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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Rassenverhältnisse und die Rassenpolitik Englands in Ucbersee

und ähnlich führten auch Kanada und Neuseeland gesetzliche Regelung und
praktische Schutzmaßregeln gegen die große sinojapanische Überflutung ein.
Besonders in diesen pazifischen Gebieten war -- wie der Herausgeber des
Sidnener Hauptblattes des S.-Bulletin im Jahre 1911 mit Recht schrieb --
die Rassenpolitik "nicht mehr eine politische Theorie geblieben, sondern ein
Evangelium geworden" -- "ein Dogma, das auf der Zwangslage beruht,
zwischen nationalem Bestehen und völkischem Selbstmorde zu entscheiden."
(Zitiert im "United Empire". Roy. Col. Just. Journ. N. S. III, 1912, S. 320.)

Was hier vom australischen Politiker zunächst bloß von Australien
selbst gesagt worden war, das bestätigte für Kanada ein so weitblickender
Gelehrter wie F. Vrooman. wenn er in seinem Vortrag über Briiisch-
Columbia der Londoner kolonialen Gesellschaft erklärte: "Die von dem
Volke Großbritanniens, und zwar bald im entscheidende Frage ist die, ob
dieses letzte große Feld der angelsächsischen Rasse, nämlich Westnordamerika,
von einer angelsächsischen Zivilisation besetzt, oder von den Horden fremder,
nicht assimilierbarer Völker überflutet werden solle." (Ib. Seite 463.)
Aber schon das betretene Schweigen der Versammlung und die heftigen Vor¬
würfe einiger Imperialisten mußten dem Manne vom Ostrande des Pazifik
zeigen, daß er mit der Erörterung der Zukunftsfrage des kolonialen Rassen¬
problems in ein Wespennest gestochen hatte, von dem man in England möglichst
wenig zu erfahren gewillt war.

Somit lassen sich die Leitlinien der Rassenpolitik der selbständigen Kolonialen
im Gegensatz zu der Prinzipienlosigkeit der Londoner Regierung selbst, in die
Worte eines neueren englischen Politikers zusammenfassen, daß "diejenigen
Kolonien, die eine asiatische Bevölkerung schon haben, entschlossen sind, sie nicht
weiter anwachsen zu lassen; während diejenigen, welche noch keine haben, gewillt
sind, sich eine solche gänzlich fernzuhalten. . . ."

Von der gemischten Laune aber, mit der man im Mutterlande selbst jenen
Proben eigenständiger Rassenpolitik der Kolonien zusieht, spricht deutlich die
sauersüße Bemerkung des schon soeben erwähnten englischen Kolonialpolitikers,
daß zwar die "Gründe für diese Haltung der Kolonien oft genug erörtert
worden seien; jedoch die Möglichkeit, diese Stellungnahme zu unterstützen, eine
andere (!) und kompliziertere (I) Frage" sei----("United Empire", Roy. Col.
Just. Journ. 1914, Juli. S. 529.)




Rassenverhältnisse und die Rassenpolitik Englands in Ucbersee

und ähnlich führten auch Kanada und Neuseeland gesetzliche Regelung und
praktische Schutzmaßregeln gegen die große sinojapanische Überflutung ein.
Besonders in diesen pazifischen Gebieten war — wie der Herausgeber des
Sidnener Hauptblattes des S.-Bulletin im Jahre 1911 mit Recht schrieb —
die Rassenpolitik „nicht mehr eine politische Theorie geblieben, sondern ein
Evangelium geworden" — „ein Dogma, das auf der Zwangslage beruht,
zwischen nationalem Bestehen und völkischem Selbstmorde zu entscheiden."
(Zitiert im „United Empire". Roy. Col. Just. Journ. N. S. III, 1912, S. 320.)

Was hier vom australischen Politiker zunächst bloß von Australien
selbst gesagt worden war, das bestätigte für Kanada ein so weitblickender
Gelehrter wie F. Vrooman. wenn er in seinem Vortrag über Briiisch-
Columbia der Londoner kolonialen Gesellschaft erklärte: „Die von dem
Volke Großbritanniens, und zwar bald im entscheidende Frage ist die, ob
dieses letzte große Feld der angelsächsischen Rasse, nämlich Westnordamerika,
von einer angelsächsischen Zivilisation besetzt, oder von den Horden fremder,
nicht assimilierbarer Völker überflutet werden solle." (Ib. Seite 463.)
Aber schon das betretene Schweigen der Versammlung und die heftigen Vor¬
würfe einiger Imperialisten mußten dem Manne vom Ostrande des Pazifik
zeigen, daß er mit der Erörterung der Zukunftsfrage des kolonialen Rassen¬
problems in ein Wespennest gestochen hatte, von dem man in England möglichst
wenig zu erfahren gewillt war.

Somit lassen sich die Leitlinien der Rassenpolitik der selbständigen Kolonialen
im Gegensatz zu der Prinzipienlosigkeit der Londoner Regierung selbst, in die
Worte eines neueren englischen Politikers zusammenfassen, daß „diejenigen
Kolonien, die eine asiatische Bevölkerung schon haben, entschlossen sind, sie nicht
weiter anwachsen zu lassen; während diejenigen, welche noch keine haben, gewillt
sind, sich eine solche gänzlich fernzuhalten. . . ."

Von der gemischten Laune aber, mit der man im Mutterlande selbst jenen
Proben eigenständiger Rassenpolitik der Kolonien zusieht, spricht deutlich die
sauersüße Bemerkung des schon soeben erwähnten englischen Kolonialpolitikers,
daß zwar die „Gründe für diese Haltung der Kolonien oft genug erörtert
worden seien; jedoch die Möglichkeit, diese Stellungnahme zu unterstützen, eine
andere (!) und kompliziertere (I) Frage" sei----(„United Empire", Roy. Col.
Just. Journ. 1914, Juli. S. 529.)




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[0105] Rassenverhältnisse und die Rassenpolitik Englands in Ucbersee und ähnlich führten auch Kanada und Neuseeland gesetzliche Regelung und praktische Schutzmaßregeln gegen die große sinojapanische Überflutung ein. Besonders in diesen pazifischen Gebieten war — wie der Herausgeber des Sidnener Hauptblattes des S.-Bulletin im Jahre 1911 mit Recht schrieb — die Rassenpolitik „nicht mehr eine politische Theorie geblieben, sondern ein Evangelium geworden" — „ein Dogma, das auf der Zwangslage beruht, zwischen nationalem Bestehen und völkischem Selbstmorde zu entscheiden." (Zitiert im „United Empire". Roy. Col. Just. Journ. N. S. III, 1912, S. 320.) Was hier vom australischen Politiker zunächst bloß von Australien selbst gesagt worden war, das bestätigte für Kanada ein so weitblickender Gelehrter wie F. Vrooman. wenn er in seinem Vortrag über Briiisch- Columbia der Londoner kolonialen Gesellschaft erklärte: „Die von dem Volke Großbritanniens, und zwar bald im entscheidende Frage ist die, ob dieses letzte große Feld der angelsächsischen Rasse, nämlich Westnordamerika, von einer angelsächsischen Zivilisation besetzt, oder von den Horden fremder, nicht assimilierbarer Völker überflutet werden solle." (Ib. Seite 463.) Aber schon das betretene Schweigen der Versammlung und die heftigen Vor¬ würfe einiger Imperialisten mußten dem Manne vom Ostrande des Pazifik zeigen, daß er mit der Erörterung der Zukunftsfrage des kolonialen Rassen¬ problems in ein Wespennest gestochen hatte, von dem man in England möglichst wenig zu erfahren gewillt war. Somit lassen sich die Leitlinien der Rassenpolitik der selbständigen Kolonialen im Gegensatz zu der Prinzipienlosigkeit der Londoner Regierung selbst, in die Worte eines neueren englischen Politikers zusammenfassen, daß „diejenigen Kolonien, die eine asiatische Bevölkerung schon haben, entschlossen sind, sie nicht weiter anwachsen zu lassen; während diejenigen, welche noch keine haben, gewillt sind, sich eine solche gänzlich fernzuhalten. . . ." Von der gemischten Laune aber, mit der man im Mutterlande selbst jenen Proben eigenständiger Rassenpolitik der Kolonien zusieht, spricht deutlich die sauersüße Bemerkung des schon soeben erwähnten englischen Kolonialpolitikers, daß zwar die „Gründe für diese Haltung der Kolonien oft genug erörtert worden seien; jedoch die Möglichkeit, diese Stellungnahme zu unterstützen, eine andere (!) und kompliziertere (I) Frage" sei----(„United Empire", Roy. Col. Just. Journ. 1914, Juli. S. 529.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/105>, abgerufen am 15.05.2024.