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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

gewiesen, daß der Stille Ozean mit seinen Küsten und Inseln der Schauplatz
sein wird, auf dem sich die großen Ereignisse des zwanzigsten Jahrhunderts
abspielen werden; und wenn nicht alle Erfahrungen trügen, scheinen die Nord¬
amerikaner auf diesem Schauplatze der Weltgeschichte die Hauptrolle spielen zu
wollen*).

Aber auch Japan hat sein "maritimes und pazifisches Programm", das
sein "Shin Ribon" durch "den Zug nach Süden", das heißt nach den Inseln
und Jnselchen des Stillen Ozeans zu finden sucht**). Der frühere japanische
Minister Baron Kaneko***) hat unumwunden erklärt: "Wir besitzen .... alle
möglichen Eigenschaften, um unser Land zu einer großen Nation zu erheben
und uns das kommerzielle Übergewicht auf dem Stillen Ozean und dem
astatischen Festlande zu sichern." In dieser Erklärung kommen die Ziele des
japanischen Imperialismus klar zum Ausdruck: es ist die wirtschaftliche Durch¬
dringung -- die zur Genüge bekannte "psnstrativn pacikique" -- Chinas
und des Stillen Ozean als Vorbereitung für die spätere politische. Denn diese
ist, wie Chamberlain in den achtziger Jahren einmal hinsichtlich Kanadas
Stellung zu den Vereinigten Staaten gesagt hat, die regelmäßige, früher oder
später eintretende Folge der wirtschaftlichen Durchdringung.

Hier im Stillen Ozean kreuzen sich die -- sagen wir zunächst, wirtschaft¬
lichen Interessen der Vereinigten Staaten und Japans, hier liegt der Punkt,
wo die imperialistischen Tendenzen der beiden Staaten zusammenstoßen müssen,
wenn keine von ihnen ihre transpazifischen Träume aufgibt f).

Die Gefahr eines Kampfes um den Stillen Ozean läßt sich also nicht
hinwegleugnen, mag man auch noch so oft erklären, daß der Große Ozean
genügend Raum biete für die wirtschaftliche Entwicklung aller Nationen und
nicht einer einzigen Nation gehören könne f^-). --

Wie wird sich nun dieses Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten
und Japan nach dem Weltkriege gestalten? Welche Wirkungen wird die Teil¬
nahme der gelben Weltmacht an diesem Kriege auf die oben behandelten
Fragen ausüben?

Auf eine Besserung der Beziehungen ist wohl kaum zu rechnen; viel eher
werden die verschiedenen Gegensätze zwischen den beiden Staaten noch stärker
werden.

Wir haben bereits auf die Eroberung von Kiautschau hingewiesen, sowie
auf die voraussichtlich dauernde Festsetzung Japans in der Provinz Schankung.
Wie sich die Verhältnisse beim Friedensschluß gestalten werden, weiß heute kein







*) Vergleiche Daenell: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Seite 1ö3.
"
**) Vergleiche Kjellön: "Die Großmächte der Gegenwart, 1914, Seite 196.
"
Kaneko: "Organisation eines konstitutionellen Staates (in Stead: "Unser Vaterland
Japan", 1904), Seite 28.
->-) Vergleiche Andere: a. a. O., Seite 283 -- vergleiche auch Kjellön: a. a. O., Seite 196.
-s-f) Vergleiche Coolidge: a, a. O., Seite 314.
Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

gewiesen, daß der Stille Ozean mit seinen Küsten und Inseln der Schauplatz
sein wird, auf dem sich die großen Ereignisse des zwanzigsten Jahrhunderts
abspielen werden; und wenn nicht alle Erfahrungen trügen, scheinen die Nord¬
amerikaner auf diesem Schauplatze der Weltgeschichte die Hauptrolle spielen zu
wollen*).

Aber auch Japan hat sein „maritimes und pazifisches Programm", das
sein „Shin Ribon" durch „den Zug nach Süden", das heißt nach den Inseln
und Jnselchen des Stillen Ozeans zu finden sucht**). Der frühere japanische
Minister Baron Kaneko***) hat unumwunden erklärt: „Wir besitzen .... alle
möglichen Eigenschaften, um unser Land zu einer großen Nation zu erheben
und uns das kommerzielle Übergewicht auf dem Stillen Ozean und dem
astatischen Festlande zu sichern." In dieser Erklärung kommen die Ziele des
japanischen Imperialismus klar zum Ausdruck: es ist die wirtschaftliche Durch¬
dringung — die zur Genüge bekannte „psnstrativn pacikique" — Chinas
und des Stillen Ozean als Vorbereitung für die spätere politische. Denn diese
ist, wie Chamberlain in den achtziger Jahren einmal hinsichtlich Kanadas
Stellung zu den Vereinigten Staaten gesagt hat, die regelmäßige, früher oder
später eintretende Folge der wirtschaftlichen Durchdringung.

Hier im Stillen Ozean kreuzen sich die — sagen wir zunächst, wirtschaft¬
lichen Interessen der Vereinigten Staaten und Japans, hier liegt der Punkt,
wo die imperialistischen Tendenzen der beiden Staaten zusammenstoßen müssen,
wenn keine von ihnen ihre transpazifischen Träume aufgibt f).

Die Gefahr eines Kampfes um den Stillen Ozean läßt sich also nicht
hinwegleugnen, mag man auch noch so oft erklären, daß der Große Ozean
genügend Raum biete für die wirtschaftliche Entwicklung aller Nationen und
nicht einer einzigen Nation gehören könne f^-). —

Wie wird sich nun dieses Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten
und Japan nach dem Weltkriege gestalten? Welche Wirkungen wird die Teil¬
nahme der gelben Weltmacht an diesem Kriege auf die oben behandelten
Fragen ausüben?

Auf eine Besserung der Beziehungen ist wohl kaum zu rechnen; viel eher
werden die verschiedenen Gegensätze zwischen den beiden Staaten noch stärker
werden.

Wir haben bereits auf die Eroberung von Kiautschau hingewiesen, sowie
auf die voraussichtlich dauernde Festsetzung Japans in der Provinz Schankung.
Wie sich die Verhältnisse beim Friedensschluß gestalten werden, weiß heute kein







*) Vergleiche Daenell: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Seite 1ö3.
"
**) Vergleiche Kjellön: „Die Großmächte der Gegenwart, 1914, Seite 196.
"
Kaneko: „Organisation eines konstitutionellen Staates (in Stead: „Unser Vaterland
Japan", 1904), Seite 28.
->-) Vergleiche Andere: a. a. O., Seite 283 — vergleiche auch Kjellön: a. a. O., Seite 196.
-s-f) Vergleiche Coolidge: a, a. O., Seite 314.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/58>, abgerufen am 29.04.2024.