Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.Das italienische Parlament neue Wahlgesetz von 1911 hat diese Jnkompatibilitätshindernisse nur in einem "Die Zahl der Deputierten für das ganze Königreich beträgt 508 und Das italienische Parlament neue Wahlgesetz von 1911 hat diese Jnkompatibilitätshindernisse nur in einem „Die Zahl der Deputierten für das ganze Königreich beträgt 508 und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323814"/> <fw type="header" place="top"> Das italienische Parlament</fw><lb/> <p xml:id="ID_875" prev="#ID_874"> neue Wahlgesetz von 1911 hat diese Jnkompatibilitätshindernisse nur in einem<lb/> unwesentlichen Punkte abgeschwächt (Bürgermeister und Provinziallandtags-<lb/> abgeordnete, die früher erst sechs Monate nach Niederlegung ihres Amtes<lb/> wählbar waren, sind es jetzt schon nach acht Tagen, das heißt ac facto sofort).<lb/> Die Deputierten erhalten nach dem neuen Gesetz 2000 Lire Postkosten¬<lb/> entschädigung und 4000 Lire Aufwandsentschädigung mit Ausnahme der<lb/> (unmittelbaren und mittelbaren) Staatsbeamten, die Gehalt oder Penston be¬<lb/> ziehen (ist deren Betrag geringer als 4000 Lire, so erhalten sie die Differenz).<lb/> Die Anregung, dieser Entschädigung (nach Analogie des deutschen Reichsstaats¬<lb/> rechts) den Charakter von Anwesenheitsgeldern (mit Abzugsrecht im Abwesen¬<lb/> heitsfalle) zu geben, also eine indirekte Präsenzpflicht einzuführen, fiel in Italien<lb/> nicht auf fruchtbaren Boden.</p><lb/> <p xml:id="ID_876"> „Die Zahl der Deputierten für das ganze Königreich beträgt 508 und<lb/> wird auf die verschiedenen Provinzen verteilt." (Artikel 44 des Wahlgesetzes<lb/> von 1882.) Nach einem Gesetz von 1860 sollte ein Deputierter für je 50000<lb/> Einwohner gewählt werden. Infolge der Verschiebung der Bevölkerungs¬<lb/> verhältnisse (starke Zunahme in diesen, geringe in jenen Wahlkreisen) hat sich<lb/> im Laufe eines halben Jahrhunderts das anfängliche „Verhältnis" in vielen<lb/> Kreisen, ganz ähnlich wie in Deutschland, zu einem „Mißverhältnis" entwickelt,<lb/> welches eine schwere wahlpolitische Ungerechtigkeit bedeutet, um so mehr als,<lb/> ähnlich wie im deutschen Wahlgesetz, die Änderung der Wahllreiseinteilung<lb/> entsprechend den Ergebnissen der Volkszählung im Gesetze (Artikel 46) ausdrücklich<lb/> zugesagt war. Daß diese Zusage auch in dem neuen Wahlgesetz von 1911 (im<lb/> Artikel 54) ausdrücklich wiederholt, aber die Änderung der Wahlkreiseinteilung<lb/> dennoch unterlassen wurde, wird in der Abhandlung eines Universitätsprofessors<lb/> aus dem Jahre 1913 über dieses Gesetz „eine geradezu empörende Bestätigung<lb/> eines absichtlich aufrecht erhaltenen gesetzwidrigen Tatbestandes" genannt. Dieser<lb/> tapfere Professor heißt Siotto Pinto und wirkt an der Universität Catania.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0275]
Das italienische Parlament
neue Wahlgesetz von 1911 hat diese Jnkompatibilitätshindernisse nur in einem
unwesentlichen Punkte abgeschwächt (Bürgermeister und Provinziallandtags-
abgeordnete, die früher erst sechs Monate nach Niederlegung ihres Amtes
wählbar waren, sind es jetzt schon nach acht Tagen, das heißt ac facto sofort).
Die Deputierten erhalten nach dem neuen Gesetz 2000 Lire Postkosten¬
entschädigung und 4000 Lire Aufwandsentschädigung mit Ausnahme der
(unmittelbaren und mittelbaren) Staatsbeamten, die Gehalt oder Penston be¬
ziehen (ist deren Betrag geringer als 4000 Lire, so erhalten sie die Differenz).
Die Anregung, dieser Entschädigung (nach Analogie des deutschen Reichsstaats¬
rechts) den Charakter von Anwesenheitsgeldern (mit Abzugsrecht im Abwesen¬
heitsfalle) zu geben, also eine indirekte Präsenzpflicht einzuführen, fiel in Italien
nicht auf fruchtbaren Boden.
„Die Zahl der Deputierten für das ganze Königreich beträgt 508 und
wird auf die verschiedenen Provinzen verteilt." (Artikel 44 des Wahlgesetzes
von 1882.) Nach einem Gesetz von 1860 sollte ein Deputierter für je 50000
Einwohner gewählt werden. Infolge der Verschiebung der Bevölkerungs¬
verhältnisse (starke Zunahme in diesen, geringe in jenen Wahlkreisen) hat sich
im Laufe eines halben Jahrhunderts das anfängliche „Verhältnis" in vielen
Kreisen, ganz ähnlich wie in Deutschland, zu einem „Mißverhältnis" entwickelt,
welches eine schwere wahlpolitische Ungerechtigkeit bedeutet, um so mehr als,
ähnlich wie im deutschen Wahlgesetz, die Änderung der Wahllreiseinteilung
entsprechend den Ergebnissen der Volkszählung im Gesetze (Artikel 46) ausdrücklich
zugesagt war. Daß diese Zusage auch in dem neuen Wahlgesetz von 1911 (im
Artikel 54) ausdrücklich wiederholt, aber die Änderung der Wahlkreiseinteilung
dennoch unterlassen wurde, wird in der Abhandlung eines Universitätsprofessors
aus dem Jahre 1913 über dieses Gesetz „eine geradezu empörende Bestätigung
eines absichtlich aufrecht erhaltenen gesetzwidrigen Tatbestandes" genannt. Dieser
tapfere Professor heißt Siotto Pinto und wirkt an der Universität Catania.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |