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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Der Rückgang der englischen Aohlenausfuhr und ihre Folgen

Vertragstreue" würde in Gestalt einer gewaltigen Kohlenteuerung und Kohlen¬
knappheit und außerdem mit der erzwungenen Sperrung des Suezkanals, von
der die Türken bisher nur Italien zuliebe abgesehen haben, eine höchst
empfindliche Strafe sogleich auf dem Fuße folgen.

Alle diese Folgen der erschwerten Kohlenversorgung einzelner Länder durch
England haben immerhin in der Hauptsache nur Bedeutung für die jeweilig
betroffenen Länder selbst. Von allgemeinerer und weitertragender Wirkung muß
aber die ausnehmend hohe Erschwerung sein, welche die Versorgung der fried¬
lichen Handelshafen und der in ihnen verkehrenden Schiffe mit den benötigten
Kohlenmengen bereitet. Ein großer Teil der Weltschiffahrt ist nun einmal an
die englische Kohle gewöhnt, deren Heizwert ja unerreicht ist und die daher mit
einem Minimum an Quantität die jeweilig gewünschten Leistungen zu voll¬
bringen gestattet. Wird die beste englische Kohle der Schiffahrt in den
europäischen, afrikanischen, asiatischen und anderen Häfen auch nur zum großen
Teil entzogen, so werden unabsehbare Folgeerscheinungen zu verzeichnen
sein. Soweit in den Häfen nicht ein ausnehmend großer Kohlenvorrat
lagert, wird die Versorgung vielfach geradezu unmöglich sein, und die Kohle,
die in ungenügenden Mengen noch angeliefert werden kann, wird sich so teuer
stellen, daß alle für normale Friedenszeiten geltenden Rentabilitätsberechnungen
der Reedereien über den Haufen geworden werden. Wollen sich die Dampfer
aber für die Dauer des Krieges von der allzusehr verteuerten und nur spärlich
zu beschaffender englischen Kohle freimachen und sich mit geringwertiger Kohle
begnügen, so sind die Verhältnisse auch um nicht viel gebessert. Die leichter erhältliche,
von den Kriegswirren nicht berührte andere Kohle, meinetwegen japanische oder
amerikanische Kohle, mag viel billiger sein als die englische, aber sie muß an
Quantität ersetzen, was ihr an Qualität abgeht. Trotzdem mag es bei der
gewaltigen Preisspannung zwischen englischer und überseeischer Kohle für viele
Fahrten zweckmäßig sein, auf die englische Kohle zugunsten der fremden zu
verzichten. Voraussetzung freilich ist dabei, daß die Kohlenräume der Schiffe
darauf eingerichtet sind, die stark erhöhte Kohlenquantität aufzunehmen und daß
die Fahrzeuge nicht gezwungen werden, vom nutzbringenden Frachtenraum
abzugeben, um nur die ausreichende Kohlenversorgung zu ermöglichen. Die¬
jenigen Schiffe aber, die in der Lage sind, sich von der englischen Kohle zu
emanzipieren, ohne die Rentabilität ihrer Fahrten zu gefährden, könnten sich
dann leicht im Kriege derart an die billigere nichtenglische Kohle gewöhnen,
daß sie auch im Frieden zu ihrer alten Liebe nicht wieder zurückkehren. Im
einen wie im anderen Falle ist das englische Wirtschaftsleben der leidtragende
Teil -- und damit wäre wieder ein bedeutender Erfolg in dem uns auf¬
gezwungenen Wirtschaftskrieg für Deutschland errungen!




Der Rückgang der englischen Aohlenausfuhr und ihre Folgen

Vertragstreue" würde in Gestalt einer gewaltigen Kohlenteuerung und Kohlen¬
knappheit und außerdem mit der erzwungenen Sperrung des Suezkanals, von
der die Türken bisher nur Italien zuliebe abgesehen haben, eine höchst
empfindliche Strafe sogleich auf dem Fuße folgen.

Alle diese Folgen der erschwerten Kohlenversorgung einzelner Länder durch
England haben immerhin in der Hauptsache nur Bedeutung für die jeweilig
betroffenen Länder selbst. Von allgemeinerer und weitertragender Wirkung muß
aber die ausnehmend hohe Erschwerung sein, welche die Versorgung der fried¬
lichen Handelshafen und der in ihnen verkehrenden Schiffe mit den benötigten
Kohlenmengen bereitet. Ein großer Teil der Weltschiffahrt ist nun einmal an
die englische Kohle gewöhnt, deren Heizwert ja unerreicht ist und die daher mit
einem Minimum an Quantität die jeweilig gewünschten Leistungen zu voll¬
bringen gestattet. Wird die beste englische Kohle der Schiffahrt in den
europäischen, afrikanischen, asiatischen und anderen Häfen auch nur zum großen
Teil entzogen, so werden unabsehbare Folgeerscheinungen zu verzeichnen
sein. Soweit in den Häfen nicht ein ausnehmend großer Kohlenvorrat
lagert, wird die Versorgung vielfach geradezu unmöglich sein, und die Kohle,
die in ungenügenden Mengen noch angeliefert werden kann, wird sich so teuer
stellen, daß alle für normale Friedenszeiten geltenden Rentabilitätsberechnungen
der Reedereien über den Haufen geworden werden. Wollen sich die Dampfer
aber für die Dauer des Krieges von der allzusehr verteuerten und nur spärlich
zu beschaffender englischen Kohle freimachen und sich mit geringwertiger Kohle
begnügen, so sind die Verhältnisse auch um nicht viel gebessert. Die leichter erhältliche,
von den Kriegswirren nicht berührte andere Kohle, meinetwegen japanische oder
amerikanische Kohle, mag viel billiger sein als die englische, aber sie muß an
Quantität ersetzen, was ihr an Qualität abgeht. Trotzdem mag es bei der
gewaltigen Preisspannung zwischen englischer und überseeischer Kohle für viele
Fahrten zweckmäßig sein, auf die englische Kohle zugunsten der fremden zu
verzichten. Voraussetzung freilich ist dabei, daß die Kohlenräume der Schiffe
darauf eingerichtet sind, die stark erhöhte Kohlenquantität aufzunehmen und daß
die Fahrzeuge nicht gezwungen werden, vom nutzbringenden Frachtenraum
abzugeben, um nur die ausreichende Kohlenversorgung zu ermöglichen. Die¬
jenigen Schiffe aber, die in der Lage sind, sich von der englischen Kohle zu
emanzipieren, ohne die Rentabilität ihrer Fahrten zu gefährden, könnten sich
dann leicht im Kriege derart an die billigere nichtenglische Kohle gewöhnen,
daß sie auch im Frieden zu ihrer alten Liebe nicht wieder zurückkehren. Im
einen wie im anderen Falle ist das englische Wirtschaftsleben der leidtragende
Teil — und damit wäre wieder ein bedeutender Erfolg in dem uns auf¬
gezwungenen Wirtschaftskrieg für Deutschland errungen!




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[0187] Der Rückgang der englischen Aohlenausfuhr und ihre Folgen Vertragstreue" würde in Gestalt einer gewaltigen Kohlenteuerung und Kohlen¬ knappheit und außerdem mit der erzwungenen Sperrung des Suezkanals, von der die Türken bisher nur Italien zuliebe abgesehen haben, eine höchst empfindliche Strafe sogleich auf dem Fuße folgen. Alle diese Folgen der erschwerten Kohlenversorgung einzelner Länder durch England haben immerhin in der Hauptsache nur Bedeutung für die jeweilig betroffenen Länder selbst. Von allgemeinerer und weitertragender Wirkung muß aber die ausnehmend hohe Erschwerung sein, welche die Versorgung der fried¬ lichen Handelshafen und der in ihnen verkehrenden Schiffe mit den benötigten Kohlenmengen bereitet. Ein großer Teil der Weltschiffahrt ist nun einmal an die englische Kohle gewöhnt, deren Heizwert ja unerreicht ist und die daher mit einem Minimum an Quantität die jeweilig gewünschten Leistungen zu voll¬ bringen gestattet. Wird die beste englische Kohle der Schiffahrt in den europäischen, afrikanischen, asiatischen und anderen Häfen auch nur zum großen Teil entzogen, so werden unabsehbare Folgeerscheinungen zu verzeichnen sein. Soweit in den Häfen nicht ein ausnehmend großer Kohlenvorrat lagert, wird die Versorgung vielfach geradezu unmöglich sein, und die Kohle, die in ungenügenden Mengen noch angeliefert werden kann, wird sich so teuer stellen, daß alle für normale Friedenszeiten geltenden Rentabilitätsberechnungen der Reedereien über den Haufen geworden werden. Wollen sich die Dampfer aber für die Dauer des Krieges von der allzusehr verteuerten und nur spärlich zu beschaffender englischen Kohle freimachen und sich mit geringwertiger Kohle begnügen, so sind die Verhältnisse auch um nicht viel gebessert. Die leichter erhältliche, von den Kriegswirren nicht berührte andere Kohle, meinetwegen japanische oder amerikanische Kohle, mag viel billiger sein als die englische, aber sie muß an Quantität ersetzen, was ihr an Qualität abgeht. Trotzdem mag es bei der gewaltigen Preisspannung zwischen englischer und überseeischer Kohle für viele Fahrten zweckmäßig sein, auf die englische Kohle zugunsten der fremden zu verzichten. Voraussetzung freilich ist dabei, daß die Kohlenräume der Schiffe darauf eingerichtet sind, die stark erhöhte Kohlenquantität aufzunehmen und daß die Fahrzeuge nicht gezwungen werden, vom nutzbringenden Frachtenraum abzugeben, um nur die ausreichende Kohlenversorgung zu ermöglichen. Die¬ jenigen Schiffe aber, die in der Lage sind, sich von der englischen Kohle zu emanzipieren, ohne die Rentabilität ihrer Fahrten zu gefährden, könnten sich dann leicht im Kriege derart an die billigere nichtenglische Kohle gewöhnen, daß sie auch im Frieden zu ihrer alten Liebe nicht wieder zurückkehren. Im einen wie im anderen Falle ist das englische Wirtschaftsleben der leidtragende Teil — und damit wäre wieder ein bedeutender Erfolg in dem uns auf¬ gezwungenen Wirtschaftskrieg für Deutschland errungen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/187>, abgerufen am 07.05.2024.