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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Der Kiiea und die Neuphilologen

Noch eine Bemerkung zum Schluß. Hansemann beklagt die Ausländerei, die
ausländische Assistenten in unsere höheren Schulen einführt und die manchen
Lehrer veranlaßt, die jungen Herrchen nach dem Unterricht demütig um Ver¬
besserung seiner Sprachfehler zu bitten. Ob das englisch- und französisch-"Parlierer"
(das Fremdwort, wo es hingehört!) wirklich jenen großen Aufgaben dient, die
wir dem neusprachlichen Unterricht stecken, darüber kann man streiten. Kläglich
ist es immerhin, wenn unsere Jungen nach mehrjährigem französischen Unterricht
nicht imstande sind, einem französischen Vortrag zu folgen oder sich an einer
gebildeten Unterhaltung zu beteiligen. Man muß ja, wenn schon Sprechübungen
gehalten werden, nicht durchaus auf dem Boden des Salons und der Gasse
stehen bleiben, man kann sich auch einmal über ernste Dinge besprechen und
damit zugleich dem jungen Ausländer zu verstehen geben, wie es in deutschen
Schulen zugeht. Jedenfalls, wenn denn einmal das Sprechen der fremden Sprache
gelernt und gelehrt werden soll, dann entspricht es unserer deutschen Art, und vor
allem der Art des neuen Deutschland, für dessen Erschaffung wir unser Herzblut
hergeben wollen, daß es auch so gründlich wie irgend möglich betrieben wird. Die
Schule, die deutsche Schule soll Qualitätsarbeit leisten, wie das deutsche Heer und
die deutsche Flotte, oder sie soll sich möglichst bald begraben lassen. Und wenn
die Qualitätsleistung durch ausländische Assistenten am besten erreicht wird,
worüber die Pädagogen vom Fach sich einigen mögen, dann gehören diese Aus¬
länder eben in die Schule hinein. Es ist niemals demütigend, von jemand zu
lernen, der etwas besser versteht als wir. Sonst wäre es auch demütigend für
den deutschen Universitätsprofessor von vielen Graden, sich einem vielleicht viel jüngeren
Feuerwerker zu fügen, der ihn zum Artilleristen ausbildet. Darüber braucht's nicht
vieler Worte. Wir lernen, wo wir können und sind dem dankbar, von dem wirs
lernen. Eine "servile" Haltung aber brauchen wir ihm gegenüber noch lange
nicht anzunehmen, die soll der deutsche Lehrer überhaupt niemand gegenüber
annehmen, auch seinen allerobersten Vorgesetzten nicht: der krumme Buckel gehört
nicht ins neue Deutsche Reich. Und so zeige er sich denn als gründlicher Meister
und Beherrscher der fremden Kultur, auch dem "kleinen Ausländer" gegenüber,
der, wie meine Erfahrung mich lehrt, in der Entwicklung seiner eigenen Sprache,
Literatur und Gesittung gewöhnlich viel unwissender ist, als unsere meist doch
vortrefflich durchgebildeten Neuphilologen.




Der Kiiea und die Neuphilologen

Noch eine Bemerkung zum Schluß. Hansemann beklagt die Ausländerei, die
ausländische Assistenten in unsere höheren Schulen einführt und die manchen
Lehrer veranlaßt, die jungen Herrchen nach dem Unterricht demütig um Ver¬
besserung seiner Sprachfehler zu bitten. Ob das englisch- und französisch-„Parlierer"
(das Fremdwort, wo es hingehört!) wirklich jenen großen Aufgaben dient, die
wir dem neusprachlichen Unterricht stecken, darüber kann man streiten. Kläglich
ist es immerhin, wenn unsere Jungen nach mehrjährigem französischen Unterricht
nicht imstande sind, einem französischen Vortrag zu folgen oder sich an einer
gebildeten Unterhaltung zu beteiligen. Man muß ja, wenn schon Sprechübungen
gehalten werden, nicht durchaus auf dem Boden des Salons und der Gasse
stehen bleiben, man kann sich auch einmal über ernste Dinge besprechen und
damit zugleich dem jungen Ausländer zu verstehen geben, wie es in deutschen
Schulen zugeht. Jedenfalls, wenn denn einmal das Sprechen der fremden Sprache
gelernt und gelehrt werden soll, dann entspricht es unserer deutschen Art, und vor
allem der Art des neuen Deutschland, für dessen Erschaffung wir unser Herzblut
hergeben wollen, daß es auch so gründlich wie irgend möglich betrieben wird. Die
Schule, die deutsche Schule soll Qualitätsarbeit leisten, wie das deutsche Heer und
die deutsche Flotte, oder sie soll sich möglichst bald begraben lassen. Und wenn
die Qualitätsleistung durch ausländische Assistenten am besten erreicht wird,
worüber die Pädagogen vom Fach sich einigen mögen, dann gehören diese Aus¬
länder eben in die Schule hinein. Es ist niemals demütigend, von jemand zu
lernen, der etwas besser versteht als wir. Sonst wäre es auch demütigend für
den deutschen Universitätsprofessor von vielen Graden, sich einem vielleicht viel jüngeren
Feuerwerker zu fügen, der ihn zum Artilleristen ausbildet. Darüber braucht's nicht
vieler Worte. Wir lernen, wo wir können und sind dem dankbar, von dem wirs
lernen. Eine „servile" Haltung aber brauchen wir ihm gegenüber noch lange
nicht anzunehmen, die soll der deutsche Lehrer überhaupt niemand gegenüber
annehmen, auch seinen allerobersten Vorgesetzten nicht: der krumme Buckel gehört
nicht ins neue Deutsche Reich. Und so zeige er sich denn als gründlicher Meister
und Beherrscher der fremden Kultur, auch dem „kleinen Ausländer" gegenüber,
der, wie meine Erfahrung mich lehrt, in der Entwicklung seiner eigenen Sprache,
Literatur und Gesittung gewöhnlich viel unwissender ist, als unsere meist doch
vortrefflich durchgebildeten Neuphilologen.




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[0162] Der Kiiea und die Neuphilologen Noch eine Bemerkung zum Schluß. Hansemann beklagt die Ausländerei, die ausländische Assistenten in unsere höheren Schulen einführt und die manchen Lehrer veranlaßt, die jungen Herrchen nach dem Unterricht demütig um Ver¬ besserung seiner Sprachfehler zu bitten. Ob das englisch- und französisch-„Parlierer" (das Fremdwort, wo es hingehört!) wirklich jenen großen Aufgaben dient, die wir dem neusprachlichen Unterricht stecken, darüber kann man streiten. Kläglich ist es immerhin, wenn unsere Jungen nach mehrjährigem französischen Unterricht nicht imstande sind, einem französischen Vortrag zu folgen oder sich an einer gebildeten Unterhaltung zu beteiligen. Man muß ja, wenn schon Sprechübungen gehalten werden, nicht durchaus auf dem Boden des Salons und der Gasse stehen bleiben, man kann sich auch einmal über ernste Dinge besprechen und damit zugleich dem jungen Ausländer zu verstehen geben, wie es in deutschen Schulen zugeht. Jedenfalls, wenn denn einmal das Sprechen der fremden Sprache gelernt und gelehrt werden soll, dann entspricht es unserer deutschen Art, und vor allem der Art des neuen Deutschland, für dessen Erschaffung wir unser Herzblut hergeben wollen, daß es auch so gründlich wie irgend möglich betrieben wird. Die Schule, die deutsche Schule soll Qualitätsarbeit leisten, wie das deutsche Heer und die deutsche Flotte, oder sie soll sich möglichst bald begraben lassen. Und wenn die Qualitätsleistung durch ausländische Assistenten am besten erreicht wird, worüber die Pädagogen vom Fach sich einigen mögen, dann gehören diese Aus¬ länder eben in die Schule hinein. Es ist niemals demütigend, von jemand zu lernen, der etwas besser versteht als wir. Sonst wäre es auch demütigend für den deutschen Universitätsprofessor von vielen Graden, sich einem vielleicht viel jüngeren Feuerwerker zu fügen, der ihn zum Artilleristen ausbildet. Darüber braucht's nicht vieler Worte. Wir lernen, wo wir können und sind dem dankbar, von dem wirs lernen. Eine „servile" Haltung aber brauchen wir ihm gegenüber noch lange nicht anzunehmen, die soll der deutsche Lehrer überhaupt niemand gegenüber annehmen, auch seinen allerobersten Vorgesetzten nicht: der krumme Buckel gehört nicht ins neue Deutsche Reich. Und so zeige er sich denn als gründlicher Meister und Beherrscher der fremden Kultur, auch dem „kleinen Ausländer" gegenüber, der, wie meine Erfahrung mich lehrt, in der Entwicklung seiner eigenen Sprache, Literatur und Gesittung gewöhnlich viel unwissender ist, als unsere meist doch vortrefflich durchgebildeten Neuphilologen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/162>, abgerufen am 15.05.2024.