellseherische, suchende Wesen
dieses großen, unvergleichlichen Dichters ein¬
dringen möchte, der nehme diesen zweiten
Band der "Werke" zur Hand, auf welche ich
schon früher einmal (1913, Heft 23) hin¬
weisen konnte. Wer würde nicht ergriffen
und tief bewegt, wenn er die wundersame
Dichtung "Heureka" studiert, den Versuch
über das geistige und materielle Weltall?
Wer möchte noch wagen, mit wissenschaftlichem
Handwerkszeuge diesen visionären Bekennt¬
nissen zu nahen, welche "den Träumern und
denen, die an Träume als an die einzigen
Wirklichkeiten glauben", gewidmet sind? Ich
will nicht näher darauf eingehen, nicht auf
die tiefsinnigen Dialoge oder die feinen, innig
durchschauerten "romantischen Erzählungen".
Ich möchte nur eines sagen: man vergesse
nie die Schlußworte aus "Heureka" und be¬
trachte unter ihrem Leuchten das Schaffen
und Ringen dieses mächtigen Dichters:
"Mittlerweile bewahrt es in eurer Seele,
daß alles Leben ist -- Leben -- Leben in
Leben -- das kleinere im größeren -- und
alles im göttlichen Geiste."

Es bleibt schließlich noch zu sagen, Was
ich auch früher schon betonte: daß sich die
Übersetzung vortrefflich liest (bis auf die An¬
wendung des schrecklichen Wortes "derselbe"),
und daß die Ausstattung köstlich und würdig
ist. Diese verdienstreiche, schöne Ausgabe
muß aufs dringendste und wärmste empfohlen
Lrnst Ludwig Schellcnbcrg Werden.

Der jetzt achtundvierzigjährige Romain
Rolland hat es in Frankreich allmählich zu
einer stillen, tiefwirkenden Berühmtheit ge¬
bracht. Ein Freund der großen Anrcgerin
Malvida von Meysenbug ist er ihr in dein
brennenden Idealismus seelisch verwandt.
Und das Talent wuchs weiter in der stillen
Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und Ver¬
arbeitung der umgebenden geistigen Strö¬
mungen. Er unterliegt ihnen nicht, er be-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Grade gleich sind, zu ihre:» Rechte zu ver¬
helfen. Das wollen die Forderungen, die
Herr Dr. Quandt als übertrieben anführt,
eben bewirken; daß sie wissenschaftlich immer
relativ zu verstehen sind, fühlt Wohl jeder
Psychologisch Gebildete heraus.

Es fällt weiterhin der Pr.-O. gar nicht
ein, Anwärter aus der Volksschule in Zukunft
möglichst ausschließen zu wollen; wegen des
Stoffes in Latein, der in der Aufnahme-
Prüfung verlangt wird, braucht man keine
höhere Schule zu besuchen, das lernt man in
Privatstunden auch auf dem kleinsten Dorfe
bei dem Pfarrer oder Lehrer. Daß wir aber
ein Jahrespensum in Latein verlangen müssen,
ist eine pädagogische Notwendigkeit, denn wir
können in der zukünftigen Septima nicht
zwei fremde Sprachen zu gleicher Zeit be¬
ginnen.

Schließlich wirft Herr Dr. Quandt den
Anforderungen für die Wahlfähigkeits¬
prüfung zu große Wissenschaftlichkeit vor.
Er führt zum Beweise ein Beispiel aus
der Physik und Mathematik an und fordert,
daß der Lehrer, wenn er sich auf den Boden
der Wissenschaftlichkeit begeben will, Probleme
zu lösen versuchen soll, die sich aus dem
Inneren seines Berufes ergeben. Hat Herr
Dr. Quandt gar nicht gelesen, wie sehr die
Pr.-O. solche Versuche anregt? Sollten ihm
Probleme wie: „das religiöse Leben des
Schulorts oder der engeren Heimat, das
Studium der Sprechweise der Schulkinder,
historische Denkmäler, Geschichte des Schul¬
ortes, Sitten und Gebräuche der Heimat,
Abschnitte der Volksschulgeometrie in elemen¬
tarer und wissenschaftlicher Behandlung, An¬
stellung planmäßiger Beobachtungen über die
Wirkung Pädagogischer Maßnahmen im eigenen
Unterrichte, Untersuchungen über die Gesamt¬
lage der eigenen Schüler in und außerhalb
-der Schule" und anderes vollständig ent¬
Dr. G. Heller gangen sein?

Achöns Literatur

Edgar Allan Poe: Heureka und roman¬
tische Erzählungen. (Verlag I. C. C. Bruns,
Minden i. W.)

Was weiß man über Edgar Man Poe?
Daß er grausige Erzählungen, Kriminal¬

[Spaltenumbruch]

geschichten geschrieben hat. Traurige Weis-
heitl . . . Wer liest diese Novellen so, wie
sie gemeint sind, als Dokumente innerer Er¬
griffenheit, als Forschungen eines seelischen
Spürjägers? Genug, daß bei ihrer Lektüre
ein angenehmes Gruseln den Rücken hinauf¬
kriecht. ... Wer mehr sucht, wer ganz in
das sehnende, hellseherische, suchende Wesen
dieses großen, unvergleichlichen Dichters ein¬
dringen möchte, der nehme diesen zweiten
Band der „Werke" zur Hand, auf welche ich
schon früher einmal (1913, Heft 23) hin¬
weisen konnte. Wer würde nicht ergriffen
und tief bewegt, wenn er die wundersame
Dichtung „Heureka" studiert, den Versuch
über das geistige und materielle Weltall?
Wer möchte noch wagen, mit wissenschaftlichem
Handwerkszeuge diesen visionären Bekennt¬
nissen zu nahen, welche „den Träumern und
denen, die an Träume als an die einzigen
Wirklichkeiten glauben", gewidmet sind? Ich
will nicht näher darauf eingehen, nicht auf
die tiefsinnigen Dialoge oder die feinen, innig
durchschauerten „romantischen Erzählungen".
Ich möchte nur eines sagen: man vergesse
nie die Schlußworte aus „Heureka" und be¬
trachte unter ihrem Leuchten das Schaffen
und Ringen dieses mächtigen Dichters:
„Mittlerweile bewahrt es in eurer Seele,
daß alles Leben ist — Leben — Leben in
Leben — das kleinere im größeren — und
alles im göttlichen Geiste."

Es bleibt schließlich noch zu sagen, Was
ich auch früher schon betonte: daß sich die
Übersetzung vortrefflich liest (bis auf die An¬
wendung des schrecklichen Wortes „derselbe"),
und daß die Ausstattung köstlich und würdig
ist. Diese verdienstreiche, schöne Ausgabe
muß aufs dringendste und wärmste empfohlen
Lrnst Ludwig Schellcnbcrg Werden.

Der jetzt achtundvierzigjährige Romain
Rolland hat es in Frankreich allmählich zu
einer stillen, tiefwirkenden Berühmtheit ge¬
bracht. Ein Freund der großen Anrcgerin
Malvida von Meysenbug ist er ihr in dein
brennenden Idealismus seelisch verwandt.
Und das Talent wuchs weiter in der stillen
Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und Ver¬
arbeitung der umgebenden geistigen Strö¬
mungen. Er unterliegt ihnen nicht, er be-

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[0059] Maßgebliches und Unmaßgebliches Grade gleich sind, zu ihre:» Rechte zu ver¬ helfen. Das wollen die Forderungen, die Herr Dr. Quandt als übertrieben anführt, eben bewirken; daß sie wissenschaftlich immer relativ zu verstehen sind, fühlt Wohl jeder Psychologisch Gebildete heraus. Es fällt weiterhin der Pr.-O. gar nicht ein, Anwärter aus der Volksschule in Zukunft möglichst ausschließen zu wollen; wegen des Stoffes in Latein, der in der Aufnahme- Prüfung verlangt wird, braucht man keine höhere Schule zu besuchen, das lernt man in Privatstunden auch auf dem kleinsten Dorfe bei dem Pfarrer oder Lehrer. Daß wir aber ein Jahrespensum in Latein verlangen müssen, ist eine pädagogische Notwendigkeit, denn wir können in der zukünftigen Septima nicht zwei fremde Sprachen zu gleicher Zeit be¬ ginnen. Schließlich wirft Herr Dr. Quandt den Anforderungen für die Wahlfähigkeits¬ prüfung zu große Wissenschaftlichkeit vor. Er führt zum Beweise ein Beispiel aus der Physik und Mathematik an und fordert, daß der Lehrer, wenn er sich auf den Boden der Wissenschaftlichkeit begeben will, Probleme zu lösen versuchen soll, die sich aus dem Inneren seines Berufes ergeben. Hat Herr Dr. Quandt gar nicht gelesen, wie sehr die Pr.-O. solche Versuche anregt? Sollten ihm Probleme wie: „das religiöse Leben des Schulorts oder der engeren Heimat, das Studium der Sprechweise der Schulkinder, historische Denkmäler, Geschichte des Schul¬ ortes, Sitten und Gebräuche der Heimat, Abschnitte der Volksschulgeometrie in elemen¬ tarer und wissenschaftlicher Behandlung, An¬ stellung planmäßiger Beobachtungen über die Wirkung Pädagogischer Maßnahmen im eigenen Unterrichte, Untersuchungen über die Gesamt¬ lage der eigenen Schüler in und außerhalb -der Schule" und anderes vollständig ent¬ Dr. G. Heller gangen sein? Achöns Literatur Edgar Allan Poe: Heureka und roman¬ tische Erzählungen. (Verlag I. C. C. Bruns, Minden i. W.) Was weiß man über Edgar Man Poe? Daß er grausige Erzählungen, Kriminal¬ geschichten geschrieben hat. Traurige Weis- heitl . . . Wer liest diese Novellen so, wie sie gemeint sind, als Dokumente innerer Er¬ griffenheit, als Forschungen eines seelischen Spürjägers? Genug, daß bei ihrer Lektüre ein angenehmes Gruseln den Rücken hinauf¬ kriecht. ... Wer mehr sucht, wer ganz in das sehnende, hellseherische, suchende Wesen dieses großen, unvergleichlichen Dichters ein¬ dringen möchte, der nehme diesen zweiten Band der „Werke" zur Hand, auf welche ich schon früher einmal (1913, Heft 23) hin¬ weisen konnte. Wer würde nicht ergriffen und tief bewegt, wenn er die wundersame Dichtung „Heureka" studiert, den Versuch über das geistige und materielle Weltall? Wer möchte noch wagen, mit wissenschaftlichem Handwerkszeuge diesen visionären Bekennt¬ nissen zu nahen, welche „den Träumern und denen, die an Träume als an die einzigen Wirklichkeiten glauben", gewidmet sind? Ich will nicht näher darauf eingehen, nicht auf die tiefsinnigen Dialoge oder die feinen, innig durchschauerten „romantischen Erzählungen". Ich möchte nur eines sagen: man vergesse nie die Schlußworte aus „Heureka" und be¬ trachte unter ihrem Leuchten das Schaffen und Ringen dieses mächtigen Dichters: „Mittlerweile bewahrt es in eurer Seele, daß alles Leben ist — Leben — Leben in Leben — das kleinere im größeren — und alles im göttlichen Geiste." Es bleibt schließlich noch zu sagen, Was ich auch früher schon betonte: daß sich die Übersetzung vortrefflich liest (bis auf die An¬ wendung des schrecklichen Wortes „derselbe"), und daß die Ausstattung köstlich und würdig ist. Diese verdienstreiche, schöne Ausgabe muß aufs dringendste und wärmste empfohlen Lrnst Ludwig Schellcnbcrg Werden. Der jetzt achtundvierzigjährige Romain Rolland hat es in Frankreich allmählich zu einer stillen, tiefwirkenden Berühmtheit ge¬ bracht. Ein Freund der großen Anrcgerin Malvida von Meysenbug ist er ihr in dein brennenden Idealismus seelisch verwandt. Und das Talent wuchs weiter in der stillen Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und Ver¬ arbeitung der umgebenden geistigen Strö¬ mungen. Er unterliegt ihnen nicht, er be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/59>, abgerufen am 09.06.2024.