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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

mit der Bemerkung ab, man wisse bei Morus
nie, wo der Ernst aufhöre und der Spott
anfange; das utopische Ideal der Kriegführung
könne als Verhöhnung der Krämer gemeint
sein, die der große Kanzler schon emporkommen
und Einfluß erlangen sah.

Somvart ist ein Meister der Darstellung.
Aber während sonst die künstlerische Plastik
seiner Gestalten entzückt, rauscht diesmal seine
Rede als ein Feuerstrom dahin, in welchem
die Flammen des Zornes und der Begeisterung
lodern, einer Begeisterung, welche die der
jungen Helden, denen die Schrift gewidmet
ist, aufs neue entzünden wird. Sombart
schildert die Undifferenziertheit, Roheit, Platt¬
heit des gesamten englischen Volkes einschlie߬
lich seiner Vornehmsten; seine oberflächliche,
nur auf das Praktische gerichtete Wissenschaft
und Philosophie; seine "hundsgemeine"
Militärisch-, eudämonistische Ethik; die unan¬
ständigen Künste, mit denen England sein
Reich zusammengeraubt und gegaunert habe,
die Niedertracht seiner heutigen Kriegsführung.
Zur modernen Gesamtkultur habe es nur
zwei Originalbeiträge geliefert, den Komfort
und den Sport, und diese beiden Erzeugnisse
englischer Händlerkultur seien wahrer Kultur
im allerhöchsten Grade feind und ab¬
träglich.

Diesem häßlichen Bilde gegenüber läßt
er die reine und hehre Gestalt des deutschen
Helden erstrahlen: seine idealistische Philo¬
sophie und Dichtkunst (als Führer des Chors
deutscher Groszgeister schreitet Friedrich Nietzsche
voran, nur sein "guter Europäer" wird ab¬
gelehnt"; seine Vaterlandsliebe: die opfer¬
bereite Hingabe ans "Ganze, das über uns
lebt, das da ist auch ohne und gegen unfein
Willen" und die nichts zu tun habe "mit
der gemütvollen Anhänglichkeit an die Heimat
und die Scholle"; seine objektiv-organische
Staatsidee, das Gegenteil der rousseauischen
Vertragsidee und des englischen Nachtwächter¬
staats; seinen Militarismus, das sichtbar
gewordene Heldentum, in welchem er seine
heldischen Grundsätze verwirklicht; die Pflege
der Tugenden des freien Mannes (im Gegen¬
satze zum englischen Kult der bürgerlichen
Tugenden); seine Liebe zum Kriege, als dem
Heiligsten auf Erden.

[Spaltenumbruch]

Vor dem Kriege sei diese Heldengesinnung
verdunkelt gewesen; Verengländerung, Materi¬
alisierung, Kommerzialisierung, Verpöbelung,
Verschwendung der Energie auf Nichtigkeiten
habe um sich gegriffen; dieses Leben ohne
Ideale sei nicht mehr Leben gewesen sondern
ein Sterben, eine ekle, stinkende Verwesung,
Vergebens habe man sich mit allerlei Rettungs¬
versuchen abgemüht: mit Ethisierung der
einzelnen, mit dem Suchen nach einer neuen
Religion, mit sozialen Idealen -- das der
Sozialdemokratie sei immer mehr händlerisch
geworden --, bis endlich der Krieg die
Rettung gebracht habe. "Eine Quelle uner¬
schöpflichen idealistischen Heldentums war
wieder aufgebrochen; im Vaterlande war ein
Ideal lebendig geworden, das in der Reich-
Weite jedes Menschen, auch des Ärmsten im
Geiste gelegen war" Der Krieg nun lehre
auch, was wir zu tun haben; er lege die Richt¬
linien unserer Politik und Volkserziehung
fest. Viele Nachkommen zeugen und sie zu
Helden erziehen, sei die nächste Aufgabe, ein
stahlgepanzerter mächtiger Staat und in
seinem Schutz ein freies tüchtiges Volk das
zu verwirklichende Ideal Nachdem wir über
das Ziel uns klar geworden sind, dürften
wir die Technik ihren Eroberungszug fort¬
setzen lassen, da ja unsere Mörser, Flug¬
apparate und Unterseeboote den Sinn der
Technik offenbar gemacht hätten. Jeder Inter¬
nationalismus, sei es der ökonomische, der
institutionelle, der Rechts- oder der Kultur¬
internationalismus, sei abzuweisen; wir
genügen uns selbst und brauchen uns um
die andern, die ja auch von uns nichts wissen
Wollen, nicht zu kümmern.

In der Ablehnung des englischen Wirt¬
schaftssystems, des Mcmchestertums, des Nacht¬
wächterstaates, des Darwinismus und in der
Hochschätzung des Griechentums weiß ich mich
mit Sombart eins. Aber seine Weltan¬
schauung ist nicht die meinige, und daraus
ergeben sich im einzelnen viele Differenzen,
die ohne ausführliche Begründung aufzuzählen
keinen Zweck hätte. Seiner Forderung, daß
wir auf Expansion und Kolonisation ver¬
zichten sollen, muß ich aus sozialen, wirt¬
schaftlichen und politischen Gründen wider¬
sprechen^ (Doch verbietet er Gebietser-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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mit der Bemerkung ab, man wisse bei Morus
nie, wo der Ernst aufhöre und der Spott
anfange; das utopische Ideal der Kriegführung
könne als Verhöhnung der Krämer gemeint
sein, die der große Kanzler schon emporkommen
und Einfluß erlangen sah.

Somvart ist ein Meister der Darstellung.
Aber während sonst die künstlerische Plastik
seiner Gestalten entzückt, rauscht diesmal seine
Rede als ein Feuerstrom dahin, in welchem
die Flammen des Zornes und der Begeisterung
lodern, einer Begeisterung, welche die der
jungen Helden, denen die Schrift gewidmet
ist, aufs neue entzünden wird. Sombart
schildert die Undifferenziertheit, Roheit, Platt¬
heit des gesamten englischen Volkes einschlie߬
lich seiner Vornehmsten; seine oberflächliche,
nur auf das Praktische gerichtete Wissenschaft
und Philosophie; seine „hundsgemeine"
Militärisch-, eudämonistische Ethik; die unan¬
ständigen Künste, mit denen England sein
Reich zusammengeraubt und gegaunert habe,
die Niedertracht seiner heutigen Kriegsführung.
Zur modernen Gesamtkultur habe es nur
zwei Originalbeiträge geliefert, den Komfort
und den Sport, und diese beiden Erzeugnisse
englischer Händlerkultur seien wahrer Kultur
im allerhöchsten Grade feind und ab¬
träglich.

Diesem häßlichen Bilde gegenüber läßt
er die reine und hehre Gestalt des deutschen
Helden erstrahlen: seine idealistische Philo¬
sophie und Dichtkunst (als Führer des Chors
deutscher Groszgeister schreitet Friedrich Nietzsche
voran, nur sein „guter Europäer" wird ab¬
gelehnt»; seine Vaterlandsliebe: die opfer¬
bereite Hingabe ans „Ganze, das über uns
lebt, das da ist auch ohne und gegen unfein
Willen" und die nichts zu tun habe „mit
der gemütvollen Anhänglichkeit an die Heimat
und die Scholle"; seine objektiv-organische
Staatsidee, das Gegenteil der rousseauischen
Vertragsidee und des englischen Nachtwächter¬
staats; seinen Militarismus, das sichtbar
gewordene Heldentum, in welchem er seine
heldischen Grundsätze verwirklicht; die Pflege
der Tugenden des freien Mannes (im Gegen¬
satze zum englischen Kult der bürgerlichen
Tugenden); seine Liebe zum Kriege, als dem
Heiligsten auf Erden.

[Spaltenumbruch]

Vor dem Kriege sei diese Heldengesinnung
verdunkelt gewesen; Verengländerung, Materi¬
alisierung, Kommerzialisierung, Verpöbelung,
Verschwendung der Energie auf Nichtigkeiten
habe um sich gegriffen; dieses Leben ohne
Ideale sei nicht mehr Leben gewesen sondern
ein Sterben, eine ekle, stinkende Verwesung,
Vergebens habe man sich mit allerlei Rettungs¬
versuchen abgemüht: mit Ethisierung der
einzelnen, mit dem Suchen nach einer neuen
Religion, mit sozialen Idealen — das der
Sozialdemokratie sei immer mehr händlerisch
geworden —, bis endlich der Krieg die
Rettung gebracht habe. „Eine Quelle uner¬
schöpflichen idealistischen Heldentums war
wieder aufgebrochen; im Vaterlande war ein
Ideal lebendig geworden, das in der Reich-
Weite jedes Menschen, auch des Ärmsten im
Geiste gelegen war" Der Krieg nun lehre
auch, was wir zu tun haben; er lege die Richt¬
linien unserer Politik und Volkserziehung
fest. Viele Nachkommen zeugen und sie zu
Helden erziehen, sei die nächste Aufgabe, ein
stahlgepanzerter mächtiger Staat und in
seinem Schutz ein freies tüchtiges Volk das
zu verwirklichende Ideal Nachdem wir über
das Ziel uns klar geworden sind, dürften
wir die Technik ihren Eroberungszug fort¬
setzen lassen, da ja unsere Mörser, Flug¬
apparate und Unterseeboote den Sinn der
Technik offenbar gemacht hätten. Jeder Inter¬
nationalismus, sei es der ökonomische, der
institutionelle, der Rechts- oder der Kultur¬
internationalismus, sei abzuweisen; wir
genügen uns selbst und brauchen uns um
die andern, die ja auch von uns nichts wissen
Wollen, nicht zu kümmern.

In der Ablehnung des englischen Wirt¬
schaftssystems, des Mcmchestertums, des Nacht¬
wächterstaates, des Darwinismus und in der
Hochschätzung des Griechentums weiß ich mich
mit Sombart eins. Aber seine Weltan¬
schauung ist nicht die meinige, und daraus
ergeben sich im einzelnen viele Differenzen,
die ohne ausführliche Begründung aufzuzählen
keinen Zweck hätte. Seiner Forderung, daß
wir auf Expansion und Kolonisation ver¬
zichten sollen, muß ich aus sozialen, wirt¬
schaftlichen und politischen Gründen wider¬
sprechen^ (Doch verbietet er Gebietser-

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[0075] Maßgebliches und Unmaßgebliches mit der Bemerkung ab, man wisse bei Morus nie, wo der Ernst aufhöre und der Spott anfange; das utopische Ideal der Kriegführung könne als Verhöhnung der Krämer gemeint sein, die der große Kanzler schon emporkommen und Einfluß erlangen sah. Somvart ist ein Meister der Darstellung. Aber während sonst die künstlerische Plastik seiner Gestalten entzückt, rauscht diesmal seine Rede als ein Feuerstrom dahin, in welchem die Flammen des Zornes und der Begeisterung lodern, einer Begeisterung, welche die der jungen Helden, denen die Schrift gewidmet ist, aufs neue entzünden wird. Sombart schildert die Undifferenziertheit, Roheit, Platt¬ heit des gesamten englischen Volkes einschlie߬ lich seiner Vornehmsten; seine oberflächliche, nur auf das Praktische gerichtete Wissenschaft und Philosophie; seine „hundsgemeine" Militärisch-, eudämonistische Ethik; die unan¬ ständigen Künste, mit denen England sein Reich zusammengeraubt und gegaunert habe, die Niedertracht seiner heutigen Kriegsführung. Zur modernen Gesamtkultur habe es nur zwei Originalbeiträge geliefert, den Komfort und den Sport, und diese beiden Erzeugnisse englischer Händlerkultur seien wahrer Kultur im allerhöchsten Grade feind und ab¬ träglich. Diesem häßlichen Bilde gegenüber läßt er die reine und hehre Gestalt des deutschen Helden erstrahlen: seine idealistische Philo¬ sophie und Dichtkunst (als Führer des Chors deutscher Groszgeister schreitet Friedrich Nietzsche voran, nur sein „guter Europäer" wird ab¬ gelehnt»; seine Vaterlandsliebe: die opfer¬ bereite Hingabe ans „Ganze, das über uns lebt, das da ist auch ohne und gegen unfein Willen" und die nichts zu tun habe „mit der gemütvollen Anhänglichkeit an die Heimat und die Scholle"; seine objektiv-organische Staatsidee, das Gegenteil der rousseauischen Vertragsidee und des englischen Nachtwächter¬ staats; seinen Militarismus, das sichtbar gewordene Heldentum, in welchem er seine heldischen Grundsätze verwirklicht; die Pflege der Tugenden des freien Mannes (im Gegen¬ satze zum englischen Kult der bürgerlichen Tugenden); seine Liebe zum Kriege, als dem Heiligsten auf Erden. Vor dem Kriege sei diese Heldengesinnung verdunkelt gewesen; Verengländerung, Materi¬ alisierung, Kommerzialisierung, Verpöbelung, Verschwendung der Energie auf Nichtigkeiten habe um sich gegriffen; dieses Leben ohne Ideale sei nicht mehr Leben gewesen sondern ein Sterben, eine ekle, stinkende Verwesung, Vergebens habe man sich mit allerlei Rettungs¬ versuchen abgemüht: mit Ethisierung der einzelnen, mit dem Suchen nach einer neuen Religion, mit sozialen Idealen — das der Sozialdemokratie sei immer mehr händlerisch geworden —, bis endlich der Krieg die Rettung gebracht habe. „Eine Quelle uner¬ schöpflichen idealistischen Heldentums war wieder aufgebrochen; im Vaterlande war ein Ideal lebendig geworden, das in der Reich- Weite jedes Menschen, auch des Ärmsten im Geiste gelegen war" Der Krieg nun lehre auch, was wir zu tun haben; er lege die Richt¬ linien unserer Politik und Volkserziehung fest. Viele Nachkommen zeugen und sie zu Helden erziehen, sei die nächste Aufgabe, ein stahlgepanzerter mächtiger Staat und in seinem Schutz ein freies tüchtiges Volk das zu verwirklichende Ideal Nachdem wir über das Ziel uns klar geworden sind, dürften wir die Technik ihren Eroberungszug fort¬ setzen lassen, da ja unsere Mörser, Flug¬ apparate und Unterseeboote den Sinn der Technik offenbar gemacht hätten. Jeder Inter¬ nationalismus, sei es der ökonomische, der institutionelle, der Rechts- oder der Kultur¬ internationalismus, sei abzuweisen; wir genügen uns selbst und brauchen uns um die andern, die ja auch von uns nichts wissen Wollen, nicht zu kümmern. In der Ablehnung des englischen Wirt¬ schaftssystems, des Mcmchestertums, des Nacht¬ wächterstaates, des Darwinismus und in der Hochschätzung des Griechentums weiß ich mich mit Sombart eins. Aber seine Weltan¬ schauung ist nicht die meinige, und daraus ergeben sich im einzelnen viele Differenzen, die ohne ausführliche Begründung aufzuzählen keinen Zweck hätte. Seiner Forderung, daß wir auf Expansion und Kolonisation ver¬ zichten sollen, muß ich aus sozialen, wirt¬ schaftlichen und politischen Gründen wider¬ sprechen^ (Doch verbietet er Gebietser-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/75>, abgerufen am 02.05.2024.