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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Früchte des Krieges

Unter dem gewaltigen Einfluß der Verhältnisse, wie wachsen die Leistungen
des einzelnen, wie erkennt jeder die ungeahnte Kraft des Willens an sich selbst.
Wie wächst das Selbstvertrauen und die Sicherheit. Und alles Kleinliche, alles
Ente, es verweht wie Spreu im Winde.

Leistungen, und immer wieder Leistungen, nur die gelten.

Und für Leistungen gibt es hier nur Anerkennung, keinen Lohn. Wohl
winkt uns ein Lohn, aber den sollen sich diejenigen, die nach diesem furchtbaren
Ringen wieder in die Heimat zurückkehren dürfen, dann erst erwerben in einem
neu erkämpften, herrlichen Vaterland.

Hier gibt es für die Leistung nur Anerkennung, Selbstsucht kann hier
nicht gedeihen.

Die Ideale sind der breiten, werktätigen Masse des Volkes noch nie so
verständlich gewesen als jetzt, da sie herausgerissen ist aus der Enge des
Alltags. Manche Nacht haben die Leute schlaflos in den Unterstäuben gelegen
und sich unterhalten über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Aber unter
einem andern Gesichtswinkel erkennen sie diese Ideale heute. Sie erkennen, daß
Freiheit ohne Ordnung unmöglich ist, und Ordnung nicht Unfreiheit sein kann.
Sie erkennen, daß, wie im Heer, so im Leben keine Gleichheit sein kann. Das
Können, den rastlos schaffenden Willen müssen wir selber nach oben tragen,
denn nur von höherer Warte können sie die Massen befruchten und bewegen.
Und Brüderlichkeit, das kann nur heißen: ich helfe auf deinem Acker, dann
hilfst du auch auf meinem Acker, und nichts anderes.

Und das Vaterland! Jetzt vom Feindeslande aus lernen sie es erkennen.
Nun wächst es vor ihnen empor wie ein gewaltiger Fels, der über die Wolken
ragt. Seine Gipfel strahlen im Sonnenlicht und ungeahnte Kräfte wirken in
seinem Innern. Von diesem Berge strömen die Wasser, die unsere Mühlen
treiben. In seinen Falten stehen unsere Hütten, gesichert gegen jeden Sturm.

Den Fels für uns erhalten, da ist das Leben kein zu teurer Preis.

Die heimkehren werden, sind andere Menschen als da sie auszogen. Aus
den Rekruten mit den Kindergesichtern sind Männer geworden, und die als
Männer auszogen sind reifer, gefestigter, willensstärker und tüchtiger. Veredelt
werden sie heimkehren, denn es ist nicht wahr, daß der Krieg verroht. Hilfreich,
aufopfernd, mitfühlend ist der härteste unter uns geworden. Die furchtbaren
Leiden ringsum rühren jedes Herz und zwingen zum nachdenken.

Es kehrt die Zahl nicht wieder, die ausgezogen ist, aber diejenigen, die
heimkehren werden, werden einen Stamm geben unserem Volke so eisenhart, so
gesund, daß die Äste und Zweige treiben können, weit über unsere Grenzen,
und daß die Früchte über den Erdball rollen.




Früchte des Krieges

Unter dem gewaltigen Einfluß der Verhältnisse, wie wachsen die Leistungen
des einzelnen, wie erkennt jeder die ungeahnte Kraft des Willens an sich selbst.
Wie wächst das Selbstvertrauen und die Sicherheit. Und alles Kleinliche, alles
Ente, es verweht wie Spreu im Winde.

Leistungen, und immer wieder Leistungen, nur die gelten.

Und für Leistungen gibt es hier nur Anerkennung, keinen Lohn. Wohl
winkt uns ein Lohn, aber den sollen sich diejenigen, die nach diesem furchtbaren
Ringen wieder in die Heimat zurückkehren dürfen, dann erst erwerben in einem
neu erkämpften, herrlichen Vaterland.

Hier gibt es für die Leistung nur Anerkennung, Selbstsucht kann hier
nicht gedeihen.

Die Ideale sind der breiten, werktätigen Masse des Volkes noch nie so
verständlich gewesen als jetzt, da sie herausgerissen ist aus der Enge des
Alltags. Manche Nacht haben die Leute schlaflos in den Unterstäuben gelegen
und sich unterhalten über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Aber unter
einem andern Gesichtswinkel erkennen sie diese Ideale heute. Sie erkennen, daß
Freiheit ohne Ordnung unmöglich ist, und Ordnung nicht Unfreiheit sein kann.
Sie erkennen, daß, wie im Heer, so im Leben keine Gleichheit sein kann. Das
Können, den rastlos schaffenden Willen müssen wir selber nach oben tragen,
denn nur von höherer Warte können sie die Massen befruchten und bewegen.
Und Brüderlichkeit, das kann nur heißen: ich helfe auf deinem Acker, dann
hilfst du auch auf meinem Acker, und nichts anderes.

Und das Vaterland! Jetzt vom Feindeslande aus lernen sie es erkennen.
Nun wächst es vor ihnen empor wie ein gewaltiger Fels, der über die Wolken
ragt. Seine Gipfel strahlen im Sonnenlicht und ungeahnte Kräfte wirken in
seinem Innern. Von diesem Berge strömen die Wasser, die unsere Mühlen
treiben. In seinen Falten stehen unsere Hütten, gesichert gegen jeden Sturm.

Den Fels für uns erhalten, da ist das Leben kein zu teurer Preis.

Die heimkehren werden, sind andere Menschen als da sie auszogen. Aus
den Rekruten mit den Kindergesichtern sind Männer geworden, und die als
Männer auszogen sind reifer, gefestigter, willensstärker und tüchtiger. Veredelt
werden sie heimkehren, denn es ist nicht wahr, daß der Krieg verroht. Hilfreich,
aufopfernd, mitfühlend ist der härteste unter uns geworden. Die furchtbaren
Leiden ringsum rühren jedes Herz und zwingen zum nachdenken.

Es kehrt die Zahl nicht wieder, die ausgezogen ist, aber diejenigen, die
heimkehren werden, werden einen Stamm geben unserem Volke so eisenhart, so
gesund, daß die Äste und Zweige treiben können, weit über unsere Grenzen,
und daß die Früchte über den Erdball rollen.




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[0361] Früchte des Krieges Unter dem gewaltigen Einfluß der Verhältnisse, wie wachsen die Leistungen des einzelnen, wie erkennt jeder die ungeahnte Kraft des Willens an sich selbst. Wie wächst das Selbstvertrauen und die Sicherheit. Und alles Kleinliche, alles Ente, es verweht wie Spreu im Winde. Leistungen, und immer wieder Leistungen, nur die gelten. Und für Leistungen gibt es hier nur Anerkennung, keinen Lohn. Wohl winkt uns ein Lohn, aber den sollen sich diejenigen, die nach diesem furchtbaren Ringen wieder in die Heimat zurückkehren dürfen, dann erst erwerben in einem neu erkämpften, herrlichen Vaterland. Hier gibt es für die Leistung nur Anerkennung, Selbstsucht kann hier nicht gedeihen. Die Ideale sind der breiten, werktätigen Masse des Volkes noch nie so verständlich gewesen als jetzt, da sie herausgerissen ist aus der Enge des Alltags. Manche Nacht haben die Leute schlaflos in den Unterstäuben gelegen und sich unterhalten über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Aber unter einem andern Gesichtswinkel erkennen sie diese Ideale heute. Sie erkennen, daß Freiheit ohne Ordnung unmöglich ist, und Ordnung nicht Unfreiheit sein kann. Sie erkennen, daß, wie im Heer, so im Leben keine Gleichheit sein kann. Das Können, den rastlos schaffenden Willen müssen wir selber nach oben tragen, denn nur von höherer Warte können sie die Massen befruchten und bewegen. Und Brüderlichkeit, das kann nur heißen: ich helfe auf deinem Acker, dann hilfst du auch auf meinem Acker, und nichts anderes. Und das Vaterland! Jetzt vom Feindeslande aus lernen sie es erkennen. Nun wächst es vor ihnen empor wie ein gewaltiger Fels, der über die Wolken ragt. Seine Gipfel strahlen im Sonnenlicht und ungeahnte Kräfte wirken in seinem Innern. Von diesem Berge strömen die Wasser, die unsere Mühlen treiben. In seinen Falten stehen unsere Hütten, gesichert gegen jeden Sturm. Den Fels für uns erhalten, da ist das Leben kein zu teurer Preis. Die heimkehren werden, sind andere Menschen als da sie auszogen. Aus den Rekruten mit den Kindergesichtern sind Männer geworden, und die als Männer auszogen sind reifer, gefestigter, willensstärker und tüchtiger. Veredelt werden sie heimkehren, denn es ist nicht wahr, daß der Krieg verroht. Hilfreich, aufopfernd, mitfühlend ist der härteste unter uns geworden. Die furchtbaren Leiden ringsum rühren jedes Herz und zwingen zum nachdenken. Es kehrt die Zahl nicht wieder, die ausgezogen ist, aber diejenigen, die heimkehren werden, werden einen Stamm geben unserem Volke so eisenhart, so gesund, daß die Äste und Zweige treiben können, weit über unsere Grenzen, und daß die Früchte über den Erdball rollen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/361>, abgerufen am 28.04.2024.