Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Zukunft der Jugendpflege

einigungen treiben Jugendpflege aus entschieden religiöser Grundlage. Als
dritte Gruppe sind die von Pastor Clemens Schulz in Hamburg begründeten
"Kirchlichen Lehrlings- und Gesellenvereine" zu nennen, die, im "Bund Deutscher
Jugendvereine" zusammengeschlossen, den religiösen Gesichtspunkt mehr in den
Hintergrund treten lassen und das Hauptgewicht auf die sittlich-erzieherische
Beeinflussung der Jugend legen. Diese Vereine berücksichtigen alle in erster
Reihe die volksschulentlassene Jugend. An den höheren Schulen haben sich
neuerdings die "Bibelkreise für Schüler höherer Lehranstalten" gebildet. Auf
katholischer Seite hat man am energischsten den Grundsatz der Standesorganisationen
durchgeführt. Die erwerbstätige Jugend vom vierzehnten bis siebzehnten Lebens¬
jahre, also die Lehrlinge, wird erfaßt von den Jünglings-Sodalitäten oder
-Kongregationen. Für die Gesellen von achtzehn bis zweiundzwanzig Jahren bestehen
die Gesellen- und Se. Josephsvereine, für die jungen Arbeiter "Vereine junger
Arbeiter", für die kaufmännischen Berufe kaufmännische Vereinigungen. Diese
Vereine sind zu Bezirksverbänden, diese zu Diözesavverbänden, diese wieder zum
Zentralverband zusammengeschlossen, an dessen Spitze als Zentralkomitee oder
als Zentralvorstand der Vorsitzende, der Generalsekretär und die Diözesanpräsides
stehen*). Die kirchliche Jugendpflege für die weibliche Jugend ist in ent¬
sprechender Weise organisiert**).

Die erwähnten evangelischen Organisationen umfaßten 1913 3177 Vereine
mit etwa 18000V Mitgliedern, die katholischen Vereine hatten 1912 etwa
330000 Mitglieder. Dazu kommen die Mitglieder der Vereine für die weibliche
Jugend. In allen diesen Organisationen stützt sich die interne Vereinsarbeit
auf eine große Anzahl von Jugendheimen, Jugendzeitschriften und ähnliche
Veröffentlichungen. Überall sucht man die Jugend zu möglichst selbsttätiger
Mitarbeit am Vereinsleben heranz"jiehen.

Die weitverzweigte und gut organisierte kirchliche Jugendpflege, die über
einen großen Schatz von erzieherischer Erfahrung verfügt, verdient es, daß man
ihr überall mit Hochachtung begegnet und -- von ihr lernt.

Wir haben schon im ersten Aussatz daraus hingewiesen, daß im Anschluß
an Sportvereine, beispielsweise an die Deutsche Turnerschaft, aber auch an
andere Vereine: Fußball-, Radfahrer-, Schwimmvereine und andere nicht bloß
körperliche, sondern auch mehr oder weniger intensive erzieherische Jugendpflege
getrieben wird. Auch Berufsorganisationen wie der Deutschnationale-Handlungs¬
gehilfenverband haben in besonderen Jugendvereinen mit Geschick Jugendpflege
getrieben. Ja, selbst einzelne großindustrielle Unternehmungen sind mit Jugend¬
pflegebestrebungen selbständig vorgegangen, beispielsweise die Farbenfabriken
Friedrich Bayer u. Co. in Cöln-Leverkusen. Auch sonst sind Jugendpflege¬
organisationen dank der opferfreudigen und begeisterten Arbeit einzelner ent-




Vergleiche: Die Jugendpflege der katholischen Kirche. Flugschrift, herausgegeben vom
Generalsekretariat der katholischen Jugendvereine Deutschlands, Düsseldorf.
"") Vergleiche Handbuch für Jugendpflege Seite 627 ff.
Die Zukunft der Jugendpflege

einigungen treiben Jugendpflege aus entschieden religiöser Grundlage. Als
dritte Gruppe sind die von Pastor Clemens Schulz in Hamburg begründeten
„Kirchlichen Lehrlings- und Gesellenvereine" zu nennen, die, im „Bund Deutscher
Jugendvereine" zusammengeschlossen, den religiösen Gesichtspunkt mehr in den
Hintergrund treten lassen und das Hauptgewicht auf die sittlich-erzieherische
Beeinflussung der Jugend legen. Diese Vereine berücksichtigen alle in erster
Reihe die volksschulentlassene Jugend. An den höheren Schulen haben sich
neuerdings die „Bibelkreise für Schüler höherer Lehranstalten" gebildet. Auf
katholischer Seite hat man am energischsten den Grundsatz der Standesorganisationen
durchgeführt. Die erwerbstätige Jugend vom vierzehnten bis siebzehnten Lebens¬
jahre, also die Lehrlinge, wird erfaßt von den Jünglings-Sodalitäten oder
-Kongregationen. Für die Gesellen von achtzehn bis zweiundzwanzig Jahren bestehen
die Gesellen- und Se. Josephsvereine, für die jungen Arbeiter „Vereine junger
Arbeiter", für die kaufmännischen Berufe kaufmännische Vereinigungen. Diese
Vereine sind zu Bezirksverbänden, diese zu Diözesavverbänden, diese wieder zum
Zentralverband zusammengeschlossen, an dessen Spitze als Zentralkomitee oder
als Zentralvorstand der Vorsitzende, der Generalsekretär und die Diözesanpräsides
stehen*). Die kirchliche Jugendpflege für die weibliche Jugend ist in ent¬
sprechender Weise organisiert**).

Die erwähnten evangelischen Organisationen umfaßten 1913 3177 Vereine
mit etwa 18000V Mitgliedern, die katholischen Vereine hatten 1912 etwa
330000 Mitglieder. Dazu kommen die Mitglieder der Vereine für die weibliche
Jugend. In allen diesen Organisationen stützt sich die interne Vereinsarbeit
auf eine große Anzahl von Jugendheimen, Jugendzeitschriften und ähnliche
Veröffentlichungen. Überall sucht man die Jugend zu möglichst selbsttätiger
Mitarbeit am Vereinsleben heranz»jiehen.

Die weitverzweigte und gut organisierte kirchliche Jugendpflege, die über
einen großen Schatz von erzieherischer Erfahrung verfügt, verdient es, daß man
ihr überall mit Hochachtung begegnet und — von ihr lernt.

Wir haben schon im ersten Aussatz daraus hingewiesen, daß im Anschluß
an Sportvereine, beispielsweise an die Deutsche Turnerschaft, aber auch an
andere Vereine: Fußball-, Radfahrer-, Schwimmvereine und andere nicht bloß
körperliche, sondern auch mehr oder weniger intensive erzieherische Jugendpflege
getrieben wird. Auch Berufsorganisationen wie der Deutschnationale-Handlungs¬
gehilfenverband haben in besonderen Jugendvereinen mit Geschick Jugendpflege
getrieben. Ja, selbst einzelne großindustrielle Unternehmungen sind mit Jugend¬
pflegebestrebungen selbständig vorgegangen, beispielsweise die Farbenfabriken
Friedrich Bayer u. Co. in Cöln-Leverkusen. Auch sonst sind Jugendpflege¬
organisationen dank der opferfreudigen und begeisterten Arbeit einzelner ent-




Vergleiche: Die Jugendpflege der katholischen Kirche. Flugschrift, herausgegeben vom
Generalsekretariat der katholischen Jugendvereine Deutschlands, Düsseldorf.
«") Vergleiche Handbuch für Jugendpflege Seite 627 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323944"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Zukunft der Jugendpflege</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1316" prev="#ID_1315"> einigungen treiben Jugendpflege aus entschieden religiöser Grundlage. Als<lb/>
dritte Gruppe sind die von Pastor Clemens Schulz in Hamburg begründeten<lb/>
&#x201E;Kirchlichen Lehrlings- und Gesellenvereine" zu nennen, die, im &#x201E;Bund Deutscher<lb/>
Jugendvereine" zusammengeschlossen, den religiösen Gesichtspunkt mehr in den<lb/>
Hintergrund treten lassen und das Hauptgewicht auf die sittlich-erzieherische<lb/>
Beeinflussung der Jugend legen. Diese Vereine berücksichtigen alle in erster<lb/>
Reihe die volksschulentlassene Jugend. An den höheren Schulen haben sich<lb/>
neuerdings die &#x201E;Bibelkreise für Schüler höherer Lehranstalten" gebildet. Auf<lb/>
katholischer Seite hat man am energischsten den Grundsatz der Standesorganisationen<lb/>
durchgeführt. Die erwerbstätige Jugend vom vierzehnten bis siebzehnten Lebens¬<lb/>
jahre, also die Lehrlinge, wird erfaßt von den Jünglings-Sodalitäten oder<lb/>
-Kongregationen. Für die Gesellen von achtzehn bis zweiundzwanzig Jahren bestehen<lb/>
die Gesellen- und Se. Josephsvereine, für die jungen Arbeiter &#x201E;Vereine junger<lb/>
Arbeiter", für die kaufmännischen Berufe kaufmännische Vereinigungen. Diese<lb/>
Vereine sind zu Bezirksverbänden, diese zu Diözesavverbänden, diese wieder zum<lb/>
Zentralverband zusammengeschlossen, an dessen Spitze als Zentralkomitee oder<lb/>
als Zentralvorstand der Vorsitzende, der Generalsekretär und die Diözesanpräsides<lb/>
stehen*). Die kirchliche Jugendpflege für die weibliche Jugend ist in ent¬<lb/>
sprechender Weise organisiert**).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1317"> Die erwähnten evangelischen Organisationen umfaßten 1913 3177 Vereine<lb/>
mit etwa 18000V Mitgliedern, die katholischen Vereine hatten 1912 etwa<lb/>
330000 Mitglieder. Dazu kommen die Mitglieder der Vereine für die weibliche<lb/>
Jugend. In allen diesen Organisationen stützt sich die interne Vereinsarbeit<lb/>
auf eine große Anzahl von Jugendheimen, Jugendzeitschriften und ähnliche<lb/>
Veröffentlichungen. Überall sucht man die Jugend zu möglichst selbsttätiger<lb/>
Mitarbeit am Vereinsleben heranz»jiehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1318"> Die weitverzweigte und gut organisierte kirchliche Jugendpflege, die über<lb/>
einen großen Schatz von erzieherischer Erfahrung verfügt, verdient es, daß man<lb/>
ihr überall mit Hochachtung begegnet und &#x2014; von ihr lernt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1319" next="#ID_1320"> Wir haben schon im ersten Aussatz daraus hingewiesen, daß im Anschluß<lb/>
an Sportvereine, beispielsweise an die Deutsche Turnerschaft, aber auch an<lb/>
andere Vereine: Fußball-, Radfahrer-, Schwimmvereine und andere nicht bloß<lb/>
körperliche, sondern auch mehr oder weniger intensive erzieherische Jugendpflege<lb/>
getrieben wird. Auch Berufsorganisationen wie der Deutschnationale-Handlungs¬<lb/>
gehilfenverband haben in besonderen Jugendvereinen mit Geschick Jugendpflege<lb/>
getrieben. Ja, selbst einzelne großindustrielle Unternehmungen sind mit Jugend¬<lb/>
pflegebestrebungen selbständig vorgegangen, beispielsweise die Farbenfabriken<lb/>
Friedrich Bayer u. Co. in Cöln-Leverkusen. Auch sonst sind Jugendpflege¬<lb/>
organisationen dank der opferfreudigen und begeisterten Arbeit einzelner ent-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_96" place="foot"> Vergleiche: Die Jugendpflege der katholischen Kirche. Flugschrift, herausgegeben vom<lb/>
Generalsekretariat der katholischen Jugendvereine Deutschlands, Düsseldorf.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_97" place="foot"> «") Vergleiche Handbuch für Jugendpflege Seite 627 ff.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0405] Die Zukunft der Jugendpflege einigungen treiben Jugendpflege aus entschieden religiöser Grundlage. Als dritte Gruppe sind die von Pastor Clemens Schulz in Hamburg begründeten „Kirchlichen Lehrlings- und Gesellenvereine" zu nennen, die, im „Bund Deutscher Jugendvereine" zusammengeschlossen, den religiösen Gesichtspunkt mehr in den Hintergrund treten lassen und das Hauptgewicht auf die sittlich-erzieherische Beeinflussung der Jugend legen. Diese Vereine berücksichtigen alle in erster Reihe die volksschulentlassene Jugend. An den höheren Schulen haben sich neuerdings die „Bibelkreise für Schüler höherer Lehranstalten" gebildet. Auf katholischer Seite hat man am energischsten den Grundsatz der Standesorganisationen durchgeführt. Die erwerbstätige Jugend vom vierzehnten bis siebzehnten Lebens¬ jahre, also die Lehrlinge, wird erfaßt von den Jünglings-Sodalitäten oder -Kongregationen. Für die Gesellen von achtzehn bis zweiundzwanzig Jahren bestehen die Gesellen- und Se. Josephsvereine, für die jungen Arbeiter „Vereine junger Arbeiter", für die kaufmännischen Berufe kaufmännische Vereinigungen. Diese Vereine sind zu Bezirksverbänden, diese zu Diözesavverbänden, diese wieder zum Zentralverband zusammengeschlossen, an dessen Spitze als Zentralkomitee oder als Zentralvorstand der Vorsitzende, der Generalsekretär und die Diözesanpräsides stehen*). Die kirchliche Jugendpflege für die weibliche Jugend ist in ent¬ sprechender Weise organisiert**). Die erwähnten evangelischen Organisationen umfaßten 1913 3177 Vereine mit etwa 18000V Mitgliedern, die katholischen Vereine hatten 1912 etwa 330000 Mitglieder. Dazu kommen die Mitglieder der Vereine für die weibliche Jugend. In allen diesen Organisationen stützt sich die interne Vereinsarbeit auf eine große Anzahl von Jugendheimen, Jugendzeitschriften und ähnliche Veröffentlichungen. Überall sucht man die Jugend zu möglichst selbsttätiger Mitarbeit am Vereinsleben heranz»jiehen. Die weitverzweigte und gut organisierte kirchliche Jugendpflege, die über einen großen Schatz von erzieherischer Erfahrung verfügt, verdient es, daß man ihr überall mit Hochachtung begegnet und — von ihr lernt. Wir haben schon im ersten Aussatz daraus hingewiesen, daß im Anschluß an Sportvereine, beispielsweise an die Deutsche Turnerschaft, aber auch an andere Vereine: Fußball-, Radfahrer-, Schwimmvereine und andere nicht bloß körperliche, sondern auch mehr oder weniger intensive erzieherische Jugendpflege getrieben wird. Auch Berufsorganisationen wie der Deutschnationale-Handlungs¬ gehilfenverband haben in besonderen Jugendvereinen mit Geschick Jugendpflege getrieben. Ja, selbst einzelne großindustrielle Unternehmungen sind mit Jugend¬ pflegebestrebungen selbständig vorgegangen, beispielsweise die Farbenfabriken Friedrich Bayer u. Co. in Cöln-Leverkusen. Auch sonst sind Jugendpflege¬ organisationen dank der opferfreudigen und begeisterten Arbeit einzelner ent- Vergleiche: Die Jugendpflege der katholischen Kirche. Flugschrift, herausgegeben vom Generalsekretariat der katholischen Jugendvereine Deutschlands, Düsseldorf. «") Vergleiche Handbuch für Jugendpflege Seite 627 ff.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/405
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/405>, abgerufen am 05.05.2024.