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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Die Linkommenvermehrungssteuer als Ariegsabgabe

stand (20000 Mark) zugeschnitten und muß sich gewaltig einschränken, wenn
sein Einkommen plötzlich auf 8000 Mark herabsinkt. Ferner ist es stets ein
Grundsatz guter Finanzpolitik gewesen, eine Steuer dann zu erheben, wenn sie
von dem Steuerpflichtigen gern gezahlt wird. Der Steuerpflichtige, der sein
Einkommen vermehrt, zahlt aus Freude über diese Vermehrung gern einen
besonderen Zuschlag. In Friedenszeiten mag gegen diese Ausführungen der
Einwand erhoben werden, daß, wenn eine Einkommensvermehrung eine Er¬
höhung des normalen Steuersatzes bedingt, umgekehrt eine Verminderung des
Einkommens eine entsprechende Ermäßigung des Steuersatzes nach sich ziehen
müsse. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Wollte man, was vom rein
theoretischen Standpunkte aus vielleicht angebracht wäre, diesem Einwände statt¬
geben, so müßte man in unserem heutigen Einkommensteuersystem konsequenter¬
weise auch dann, wenn jemand in einem Jahre kein Einkommen, sondern eine
Unterbilanz erzielt, dem Steuerpflichtigen aus Staatsmitteln einen der Unter¬
bilanz entsprechenden Satz zuschießen. Ein derartiger Vorschlag ist aber bisher
im Ernste noch nie gemacht worden. In Kriegszeiten ist aber unser Vorschlag
der steuerlichen Erfassung der Einkommensvermehrung ganz besonders am
Platze. Der Krieg bringt es mit sich, daß bei dem größten Teil der erwerbs-
tätigen Bevölkerung das Einkommen sprunghaft heruntergeht. Trotzdem tritt
bei einem anderen Teil der Bevölkerung, zum Beispiel bei allen Lieferanten von
Heeresbedarfsartikeln usw. eine Sprunghafte Erhöhung des Einkommens ein.
Unser Billigkeitsempfinden erfordert es, daß alle diejenigen, die es verstanden
haben, trotz des allgemeinen Notstandes ihr Einkommen zu erhöhen, mit einer
besonderen Steuer belegt werden.

Die Steuer auf die Vermehrung des Einkommens darf unseres Erachtens
eine verhältnismäßig hohe sein; wenigstens sollte sie während der Kriegszeit
recht hoch sein. Wir hätten dann in ihr die "Steuer auf Kriegsgewinne".
Schon vorn hatten wir erwähnt, daß derjenige, dessen Einkommen sich gegen¬
über dem Vorjahre erhöht, sich in einer wirtschaftlich besonders günstigen Lage
befindet. Es wird den Regelfall bilden, daß er die genannte Vermehrung
seines Einkommens zur Bestreitung notwendiger Lebensbedürfnisse nicht nötig
hat. Erhebt man somit von der bloßen Vermehrung des Einkommens eine
Steuer von 10 Prozent, so wird man diesen Satz mit Rücksicht auf den an¬
geführten Gedankengang noch als niedrig bezeichnen müssen. Selbstverständlich
würde hierbei zu berücksichtigen sein, daß ein bestimmtes Existenzminimum dem
Steuerpflichtigen ohne wesentliche Steuerbelastung verbleiben muß. Die Be¬
steuerung der Etnkommensvermehrung kann also erst von einem bestimmten
Einkommen ab (etwa 6000 Mary eintreten. Auch für sie könnte, wie bei
unseren jetzigen normalen Steuersätzen, eine Progression eingeführt werden in
der Weise, daß eine Emkommensvermehrung von zum Beispiel 1000 Mark mit
5 Prozent, eine solche von 2000 Mark mit 6 Prozent usw. versteuert wird.
Es könnte auch an eine weitere Progression gedacht werden, welche das Ver-


Die Linkommenvermehrungssteuer als Ariegsabgabe

stand (20000 Mark) zugeschnitten und muß sich gewaltig einschränken, wenn
sein Einkommen plötzlich auf 8000 Mark herabsinkt. Ferner ist es stets ein
Grundsatz guter Finanzpolitik gewesen, eine Steuer dann zu erheben, wenn sie
von dem Steuerpflichtigen gern gezahlt wird. Der Steuerpflichtige, der sein
Einkommen vermehrt, zahlt aus Freude über diese Vermehrung gern einen
besonderen Zuschlag. In Friedenszeiten mag gegen diese Ausführungen der
Einwand erhoben werden, daß, wenn eine Einkommensvermehrung eine Er¬
höhung des normalen Steuersatzes bedingt, umgekehrt eine Verminderung des
Einkommens eine entsprechende Ermäßigung des Steuersatzes nach sich ziehen
müsse. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Wollte man, was vom rein
theoretischen Standpunkte aus vielleicht angebracht wäre, diesem Einwände statt¬
geben, so müßte man in unserem heutigen Einkommensteuersystem konsequenter¬
weise auch dann, wenn jemand in einem Jahre kein Einkommen, sondern eine
Unterbilanz erzielt, dem Steuerpflichtigen aus Staatsmitteln einen der Unter¬
bilanz entsprechenden Satz zuschießen. Ein derartiger Vorschlag ist aber bisher
im Ernste noch nie gemacht worden. In Kriegszeiten ist aber unser Vorschlag
der steuerlichen Erfassung der Einkommensvermehrung ganz besonders am
Platze. Der Krieg bringt es mit sich, daß bei dem größten Teil der erwerbs-
tätigen Bevölkerung das Einkommen sprunghaft heruntergeht. Trotzdem tritt
bei einem anderen Teil der Bevölkerung, zum Beispiel bei allen Lieferanten von
Heeresbedarfsartikeln usw. eine Sprunghafte Erhöhung des Einkommens ein.
Unser Billigkeitsempfinden erfordert es, daß alle diejenigen, die es verstanden
haben, trotz des allgemeinen Notstandes ihr Einkommen zu erhöhen, mit einer
besonderen Steuer belegt werden.

Die Steuer auf die Vermehrung des Einkommens darf unseres Erachtens
eine verhältnismäßig hohe sein; wenigstens sollte sie während der Kriegszeit
recht hoch sein. Wir hätten dann in ihr die „Steuer auf Kriegsgewinne".
Schon vorn hatten wir erwähnt, daß derjenige, dessen Einkommen sich gegen¬
über dem Vorjahre erhöht, sich in einer wirtschaftlich besonders günstigen Lage
befindet. Es wird den Regelfall bilden, daß er die genannte Vermehrung
seines Einkommens zur Bestreitung notwendiger Lebensbedürfnisse nicht nötig
hat. Erhebt man somit von der bloßen Vermehrung des Einkommens eine
Steuer von 10 Prozent, so wird man diesen Satz mit Rücksicht auf den an¬
geführten Gedankengang noch als niedrig bezeichnen müssen. Selbstverständlich
würde hierbei zu berücksichtigen sein, daß ein bestimmtes Existenzminimum dem
Steuerpflichtigen ohne wesentliche Steuerbelastung verbleiben muß. Die Be¬
steuerung der Etnkommensvermehrung kann also erst von einem bestimmten
Einkommen ab (etwa 6000 Mary eintreten. Auch für sie könnte, wie bei
unseren jetzigen normalen Steuersätzen, eine Progression eingeführt werden in
der Weise, daß eine Emkommensvermehrung von zum Beispiel 1000 Mark mit
5 Prozent, eine solche von 2000 Mark mit 6 Prozent usw. versteuert wird.
Es könnte auch an eine weitere Progression gedacht werden, welche das Ver-


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[0398] Die Linkommenvermehrungssteuer als Ariegsabgabe stand (20000 Mark) zugeschnitten und muß sich gewaltig einschränken, wenn sein Einkommen plötzlich auf 8000 Mark herabsinkt. Ferner ist es stets ein Grundsatz guter Finanzpolitik gewesen, eine Steuer dann zu erheben, wenn sie von dem Steuerpflichtigen gern gezahlt wird. Der Steuerpflichtige, der sein Einkommen vermehrt, zahlt aus Freude über diese Vermehrung gern einen besonderen Zuschlag. In Friedenszeiten mag gegen diese Ausführungen der Einwand erhoben werden, daß, wenn eine Einkommensvermehrung eine Er¬ höhung des normalen Steuersatzes bedingt, umgekehrt eine Verminderung des Einkommens eine entsprechende Ermäßigung des Steuersatzes nach sich ziehen müsse. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Wollte man, was vom rein theoretischen Standpunkte aus vielleicht angebracht wäre, diesem Einwände statt¬ geben, so müßte man in unserem heutigen Einkommensteuersystem konsequenter¬ weise auch dann, wenn jemand in einem Jahre kein Einkommen, sondern eine Unterbilanz erzielt, dem Steuerpflichtigen aus Staatsmitteln einen der Unter¬ bilanz entsprechenden Satz zuschießen. Ein derartiger Vorschlag ist aber bisher im Ernste noch nie gemacht worden. In Kriegszeiten ist aber unser Vorschlag der steuerlichen Erfassung der Einkommensvermehrung ganz besonders am Platze. Der Krieg bringt es mit sich, daß bei dem größten Teil der erwerbs- tätigen Bevölkerung das Einkommen sprunghaft heruntergeht. Trotzdem tritt bei einem anderen Teil der Bevölkerung, zum Beispiel bei allen Lieferanten von Heeresbedarfsartikeln usw. eine Sprunghafte Erhöhung des Einkommens ein. Unser Billigkeitsempfinden erfordert es, daß alle diejenigen, die es verstanden haben, trotz des allgemeinen Notstandes ihr Einkommen zu erhöhen, mit einer besonderen Steuer belegt werden. Die Steuer auf die Vermehrung des Einkommens darf unseres Erachtens eine verhältnismäßig hohe sein; wenigstens sollte sie während der Kriegszeit recht hoch sein. Wir hätten dann in ihr die „Steuer auf Kriegsgewinne". Schon vorn hatten wir erwähnt, daß derjenige, dessen Einkommen sich gegen¬ über dem Vorjahre erhöht, sich in einer wirtschaftlich besonders günstigen Lage befindet. Es wird den Regelfall bilden, daß er die genannte Vermehrung seines Einkommens zur Bestreitung notwendiger Lebensbedürfnisse nicht nötig hat. Erhebt man somit von der bloßen Vermehrung des Einkommens eine Steuer von 10 Prozent, so wird man diesen Satz mit Rücksicht auf den an¬ geführten Gedankengang noch als niedrig bezeichnen müssen. Selbstverständlich würde hierbei zu berücksichtigen sein, daß ein bestimmtes Existenzminimum dem Steuerpflichtigen ohne wesentliche Steuerbelastung verbleiben muß. Die Be¬ steuerung der Etnkommensvermehrung kann also erst von einem bestimmten Einkommen ab (etwa 6000 Mary eintreten. Auch für sie könnte, wie bei unseren jetzigen normalen Steuersätzen, eine Progression eingeführt werden in der Weise, daß eine Emkommensvermehrung von zum Beispiel 1000 Mark mit 5 Prozent, eine solche von 2000 Mark mit 6 Prozent usw. versteuert wird. Es könnte auch an eine weitere Progression gedacht werden, welche das Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/398>, abgerufen am 15.05.2024.