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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan

könne als die Vereinigten Staaten und Japan. Aber die Medaille hat auch
eine Kehrseite.

Mit der traditionellen Freundschaft ist es nicht mehr so weit her, als man
sich gerne glauben machen möchte. Sie hat einen tiefen Riß erhalten, einen
Riß, der nicht beseitigt werden konnte, obwohl bereits ein Jahrzehnt seitdem
verflossen ist. Dies geschah durch die Haltung Amerikas bei den Friedens¬
verhandlungen in Portsmouth im Jahre 1905. Mögen die japanischen An¬
schuldigungen, daß die Vereinigten Staaten das japanische Volk um die mit
Sicherheit erwartete russische Kriegsentschädigung gebracht haben, wahr sein oder
nicht, jedenfalls ist es Tatsache, daß seit jenen Tagen in den amerikanisch-japanischen
Beziehungen eine starke Trübung herrscht, über die man sich trotz Banketten und
Verbrüderungsfesten nicht hinwegtäuschen kann.

In diesem Punkte besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Verhältnis
Japans zu Rußland und Deutschland. Auch in den freundschaftlichen Beziehungen
zu diesen Ländern hat ihr Eingreifen auf dem Friedensschlüsse von Shimonoseki
1895 eine Wendung zum schlechten zur Folge gehabt: mit Rußland hat Japan
1904/05 abgerechnet, an Deutschland hat es sich 1914/15 durch die Teilnahme
am Weltkriege gerächt. Auch der Tag der Abrechnung mit den Vereinigten
Staaten für ihre Intervention im Jahre 1905 wird kommen, vielleicht, um die
Feststellung Riegelsbergers*) zu vervollständigen, daß Japan in der letzten
Zeit alle zehn Jahre einen Krieg führt, im Jahre 1924/25.

Wie lange es noch gelingt, die endgültige Lösung hinauszuschieben, ist
natmlich nicht ^vorauszusagen; es können zehn, dreißig, fünfzig und mehr
Jahre darüber ins Land gehen, es kann aber ebensogut bereits in der nächsten
Zeit zur Entscheidung kommen. Voraussichtlich aber wird ein wirtschaftlicher
Kampf zwischen den Vereinigten Staaten und Japan vorausgehen, der schließlich
-- ähnlich dem deutsch-englischen Konkurrenzkampfe -- zum politischen Konflikt
ausreifen wird. Wenn die Zeit dann reif ist, werden sich genügend Gründe
finden, die den Bruch herbeiführen; an Kriegsvorwänden hat es in der Welt¬
geschichte ja noch niemals gefehlt.

Jedenfalls wird dieser Krieg früher oder später ausbrechen, denn die
amerikanisch-japanische Frage bildet -- wie wir in kurzen Umrissen gezeigt zu
haben glauben -- gleichsam einen gordischen Knoten, der nur durch das
Schwert gelöst werden kann. Ob der "Alexander", der diesen Knoten lösen
wird, ein Amerikaner oder ein Japaner sein wird, ist natürlich heute
noch völlig ungewiß. Zweifellos sind die Amerikaner ein sehr friedliebendes
Volk, und ihre Verdienste um das Werk der Haager Konferenzen sind
zur Genüge bekannt. Aber "es kann kein Mensch im Frieden leben, wenn
es dem bösen Nachbar nicht gefällt". Die Wahrheit dieses Sprich¬
wortes werden auch die Amerikaner bald erkennen, und sie werden keinen



*) Riegelsberger: a. a. O,, Seite 3ö.
Die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan

könne als die Vereinigten Staaten und Japan. Aber die Medaille hat auch
eine Kehrseite.

Mit der traditionellen Freundschaft ist es nicht mehr so weit her, als man
sich gerne glauben machen möchte. Sie hat einen tiefen Riß erhalten, einen
Riß, der nicht beseitigt werden konnte, obwohl bereits ein Jahrzehnt seitdem
verflossen ist. Dies geschah durch die Haltung Amerikas bei den Friedens¬
verhandlungen in Portsmouth im Jahre 1905. Mögen die japanischen An¬
schuldigungen, daß die Vereinigten Staaten das japanische Volk um die mit
Sicherheit erwartete russische Kriegsentschädigung gebracht haben, wahr sein oder
nicht, jedenfalls ist es Tatsache, daß seit jenen Tagen in den amerikanisch-japanischen
Beziehungen eine starke Trübung herrscht, über die man sich trotz Banketten und
Verbrüderungsfesten nicht hinwegtäuschen kann.

In diesem Punkte besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Verhältnis
Japans zu Rußland und Deutschland. Auch in den freundschaftlichen Beziehungen
zu diesen Ländern hat ihr Eingreifen auf dem Friedensschlüsse von Shimonoseki
1895 eine Wendung zum schlechten zur Folge gehabt: mit Rußland hat Japan
1904/05 abgerechnet, an Deutschland hat es sich 1914/15 durch die Teilnahme
am Weltkriege gerächt. Auch der Tag der Abrechnung mit den Vereinigten
Staaten für ihre Intervention im Jahre 1905 wird kommen, vielleicht, um die
Feststellung Riegelsbergers*) zu vervollständigen, daß Japan in der letzten
Zeit alle zehn Jahre einen Krieg führt, im Jahre 1924/25.

Wie lange es noch gelingt, die endgültige Lösung hinauszuschieben, ist
natmlich nicht ^vorauszusagen; es können zehn, dreißig, fünfzig und mehr
Jahre darüber ins Land gehen, es kann aber ebensogut bereits in der nächsten
Zeit zur Entscheidung kommen. Voraussichtlich aber wird ein wirtschaftlicher
Kampf zwischen den Vereinigten Staaten und Japan vorausgehen, der schließlich
— ähnlich dem deutsch-englischen Konkurrenzkampfe — zum politischen Konflikt
ausreifen wird. Wenn die Zeit dann reif ist, werden sich genügend Gründe
finden, die den Bruch herbeiführen; an Kriegsvorwänden hat es in der Welt¬
geschichte ja noch niemals gefehlt.

Jedenfalls wird dieser Krieg früher oder später ausbrechen, denn die
amerikanisch-japanische Frage bildet — wie wir in kurzen Umrissen gezeigt zu
haben glauben — gleichsam einen gordischen Knoten, der nur durch das
Schwert gelöst werden kann. Ob der „Alexander", der diesen Knoten lösen
wird, ein Amerikaner oder ein Japaner sein wird, ist natürlich heute
noch völlig ungewiß. Zweifellos sind die Amerikaner ein sehr friedliebendes
Volk, und ihre Verdienste um das Werk der Haager Konferenzen sind
zur Genüge bekannt. Aber „es kann kein Mensch im Frieden leben, wenn
es dem bösen Nachbar nicht gefällt". Die Wahrheit dieses Sprich¬
wortes werden auch die Amerikaner bald erkennen, und sie werden keinen



*) Riegelsberger: a. a. O,, Seite 3ö.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/60>, abgerufen am 05.06.2024.