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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Japans Presse und öffentliche Meinung während des lvellkrieges

haben diese in der Form großer Aktiengesellschaften auftretenden Organe der
britischen Finanzaristokratie ihre Tätigkeit unter der Provinzbevölkerung natürlich
verdoppelt, angesichts der Gefahr, infolge der herrschenden arti-europäischen
Stimmung in weiten Kreisen des Volkes das im Frieden erreichte wieder ver¬
lieren zu müssen. Das japanische Volk ist eben gesund und sehr schwer beein¬
flußbar. Es ist zu erwarten, daß mit der fortschreitenden Ausbreitung einer
guten Schulbildung politische Urteilsfähigkeit in ausgedehnterem Maß als bisher
im Volke herrschen wird, so daß den von der korrupten Großstadtpresse
systematisch unternommenen Raubzügen die Aussicht auf dauernden Erfolg
illusorisch gemacht wird.

Wie sich aus Zeitungsberichten aus Japan entnehmen läßt, steht das
Land vor wichtigen innerpolitischen Ereignissen, die in der öffentlichen Meinung
des Volkes undeutlich, gleichsam ihre Schatten vorauswerfend, zum Ausdruck
kommen. Heer und Marine haben den Bogen überspannt. Die lange Jahre
genährte Unzufriedenheit wird durch das kühne und anscheinend erfolgreiche Auf¬
treten Japans in China auf den Friedensschluß vertröstet. Durch eilige,
geradezu überstürzte öffentliche und private Maßnahmen, durch reichliche Unter¬
stützung einzelner Teile des notleidenden Volkskörpers wird der Ausbruch
gefährlicher Unruhen hinausgeschoben. Die besonnene Presse, die auch heute
noch in der Mehrheit ist, vermeidet ängstlich allzulautes Kriegsgerassel; in
flammenden Ausrufer, unter Verheißung baldiger wirtschaftlicher Reformen,
wird die Aufmerksamkeit des Volkes auf die ja nun einmal als Halbgott ver¬
ehrte Gestalt des Kaisers gelenkt, der berufen sei, "das Ideal eines jeden
Japaners: Asien den Asiaten, jedoch unter japanischer Führung" der Erfüllung
nahezubringen.




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Japans Presse und öffentliche Meinung während des lvellkrieges

haben diese in der Form großer Aktiengesellschaften auftretenden Organe der
britischen Finanzaristokratie ihre Tätigkeit unter der Provinzbevölkerung natürlich
verdoppelt, angesichts der Gefahr, infolge der herrschenden arti-europäischen
Stimmung in weiten Kreisen des Volkes das im Frieden erreichte wieder ver¬
lieren zu müssen. Das japanische Volk ist eben gesund und sehr schwer beein¬
flußbar. Es ist zu erwarten, daß mit der fortschreitenden Ausbreitung einer
guten Schulbildung politische Urteilsfähigkeit in ausgedehnterem Maß als bisher
im Volke herrschen wird, so daß den von der korrupten Großstadtpresse
systematisch unternommenen Raubzügen die Aussicht auf dauernden Erfolg
illusorisch gemacht wird.

Wie sich aus Zeitungsberichten aus Japan entnehmen läßt, steht das
Land vor wichtigen innerpolitischen Ereignissen, die in der öffentlichen Meinung
des Volkes undeutlich, gleichsam ihre Schatten vorauswerfend, zum Ausdruck
kommen. Heer und Marine haben den Bogen überspannt. Die lange Jahre
genährte Unzufriedenheit wird durch das kühne und anscheinend erfolgreiche Auf¬
treten Japans in China auf den Friedensschluß vertröstet. Durch eilige,
geradezu überstürzte öffentliche und private Maßnahmen, durch reichliche Unter¬
stützung einzelner Teile des notleidenden Volkskörpers wird der Ausbruch
gefährlicher Unruhen hinausgeschoben. Die besonnene Presse, die auch heute
noch in der Mehrheit ist, vermeidet ängstlich allzulautes Kriegsgerassel; in
flammenden Ausrufer, unter Verheißung baldiger wirtschaftlicher Reformen,
wird die Aufmerksamkeit des Volkes auf die ja nun einmal als Halbgott ver¬
ehrte Gestalt des Kaisers gelenkt, der berufen sei, „das Ideal eines jeden
Japaners: Asien den Asiaten, jedoch unter japanischer Führung" der Erfüllung
nahezubringen.




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[0383] Japans Presse und öffentliche Meinung während des lvellkrieges haben diese in der Form großer Aktiengesellschaften auftretenden Organe der britischen Finanzaristokratie ihre Tätigkeit unter der Provinzbevölkerung natürlich verdoppelt, angesichts der Gefahr, infolge der herrschenden arti-europäischen Stimmung in weiten Kreisen des Volkes das im Frieden erreichte wieder ver¬ lieren zu müssen. Das japanische Volk ist eben gesund und sehr schwer beein¬ flußbar. Es ist zu erwarten, daß mit der fortschreitenden Ausbreitung einer guten Schulbildung politische Urteilsfähigkeit in ausgedehnterem Maß als bisher im Volke herrschen wird, so daß den von der korrupten Großstadtpresse systematisch unternommenen Raubzügen die Aussicht auf dauernden Erfolg illusorisch gemacht wird. Wie sich aus Zeitungsberichten aus Japan entnehmen läßt, steht das Land vor wichtigen innerpolitischen Ereignissen, die in der öffentlichen Meinung des Volkes undeutlich, gleichsam ihre Schatten vorauswerfend, zum Ausdruck kommen. Heer und Marine haben den Bogen überspannt. Die lange Jahre genährte Unzufriedenheit wird durch das kühne und anscheinend erfolgreiche Auf¬ treten Japans in China auf den Friedensschluß vertröstet. Durch eilige, geradezu überstürzte öffentliche und private Maßnahmen, durch reichliche Unter¬ stützung einzelner Teile des notleidenden Volkskörpers wird der Ausbruch gefährlicher Unruhen hinausgeschoben. Die besonnene Presse, die auch heute noch in der Mehrheit ist, vermeidet ängstlich allzulautes Kriegsgerassel; in flammenden Ausrufer, unter Verheißung baldiger wirtschaftlicher Reformen, wird die Aufmerksamkeit des Volkes auf die ja nun einmal als Halbgott ver¬ ehrte Gestalt des Kaisers gelenkt, der berufen sei, „das Ideal eines jeden Japaners: Asien den Asiaten, jedoch unter japanischer Führung" der Erfüllung nahezubringen. 24*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/383>, abgerufen am 14.05.2024.