Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Lindringen Englands in Aegypten

Rechten im Senate gegeben. Der Herzog von Broglie erinnerte nämlich an einen
Ausspruch des Fürsten Metternich, der jedes Bündnis mit England dem Bündnis
zwischen Reiter und Pferd verglich: "Ein solches Bündnis ist eine schöne Sache;
man nutz nur sorgen, daß man der Reiter und nicht das Pferd ist." Ich denke,
die tatsächliche Entwicklung hat dem Herzog von Broglie recht gegeben, und sie
gibt ihm noch jeden Tag recht; die Behauptung von den bösen Absichten
Deutschlands ist, abgesehen von Tunis, durch den jahrzehntelangen Frieden
widerlegt, den Deutschland trotz täglich sich mehrender Provokationen ge¬
halten hat.

Doch wir kehren auf den Schauplatz der ägyptischen Handlung zurück. Nach
der Einnahme von Alexandrien versuchte das englische Ministerium des Aus¬
wärtigen für die Eroberung des übrigen Landes zuerst fremde Hilfe zu gewinnen.
Die Briten hatten den Italienern oder Türken die Ehre zugedacht, für das eng¬
lische Interesse zu bluten. Da beide Regierungen dankend ablehnten, entschloß
man sich, einige 30000 Mann englische und indische Truppen nach Ägypten zu
werfen und vor allem den Kanal zu sichern. Oberkommandierender wurde Sir
Garnet Wolseley. Bereits am 2. August wurde Suez besetzt. In der Nacht
vom 19. auf den 20. August landeten die Engländer in Port Said, nahmen die
Verwaltungsgebäude der französischen Kanalgesellschaft in Beschlag und schlössen
zeitweilig den Durchgang für die fremde Schiffahrt.

Arabi-Bey hatte sich von Alexandrien aus nach Osten gewandt. Die ver¬
folgenden Engländer gewannen Fühlung mit ihm am 25. August bei dem
Trümmerfelde des alten Ramses. Am 5. September erklärte ihn der Khedive
nach den Willen Englands zum "Rebellen". Am 13. wurde er bei Tell-el-Kebir
von Wolseley entscheidend geschlagen und eine Abteilung englischer Dragoner zog
bereits am folgenden Tage, ohne den geringsten Widerstand zu finden, triumphierend
in Kairo ein.

Arabi und seine Truppenführer stellten sich als Gefangene. Sie wurden
gemäß englischen Weisungen von dem dafür eingesetzten Kriegsgericht zum Tode
verurteilt und im unmittelbaren Anschluß daran zu ewiger Verbannung be¬
gnadigt. Als Aufenthaltsort wurde Arabi nachher Ceylon angewiesen;
20 Jahre später erhielt er dann die Erlaubnis, nach Ägypten zurückzukehren.
Etwa anderthalb Hundert andere Verbannte wurden schon am 1. Januar
1883 begnadigt.

So war also das britische Kommando tatsächlich Herr von Ägypten, England
im Besitz des alten Pharaonenlandes. Ein überwältigendes Ereignis! Ich denke
dabei nicht so sehr an die große geschichtliche Vergangenheit des Nillandes, alK
vielmehr an seine Wichtigkeit für die Vollendung der britischen Weltherrschaft.
England verdankte seinen Erfolg: erstens der richtigen Einschätzung der von ihm zur
Gründung seiner Herrschaft angewandten Mittel in bezug auf Wirksamkeit und
Genügen; zweitens dem ständigen Zusammenarbeiten seiner Regierung und
Diplomaten mit den englisch-ägyptischen Beamten, auch wenn diese in keinem
offiziellen Verhältnis zur Heimat standen; drittens der Einheitlichkeit und Stand-
haftigkeit seiner Politik trotz eventueller heimischer Regierungswechsel.

Diese Sätze gelten auch für die weitere Entwicklung der Dinge im
Nillande.


Das Lindringen Englands in Aegypten

Rechten im Senate gegeben. Der Herzog von Broglie erinnerte nämlich an einen
Ausspruch des Fürsten Metternich, der jedes Bündnis mit England dem Bündnis
zwischen Reiter und Pferd verglich: „Ein solches Bündnis ist eine schöne Sache;
man nutz nur sorgen, daß man der Reiter und nicht das Pferd ist." Ich denke,
die tatsächliche Entwicklung hat dem Herzog von Broglie recht gegeben, und sie
gibt ihm noch jeden Tag recht; die Behauptung von den bösen Absichten
Deutschlands ist, abgesehen von Tunis, durch den jahrzehntelangen Frieden
widerlegt, den Deutschland trotz täglich sich mehrender Provokationen ge¬
halten hat.

Doch wir kehren auf den Schauplatz der ägyptischen Handlung zurück. Nach
der Einnahme von Alexandrien versuchte das englische Ministerium des Aus¬
wärtigen für die Eroberung des übrigen Landes zuerst fremde Hilfe zu gewinnen.
Die Briten hatten den Italienern oder Türken die Ehre zugedacht, für das eng¬
lische Interesse zu bluten. Da beide Regierungen dankend ablehnten, entschloß
man sich, einige 30000 Mann englische und indische Truppen nach Ägypten zu
werfen und vor allem den Kanal zu sichern. Oberkommandierender wurde Sir
Garnet Wolseley. Bereits am 2. August wurde Suez besetzt. In der Nacht
vom 19. auf den 20. August landeten die Engländer in Port Said, nahmen die
Verwaltungsgebäude der französischen Kanalgesellschaft in Beschlag und schlössen
zeitweilig den Durchgang für die fremde Schiffahrt.

Arabi-Bey hatte sich von Alexandrien aus nach Osten gewandt. Die ver¬
folgenden Engländer gewannen Fühlung mit ihm am 25. August bei dem
Trümmerfelde des alten Ramses. Am 5. September erklärte ihn der Khedive
nach den Willen Englands zum „Rebellen". Am 13. wurde er bei Tell-el-Kebir
von Wolseley entscheidend geschlagen und eine Abteilung englischer Dragoner zog
bereits am folgenden Tage, ohne den geringsten Widerstand zu finden, triumphierend
in Kairo ein.

Arabi und seine Truppenführer stellten sich als Gefangene. Sie wurden
gemäß englischen Weisungen von dem dafür eingesetzten Kriegsgericht zum Tode
verurteilt und im unmittelbaren Anschluß daran zu ewiger Verbannung be¬
gnadigt. Als Aufenthaltsort wurde Arabi nachher Ceylon angewiesen;
20 Jahre später erhielt er dann die Erlaubnis, nach Ägypten zurückzukehren.
Etwa anderthalb Hundert andere Verbannte wurden schon am 1. Januar
1883 begnadigt.

So war also das britische Kommando tatsächlich Herr von Ägypten, England
im Besitz des alten Pharaonenlandes. Ein überwältigendes Ereignis! Ich denke
dabei nicht so sehr an die große geschichtliche Vergangenheit des Nillandes, alK
vielmehr an seine Wichtigkeit für die Vollendung der britischen Weltherrschaft.
England verdankte seinen Erfolg: erstens der richtigen Einschätzung der von ihm zur
Gründung seiner Herrschaft angewandten Mittel in bezug auf Wirksamkeit und
Genügen; zweitens dem ständigen Zusammenarbeiten seiner Regierung und
Diplomaten mit den englisch-ägyptischen Beamten, auch wenn diese in keinem
offiziellen Verhältnis zur Heimat standen; drittens der Einheitlichkeit und Stand-
haftigkeit seiner Politik trotz eventueller heimischer Regierungswechsel.

Diese Sätze gelten auch für die weitere Entwicklung der Dinge im
Nillande.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323571"/>
            <fw type="header" place="top"> Das Lindringen Englands in Aegypten</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_65" prev="#ID_64"> Rechten im Senate gegeben. Der Herzog von Broglie erinnerte nämlich an einen<lb/>
Ausspruch des Fürsten Metternich, der jedes Bündnis mit England dem Bündnis<lb/>
zwischen Reiter und Pferd verglich: &#x201E;Ein solches Bündnis ist eine schöne Sache;<lb/>
man nutz nur sorgen, daß man der Reiter und nicht das Pferd ist." Ich denke,<lb/>
die tatsächliche Entwicklung hat dem Herzog von Broglie recht gegeben, und sie<lb/>
gibt ihm noch jeden Tag recht; die Behauptung von den bösen Absichten<lb/>
Deutschlands ist, abgesehen von Tunis, durch den jahrzehntelangen Frieden<lb/>
widerlegt, den Deutschland trotz täglich sich mehrender Provokationen ge¬<lb/>
halten hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_66"> Doch wir kehren auf den Schauplatz der ägyptischen Handlung zurück. Nach<lb/>
der Einnahme von Alexandrien versuchte das englische Ministerium des Aus¬<lb/>
wärtigen für die Eroberung des übrigen Landes zuerst fremde Hilfe zu gewinnen.<lb/>
Die Briten hatten den Italienern oder Türken die Ehre zugedacht, für das eng¬<lb/>
lische Interesse zu bluten. Da beide Regierungen dankend ablehnten, entschloß<lb/>
man sich, einige 30000 Mann englische und indische Truppen nach Ägypten zu<lb/>
werfen und vor allem den Kanal zu sichern. Oberkommandierender wurde Sir<lb/>
Garnet Wolseley. Bereits am 2. August wurde Suez besetzt. In der Nacht<lb/>
vom 19. auf den 20. August landeten die Engländer in Port Said, nahmen die<lb/>
Verwaltungsgebäude der französischen Kanalgesellschaft in Beschlag und schlössen<lb/>
zeitweilig den Durchgang für die fremde Schiffahrt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_67"> Arabi-Bey hatte sich von Alexandrien aus nach Osten gewandt. Die ver¬<lb/>
folgenden Engländer gewannen Fühlung mit ihm am 25. August bei dem<lb/>
Trümmerfelde des alten Ramses. Am 5. September erklärte ihn der Khedive<lb/>
nach den Willen Englands zum &#x201E;Rebellen". Am 13. wurde er bei Tell-el-Kebir<lb/>
von Wolseley entscheidend geschlagen und eine Abteilung englischer Dragoner zog<lb/>
bereits am folgenden Tage, ohne den geringsten Widerstand zu finden, triumphierend<lb/>
in Kairo ein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_68"> Arabi und seine Truppenführer stellten sich als Gefangene. Sie wurden<lb/>
gemäß englischen Weisungen von dem dafür eingesetzten Kriegsgericht zum Tode<lb/>
verurteilt und im unmittelbaren Anschluß daran zu ewiger Verbannung be¬<lb/>
gnadigt. Als Aufenthaltsort wurde Arabi nachher Ceylon angewiesen;<lb/>
20 Jahre später erhielt er dann die Erlaubnis, nach Ägypten zurückzukehren.<lb/>
Etwa anderthalb Hundert andere Verbannte wurden schon am 1. Januar<lb/>
1883 begnadigt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_69"> So war also das britische Kommando tatsächlich Herr von Ägypten, England<lb/>
im Besitz des alten Pharaonenlandes. Ein überwältigendes Ereignis! Ich denke<lb/>
dabei nicht so sehr an die große geschichtliche Vergangenheit des Nillandes, alK<lb/>
vielmehr an seine Wichtigkeit für die Vollendung der britischen Weltherrschaft.<lb/>
England verdankte seinen Erfolg: erstens der richtigen Einschätzung der von ihm zur<lb/>
Gründung seiner Herrschaft angewandten Mittel in bezug auf Wirksamkeit und<lb/>
Genügen; zweitens dem ständigen Zusammenarbeiten seiner Regierung und<lb/>
Diplomaten mit den englisch-ägyptischen Beamten, auch wenn diese in keinem<lb/>
offiziellen Verhältnis zur Heimat standen; drittens der Einheitlichkeit und Stand-<lb/>
haftigkeit seiner Politik trotz eventueller heimischer Regierungswechsel.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_70"> Diese Sätze gelten auch für die weitere Entwicklung der Dinge im<lb/>
Nillande.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] Das Lindringen Englands in Aegypten Rechten im Senate gegeben. Der Herzog von Broglie erinnerte nämlich an einen Ausspruch des Fürsten Metternich, der jedes Bündnis mit England dem Bündnis zwischen Reiter und Pferd verglich: „Ein solches Bündnis ist eine schöne Sache; man nutz nur sorgen, daß man der Reiter und nicht das Pferd ist." Ich denke, die tatsächliche Entwicklung hat dem Herzog von Broglie recht gegeben, und sie gibt ihm noch jeden Tag recht; die Behauptung von den bösen Absichten Deutschlands ist, abgesehen von Tunis, durch den jahrzehntelangen Frieden widerlegt, den Deutschland trotz täglich sich mehrender Provokationen ge¬ halten hat. Doch wir kehren auf den Schauplatz der ägyptischen Handlung zurück. Nach der Einnahme von Alexandrien versuchte das englische Ministerium des Aus¬ wärtigen für die Eroberung des übrigen Landes zuerst fremde Hilfe zu gewinnen. Die Briten hatten den Italienern oder Türken die Ehre zugedacht, für das eng¬ lische Interesse zu bluten. Da beide Regierungen dankend ablehnten, entschloß man sich, einige 30000 Mann englische und indische Truppen nach Ägypten zu werfen und vor allem den Kanal zu sichern. Oberkommandierender wurde Sir Garnet Wolseley. Bereits am 2. August wurde Suez besetzt. In der Nacht vom 19. auf den 20. August landeten die Engländer in Port Said, nahmen die Verwaltungsgebäude der französischen Kanalgesellschaft in Beschlag und schlössen zeitweilig den Durchgang für die fremde Schiffahrt. Arabi-Bey hatte sich von Alexandrien aus nach Osten gewandt. Die ver¬ folgenden Engländer gewannen Fühlung mit ihm am 25. August bei dem Trümmerfelde des alten Ramses. Am 5. September erklärte ihn der Khedive nach den Willen Englands zum „Rebellen". Am 13. wurde er bei Tell-el-Kebir von Wolseley entscheidend geschlagen und eine Abteilung englischer Dragoner zog bereits am folgenden Tage, ohne den geringsten Widerstand zu finden, triumphierend in Kairo ein. Arabi und seine Truppenführer stellten sich als Gefangene. Sie wurden gemäß englischen Weisungen von dem dafür eingesetzten Kriegsgericht zum Tode verurteilt und im unmittelbaren Anschluß daran zu ewiger Verbannung be¬ gnadigt. Als Aufenthaltsort wurde Arabi nachher Ceylon angewiesen; 20 Jahre später erhielt er dann die Erlaubnis, nach Ägypten zurückzukehren. Etwa anderthalb Hundert andere Verbannte wurden schon am 1. Januar 1883 begnadigt. So war also das britische Kommando tatsächlich Herr von Ägypten, England im Besitz des alten Pharaonenlandes. Ein überwältigendes Ereignis! Ich denke dabei nicht so sehr an die große geschichtliche Vergangenheit des Nillandes, alK vielmehr an seine Wichtigkeit für die Vollendung der britischen Weltherrschaft. England verdankte seinen Erfolg: erstens der richtigen Einschätzung der von ihm zur Gründung seiner Herrschaft angewandten Mittel in bezug auf Wirksamkeit und Genügen; zweitens dem ständigen Zusammenarbeiten seiner Regierung und Diplomaten mit den englisch-ägyptischen Beamten, auch wenn diese in keinem offiziellen Verhältnis zur Heimat standen; drittens der Einheitlichkeit und Stand- haftigkeit seiner Politik trotz eventueller heimischer Regierungswechsel. Diese Sätze gelten auch für die weitere Entwicklung der Dinge im Nillande.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/32
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/32>, abgerufen am 06.05.2024.