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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Ariegerische Volkspoesie

seinen Siegen kam. Diese Siege brachten zum ersten Male wieder patriotische
Wärme ins Land und ließen zumal den Soldaten die Härte der Werbung und
des Dienstes über dem Stolze, ein preußischer Soldat zu sein, das heißt dem
tüchtigsten aller Heere anzugehören, vergessen.

Dazu kam das noch viel stärkere Gefühl, eben ein Soldat des alten Fritzen
zu sein. Das galt ihm noch höher als die Ehre, im preußischen Heere zu dienen.
Die Persönlichkeit dieses einsamen Monarchen, der trotz seiner herben und
verschwiegenen Größe doch, menschlicher als sein Vater, es verstand, zu seinen
Soldaten in ein patriarchalisches Verhältnis zu treten, bildete künftig den Mittel¬
punkt des Soldatensangs:

Ferner waren da seine Helden und Generäle, seine Siege und seine Schlachten,
die den Stoff hergaben, überhaupt bekam die ganze Poesie einen anderen Schwung,
es gab Töne, wie man sie früher nie gehört:

[Beginn Spaltensatz] Die Sonne scheint über die Berge
Am blauen Himmelszelt;
Ha, lustig, ihr Brüder, wir müssen
Jetzt wieder rücken ins FeldI Fridericus ruft, unser König:
Alles frisch ins Gewehr I
Es wollen so viele Feinde
Auf unsere Preußen daher. [Spaltenumbruch] Sstreicher, Russen und Sachsen,
Franzosen, die schwören zum Streit,
Die wollen uns ganz auffressen,
Zeigt, daß ihr Kerles Seidl Fridericus, seie nicht bange,
Wir werden schon fertig mit sie;
Tu du uns nur kommandieren,
So pfeffern wir ihnen die Brühl [Ende Spaltensatz]

Man fühlt geradezu den fröhlichen Pulsschlag, der damals die Soldaten¬
herzen belebte, niemals war die Volkspoesie so reich an lebendigen Schilderungen,
niemals so voll von Humor und Forschheit wie in jener Zeit. Es war eben
ein siegendes und steggewohntes Heer, das sang. Da fanden sie denn zu dem
zündenden Hohenfriedberger Marsch die zündenden Worte:

Auf, Anspach-Dragoner, auf Anspach-Bayreuth!
schnäll um deinen Säbel und rüste dich zum Streit!
Prinz Karl ist erschienen auf Friedbergs Höhn,
Sich das preußische Heer mal anzusehn.
Drum, Kinder, seid lustig und allesamt bereit:
Auf, Anspnch-Dragoner, auf, Anspach-Bayreuth l
"Haben Sie keine Angst, Herr Oberst von Schwerin!
Ein preußischer Dragoner tut niemals nicht fliehnl
Und stünden sie auch noch so dicht auf Friedbergs Höh',
Wir reiten sie zusammen wie Frühlingsschnee."
Ob Säbel, .Kanon, ob Kleingewehr uns dräut:
Auf, Anspach-Dragoner, auf, Anspach-Bayreuth!
Halt! Anspach-Dragoner, halt! Anspach-Bayreuth!
schnäll ab deinen Säbel, laß ab vom StreitI
Denn ringsumher auf Friedbergs Höhn
Ist weit und breit kein Feind mehr zu sehn.
Und ruft unser König, zur Stelle sind wir heut.
Auf, Anspach-Dragoner, auf, Anspach-Bayreuth!

Ariegerische Volkspoesie

seinen Siegen kam. Diese Siege brachten zum ersten Male wieder patriotische
Wärme ins Land und ließen zumal den Soldaten die Härte der Werbung und
des Dienstes über dem Stolze, ein preußischer Soldat zu sein, das heißt dem
tüchtigsten aller Heere anzugehören, vergessen.

Dazu kam das noch viel stärkere Gefühl, eben ein Soldat des alten Fritzen
zu sein. Das galt ihm noch höher als die Ehre, im preußischen Heere zu dienen.
Die Persönlichkeit dieses einsamen Monarchen, der trotz seiner herben und
verschwiegenen Größe doch, menschlicher als sein Vater, es verstand, zu seinen
Soldaten in ein patriarchalisches Verhältnis zu treten, bildete künftig den Mittel¬
punkt des Soldatensangs:

Ferner waren da seine Helden und Generäle, seine Siege und seine Schlachten,
die den Stoff hergaben, überhaupt bekam die ganze Poesie einen anderen Schwung,
es gab Töne, wie man sie früher nie gehört:

[Beginn Spaltensatz] Die Sonne scheint über die Berge
Am blauen Himmelszelt;
Ha, lustig, ihr Brüder, wir müssen
Jetzt wieder rücken ins FeldI Fridericus ruft, unser König:
Alles frisch ins Gewehr I
Es wollen so viele Feinde
Auf unsere Preußen daher. [Spaltenumbruch] Sstreicher, Russen und Sachsen,
Franzosen, die schwören zum Streit,
Die wollen uns ganz auffressen,
Zeigt, daß ihr Kerles Seidl Fridericus, seie nicht bange,
Wir werden schon fertig mit sie;
Tu du uns nur kommandieren,
So pfeffern wir ihnen die Brühl [Ende Spaltensatz]

Man fühlt geradezu den fröhlichen Pulsschlag, der damals die Soldaten¬
herzen belebte, niemals war die Volkspoesie so reich an lebendigen Schilderungen,
niemals so voll von Humor und Forschheit wie in jener Zeit. Es war eben
ein siegendes und steggewohntes Heer, das sang. Da fanden sie denn zu dem
zündenden Hohenfriedberger Marsch die zündenden Worte:

Auf, Anspach-Dragoner, auf Anspach-Bayreuth!
schnäll um deinen Säbel und rüste dich zum Streit!
Prinz Karl ist erschienen auf Friedbergs Höhn,
Sich das preußische Heer mal anzusehn.
Drum, Kinder, seid lustig und allesamt bereit:
Auf, Anspnch-Dragoner, auf, Anspach-Bayreuth l
„Haben Sie keine Angst, Herr Oberst von Schwerin!
Ein preußischer Dragoner tut niemals nicht fliehnl
Und stünden sie auch noch so dicht auf Friedbergs Höh',
Wir reiten sie zusammen wie Frühlingsschnee."
Ob Säbel, .Kanon, ob Kleingewehr uns dräut:
Auf, Anspach-Dragoner, auf, Anspach-Bayreuth!
Halt! Anspach-Dragoner, halt! Anspach-Bayreuth!
schnäll ab deinen Säbel, laß ab vom StreitI
Denn ringsumher auf Friedbergs Höhn
Ist weit und breit kein Feind mehr zu sehn.
Und ruft unser König, zur Stelle sind wir heut.
Auf, Anspach-Dragoner, auf, Anspach-Bayreuth!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/197>, abgerufen am 31.05.2024.