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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Rassenverhältnisse und die Rassenpolitik Lnqlcmds in Uebersee

den farbigen Soldaten 1:20 beträgt (K. Dove. "Die angelsächsischen Riesen¬
reiche" 1. S. 47). Weit günstiger lauten allerdings die Zahlen für Australien,
wo die Eingeborenen -- hauptsächlich unter dem tötlichen Einfluß des Alkohols
und der völlig veränderten Erwerbsverhältnisse ihrer Heimat -- langsam aber
gewiß aussterben: hier kann man im ganzen Dominium schon etwa acht bis
zehn Europäer auf einen Australschwarzen rechnen; wenn auch streckenweise --
wie zum Beispiel im ganzen Nordterritorium und im Innern -- das Zahlen¬
verhältnis noch geradezu umgekehrt ist.

Auch in der Union von Südafrika weichen die Verhältniszahlen der
einzelnen Staaten nicht unbeträchtlich voneinander ab: rechnet man etwa nach
den Angaben S. Passarges ("Südafrika", S. 309) die Werte der eingeborenen
Bevölkerung gegen die der weißen Rasse auf, so ergibt sich zum Beispiel in der
am günstigsten stehenden Oranjeflußkolonie ein Verhältnis von zwei Weißen
zu drei Schwarzen, während hingegen im Sotholand 550 Schwarze, allerdings
hier meist getaufte, einem einzigen Weißen gegenüberstehen. Das Gesamt¬
verhältnis des Uniongebietes von Südafrika ergibt den Quotienten 1:5, während
im Kernlande, der eigentlichen Kapkolonie, schon ein Weißer auf drei
Schwarze kommt. Dabei vermehrt sich jedoch die farbige, besonders auch die
Negerbevölkerung Südafrikas viel rascher als die weiße; so daß, während nach
obigen Angaben im ganzen Staatsgebiet die Neger etwa vier Fünftel der
Bevölkerung ausmachen, ihre Zahl in einem einzelnen Landesteile mit günstigeren
Wirtschaftsverhältnissen, nämlich Natal, in wenigen Dezennien auf neun Zehntel
gestiegen ist. Auch der Zustrom von Hindus und Chinesen, der von der
britischen Minenindustrie des Golddistriktes ebenso begehrt, wie von der burischen
Bauernschaft des flachen Landes verfehmt wird, hält, trotz zurzeit schärfster
polizeilicher oder Gesetzesmaßregeln, noch immer ungemindert an.

In Australien hingegen hat die gelbe Einwanderung, die zwischen 1851
und 1901 jährlich zwischen 20000 und 30000 Menschen ans Land spülte,
seit etwa zehn Jahren infolge gesetzlicher Maßnahmen praktisch so gut wie ganz
aufgehört: die Zahl gelber Ansiedler soll dort jetzt mit etwa 40000 nur noch
ein knappes Hundertstel der Gesamtbevölkerung ausmachen. -- Dafür vermehrt
sich der Bestand an gelben Arbeitern in mehreren Provinzen des britischen
Indiens, so vor allem in Assam und Ost-Bengalen, wo sie aber im Gegen¬
satz zu den eben genannten mobilen Kukis Südafrikas zum großen Teil siedlungs¬
bedürftige Kleinbauern sind. Bleibt doch nach der amtlichen Statistik von
der Viertelmillion gelber Jndiengänger. die das Hafenamt von Singapur alle
Jahre passieren, etwa die Hälfte in Britisch-Jndien ansässig, um so das schon
von Natur verwirrende Problem der Rassenbildung und Rassenmischung Indiens
noch um einen neuen, bedeutenden Faktor zu vermehren.

Diese bazarartige Buntheit der Rassen und Völkermischung Indiens ist ja
schon geradezu sprichwörtlich geworden, und mit Recht: die Dravida, Khol,
Silb, Parsi, Araber, Tibetaner, um nur einige der bekanntesten Volksteile zu


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den farbigen Soldaten 1:20 beträgt (K. Dove. „Die angelsächsischen Riesen¬
reiche" 1. S. 47). Weit günstiger lauten allerdings die Zahlen für Australien,
wo die Eingeborenen — hauptsächlich unter dem tötlichen Einfluß des Alkohols
und der völlig veränderten Erwerbsverhältnisse ihrer Heimat — langsam aber
gewiß aussterben: hier kann man im ganzen Dominium schon etwa acht bis
zehn Europäer auf einen Australschwarzen rechnen; wenn auch streckenweise —
wie zum Beispiel im ganzen Nordterritorium und im Innern — das Zahlen¬
verhältnis noch geradezu umgekehrt ist.

Auch in der Union von Südafrika weichen die Verhältniszahlen der
einzelnen Staaten nicht unbeträchtlich voneinander ab: rechnet man etwa nach
den Angaben S. Passarges („Südafrika", S. 309) die Werte der eingeborenen
Bevölkerung gegen die der weißen Rasse auf, so ergibt sich zum Beispiel in der
am günstigsten stehenden Oranjeflußkolonie ein Verhältnis von zwei Weißen
zu drei Schwarzen, während hingegen im Sotholand 550 Schwarze, allerdings
hier meist getaufte, einem einzigen Weißen gegenüberstehen. Das Gesamt¬
verhältnis des Uniongebietes von Südafrika ergibt den Quotienten 1:5, während
im Kernlande, der eigentlichen Kapkolonie, schon ein Weißer auf drei
Schwarze kommt. Dabei vermehrt sich jedoch die farbige, besonders auch die
Negerbevölkerung Südafrikas viel rascher als die weiße; so daß, während nach
obigen Angaben im ganzen Staatsgebiet die Neger etwa vier Fünftel der
Bevölkerung ausmachen, ihre Zahl in einem einzelnen Landesteile mit günstigeren
Wirtschaftsverhältnissen, nämlich Natal, in wenigen Dezennien auf neun Zehntel
gestiegen ist. Auch der Zustrom von Hindus und Chinesen, der von der
britischen Minenindustrie des Golddistriktes ebenso begehrt, wie von der burischen
Bauernschaft des flachen Landes verfehmt wird, hält, trotz zurzeit schärfster
polizeilicher oder Gesetzesmaßregeln, noch immer ungemindert an.

In Australien hingegen hat die gelbe Einwanderung, die zwischen 1851
und 1901 jährlich zwischen 20000 und 30000 Menschen ans Land spülte,
seit etwa zehn Jahren infolge gesetzlicher Maßnahmen praktisch so gut wie ganz
aufgehört: die Zahl gelber Ansiedler soll dort jetzt mit etwa 40000 nur noch
ein knappes Hundertstel der Gesamtbevölkerung ausmachen. — Dafür vermehrt
sich der Bestand an gelben Arbeitern in mehreren Provinzen des britischen
Indiens, so vor allem in Assam und Ost-Bengalen, wo sie aber im Gegen¬
satz zu den eben genannten mobilen Kukis Südafrikas zum großen Teil siedlungs¬
bedürftige Kleinbauern sind. Bleibt doch nach der amtlichen Statistik von
der Viertelmillion gelber Jndiengänger. die das Hafenamt von Singapur alle
Jahre passieren, etwa die Hälfte in Britisch-Jndien ansässig, um so das schon
von Natur verwirrende Problem der Rassenbildung und Rassenmischung Indiens
noch um einen neuen, bedeutenden Faktor zu vermehren.

Diese bazarartige Buntheit der Rassen und Völkermischung Indiens ist ja
schon geradezu sprichwörtlich geworden, und mit Recht: die Dravida, Khol,
Silb, Parsi, Araber, Tibetaner, um nur einige der bekanntesten Volksteile zu


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[0101] Rassenverhältnisse und die Rassenpolitik Lnqlcmds in Uebersee den farbigen Soldaten 1:20 beträgt (K. Dove. „Die angelsächsischen Riesen¬ reiche" 1. S. 47). Weit günstiger lauten allerdings die Zahlen für Australien, wo die Eingeborenen — hauptsächlich unter dem tötlichen Einfluß des Alkohols und der völlig veränderten Erwerbsverhältnisse ihrer Heimat — langsam aber gewiß aussterben: hier kann man im ganzen Dominium schon etwa acht bis zehn Europäer auf einen Australschwarzen rechnen; wenn auch streckenweise — wie zum Beispiel im ganzen Nordterritorium und im Innern — das Zahlen¬ verhältnis noch geradezu umgekehrt ist. Auch in der Union von Südafrika weichen die Verhältniszahlen der einzelnen Staaten nicht unbeträchtlich voneinander ab: rechnet man etwa nach den Angaben S. Passarges („Südafrika", S. 309) die Werte der eingeborenen Bevölkerung gegen die der weißen Rasse auf, so ergibt sich zum Beispiel in der am günstigsten stehenden Oranjeflußkolonie ein Verhältnis von zwei Weißen zu drei Schwarzen, während hingegen im Sotholand 550 Schwarze, allerdings hier meist getaufte, einem einzigen Weißen gegenüberstehen. Das Gesamt¬ verhältnis des Uniongebietes von Südafrika ergibt den Quotienten 1:5, während im Kernlande, der eigentlichen Kapkolonie, schon ein Weißer auf drei Schwarze kommt. Dabei vermehrt sich jedoch die farbige, besonders auch die Negerbevölkerung Südafrikas viel rascher als die weiße; so daß, während nach obigen Angaben im ganzen Staatsgebiet die Neger etwa vier Fünftel der Bevölkerung ausmachen, ihre Zahl in einem einzelnen Landesteile mit günstigeren Wirtschaftsverhältnissen, nämlich Natal, in wenigen Dezennien auf neun Zehntel gestiegen ist. Auch der Zustrom von Hindus und Chinesen, der von der britischen Minenindustrie des Golddistriktes ebenso begehrt, wie von der burischen Bauernschaft des flachen Landes verfehmt wird, hält, trotz zurzeit schärfster polizeilicher oder Gesetzesmaßregeln, noch immer ungemindert an. In Australien hingegen hat die gelbe Einwanderung, die zwischen 1851 und 1901 jährlich zwischen 20000 und 30000 Menschen ans Land spülte, seit etwa zehn Jahren infolge gesetzlicher Maßnahmen praktisch so gut wie ganz aufgehört: die Zahl gelber Ansiedler soll dort jetzt mit etwa 40000 nur noch ein knappes Hundertstel der Gesamtbevölkerung ausmachen. — Dafür vermehrt sich der Bestand an gelben Arbeitern in mehreren Provinzen des britischen Indiens, so vor allem in Assam und Ost-Bengalen, wo sie aber im Gegen¬ satz zu den eben genannten mobilen Kukis Südafrikas zum großen Teil siedlungs¬ bedürftige Kleinbauern sind. Bleibt doch nach der amtlichen Statistik von der Viertelmillion gelber Jndiengänger. die das Hafenamt von Singapur alle Jahre passieren, etwa die Hälfte in Britisch-Jndien ansässig, um so das schon von Natur verwirrende Problem der Rassenbildung und Rassenmischung Indiens noch um einen neuen, bedeutenden Faktor zu vermehren. Diese bazarartige Buntheit der Rassen und Völkermischung Indiens ist ja schon geradezu sprichwörtlich geworden, und mit Recht: die Dravida, Khol, Silb, Parsi, Araber, Tibetaner, um nur einige der bekanntesten Volksteile zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/101>, abgerufen am 15.05.2024.