Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Weltkrieg und die Preise der Lebensmittel

Belgien eine Verordnung erlassen worden, nach welcher ein Einheitsbrot
gebacken wird. Beachtenswert ist ferner der Umstand, daß zwischen der
deutschen und französischen Regierung eine Verständigung betreffs der
Verproviantierung der Zivilbevölkerung der von den deutschen Truppen besetzten
Departements Nordfrankreichs getroffen worden ist.

Dieser Krieg zeigt so recht die Wichtigkeit der eigenen Landwirtschaft eines
Landes. Die Preisfrage der notwendigsten Lebensmittel hängt nicht zuletzt
von ihr ab. Für Deutschland spricht die Tatsache, daß das machtvolle Empor¬
streben des Gewerbefleißes nicht den Niedergang der Landwirtschaft herbei¬
geführt hat wie beispielsweise in England, welches seine Weltstellung als
Industriestaat und Handelsmacht nur mit dem völligen Ruin seiner Land¬
wirtschaft hat erkaufen können. Erfreulicherweise wird nun über gute Ernte¬
aussichten in Deutschland, Österreich-Ungarn und der Türkei berichtet. Wesentlich
anders liegen hier die Verhältnisse bei unseren Gegnern. So wird in
Frankreich allein schon der Kartoffelverlust, den die französische Landwirtschaft
infolge besetzter Gebiete hat, auf 40 Millionen Zentner berechnet. In Rußland
fehlen 15 bis 20 Prozent Arbeiter für die Feldbestellung und ebensoviel
Arbeitsvieh. Im Ssamaraschen Gouvernement blieben beispielsweise nach Daten
der Semstwoverwaltung von 402 000 Dessjätin Saatfläche allein 97 000
unbestellt.

Die annehmbaren Verhältnisse Deutschlands in punkto der Preisfrage der
notwendigsten Lebensmittel sind nun schon verschiedentlich von Vertretern der
Presse der neutralen Staaten, die zu diesem Zwecke Deutschland bereist haben,
bestätigt worden. So schreibt im März 1915 beispielsweise der Redakteur
von "Nordsjällands Venstreblad" unter anderen: "Man spricht davon, daß man in
Deutschland hungert. Gewiß es ist viel Not vorhanden, aber ein Notzustand,
wie man sich ihn im Ausland denkt, existiert nicht. Ich lebte während meines
Aufenthaltes in Deutschland gut und billig, allein hiermit rechne ich nicht.
Mehr Gewicht lege ich darauf, daß die Preise der Lebensmittel, welche in den
Läden der Arbeiterviertel Berlins feilgeboten werden, verhältnismäßig billig
zu nennen sind." Diese und ähnliche Äußerungen entkräften ohne alle
Frage die vielen Lügenmeldungen und Ammenmärchen, die von London,
Paris und Petersburg aus über die deutschen und österreich-ungarischen
Verhältnisse in die Welt gesetzt werden. Aber selbst auch unsere Gegner
müssen notgedrungen die deutsche Vollkommenheit anerkennen. So wurde erst
kürzlich im englischen Unterhaus bekundet, daß es Enttäuschung verursache, daß
das englische Handelsamt im Gegensatze zu Deutschland und Österreich-Ungarn
seine großen Machtbefugnisse nicht erfolgreicher benutzt habe, um die Preise
der Lebensmittel und sonstigen Bedürfnisse Englands zu regulieren.




Der Weltkrieg und die Preise der Lebensmittel

Belgien eine Verordnung erlassen worden, nach welcher ein Einheitsbrot
gebacken wird. Beachtenswert ist ferner der Umstand, daß zwischen der
deutschen und französischen Regierung eine Verständigung betreffs der
Verproviantierung der Zivilbevölkerung der von den deutschen Truppen besetzten
Departements Nordfrankreichs getroffen worden ist.

Dieser Krieg zeigt so recht die Wichtigkeit der eigenen Landwirtschaft eines
Landes. Die Preisfrage der notwendigsten Lebensmittel hängt nicht zuletzt
von ihr ab. Für Deutschland spricht die Tatsache, daß das machtvolle Empor¬
streben des Gewerbefleißes nicht den Niedergang der Landwirtschaft herbei¬
geführt hat wie beispielsweise in England, welches seine Weltstellung als
Industriestaat und Handelsmacht nur mit dem völligen Ruin seiner Land¬
wirtschaft hat erkaufen können. Erfreulicherweise wird nun über gute Ernte¬
aussichten in Deutschland, Österreich-Ungarn und der Türkei berichtet. Wesentlich
anders liegen hier die Verhältnisse bei unseren Gegnern. So wird in
Frankreich allein schon der Kartoffelverlust, den die französische Landwirtschaft
infolge besetzter Gebiete hat, auf 40 Millionen Zentner berechnet. In Rußland
fehlen 15 bis 20 Prozent Arbeiter für die Feldbestellung und ebensoviel
Arbeitsvieh. Im Ssamaraschen Gouvernement blieben beispielsweise nach Daten
der Semstwoverwaltung von 402 000 Dessjätin Saatfläche allein 97 000
unbestellt.

Die annehmbaren Verhältnisse Deutschlands in punkto der Preisfrage der
notwendigsten Lebensmittel sind nun schon verschiedentlich von Vertretern der
Presse der neutralen Staaten, die zu diesem Zwecke Deutschland bereist haben,
bestätigt worden. So schreibt im März 1915 beispielsweise der Redakteur
von „Nordsjällands Venstreblad" unter anderen: „Man spricht davon, daß man in
Deutschland hungert. Gewiß es ist viel Not vorhanden, aber ein Notzustand,
wie man sich ihn im Ausland denkt, existiert nicht. Ich lebte während meines
Aufenthaltes in Deutschland gut und billig, allein hiermit rechne ich nicht.
Mehr Gewicht lege ich darauf, daß die Preise der Lebensmittel, welche in den
Läden der Arbeiterviertel Berlins feilgeboten werden, verhältnismäßig billig
zu nennen sind." Diese und ähnliche Äußerungen entkräften ohne alle
Frage die vielen Lügenmeldungen und Ammenmärchen, die von London,
Paris und Petersburg aus über die deutschen und österreich-ungarischen
Verhältnisse in die Welt gesetzt werden. Aber selbst auch unsere Gegner
müssen notgedrungen die deutsche Vollkommenheit anerkennen. So wurde erst
kürzlich im englischen Unterhaus bekundet, daß es Enttäuschung verursache, daß
das englische Handelsamt im Gegensatze zu Deutschland und Österreich-Ungarn
seine großen Machtbefugnisse nicht erfolgreicher benutzt habe, um die Preise
der Lebensmittel und sonstigen Bedürfnisse Englands zu regulieren.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324108"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Weltkrieg und die Preise der Lebensmittel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_379" prev="#ID_378"> Belgien eine Verordnung erlassen worden, nach welcher ein Einheitsbrot<lb/>
gebacken wird. Beachtenswert ist ferner der Umstand, daß zwischen der<lb/>
deutschen und französischen Regierung eine Verständigung betreffs der<lb/>
Verproviantierung der Zivilbevölkerung der von den deutschen Truppen besetzten<lb/>
Departements Nordfrankreichs getroffen worden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_380"> Dieser Krieg zeigt so recht die Wichtigkeit der eigenen Landwirtschaft eines<lb/>
Landes. Die Preisfrage der notwendigsten Lebensmittel hängt nicht zuletzt<lb/>
von ihr ab. Für Deutschland spricht die Tatsache, daß das machtvolle Empor¬<lb/>
streben des Gewerbefleißes nicht den Niedergang der Landwirtschaft herbei¬<lb/>
geführt hat wie beispielsweise in England, welches seine Weltstellung als<lb/>
Industriestaat und Handelsmacht nur mit dem völligen Ruin seiner Land¬<lb/>
wirtschaft hat erkaufen können. Erfreulicherweise wird nun über gute Ernte¬<lb/>
aussichten in Deutschland, Österreich-Ungarn und der Türkei berichtet. Wesentlich<lb/>
anders liegen hier die Verhältnisse bei unseren Gegnern. So wird in<lb/>
Frankreich allein schon der Kartoffelverlust, den die französische Landwirtschaft<lb/>
infolge besetzter Gebiete hat, auf 40 Millionen Zentner berechnet. In Rußland<lb/>
fehlen 15 bis 20 Prozent Arbeiter für die Feldbestellung und ebensoviel<lb/>
Arbeitsvieh. Im Ssamaraschen Gouvernement blieben beispielsweise nach Daten<lb/>
der Semstwoverwaltung von 402 000 Dessjätin Saatfläche allein 97 000<lb/>
unbestellt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_381"> Die annehmbaren Verhältnisse Deutschlands in punkto der Preisfrage der<lb/>
notwendigsten Lebensmittel sind nun schon verschiedentlich von Vertretern der<lb/>
Presse der neutralen Staaten, die zu diesem Zwecke Deutschland bereist haben,<lb/>
bestätigt worden. So schreibt im März 1915 beispielsweise der Redakteur<lb/>
von &#x201E;Nordsjällands Venstreblad" unter anderen: &#x201E;Man spricht davon, daß man in<lb/>
Deutschland hungert. Gewiß es ist viel Not vorhanden, aber ein Notzustand,<lb/>
wie man sich ihn im Ausland denkt, existiert nicht. Ich lebte während meines<lb/>
Aufenthaltes in Deutschland gut und billig, allein hiermit rechne ich nicht.<lb/>
Mehr Gewicht lege ich darauf, daß die Preise der Lebensmittel, welche in den<lb/>
Läden der Arbeiterviertel Berlins feilgeboten werden, verhältnismäßig billig<lb/>
zu nennen sind." Diese und ähnliche Äußerungen entkräften ohne alle<lb/>
Frage die vielen Lügenmeldungen und Ammenmärchen, die von London,<lb/>
Paris und Petersburg aus über die deutschen und österreich-ungarischen<lb/>
Verhältnisse in die Welt gesetzt werden. Aber selbst auch unsere Gegner<lb/>
müssen notgedrungen die deutsche Vollkommenheit anerkennen. So wurde erst<lb/>
kürzlich im englischen Unterhaus bekundet, daß es Enttäuschung verursache, daß<lb/>
das englische Handelsamt im Gegensatze zu Deutschland und Österreich-Ungarn<lb/>
seine großen Machtbefugnisse nicht erfolgreicher benutzt habe, um die Preise<lb/>
der Lebensmittel und sonstigen Bedürfnisse Englands zu regulieren.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] Der Weltkrieg und die Preise der Lebensmittel Belgien eine Verordnung erlassen worden, nach welcher ein Einheitsbrot gebacken wird. Beachtenswert ist ferner der Umstand, daß zwischen der deutschen und französischen Regierung eine Verständigung betreffs der Verproviantierung der Zivilbevölkerung der von den deutschen Truppen besetzten Departements Nordfrankreichs getroffen worden ist. Dieser Krieg zeigt so recht die Wichtigkeit der eigenen Landwirtschaft eines Landes. Die Preisfrage der notwendigsten Lebensmittel hängt nicht zuletzt von ihr ab. Für Deutschland spricht die Tatsache, daß das machtvolle Empor¬ streben des Gewerbefleißes nicht den Niedergang der Landwirtschaft herbei¬ geführt hat wie beispielsweise in England, welches seine Weltstellung als Industriestaat und Handelsmacht nur mit dem völligen Ruin seiner Land¬ wirtschaft hat erkaufen können. Erfreulicherweise wird nun über gute Ernte¬ aussichten in Deutschland, Österreich-Ungarn und der Türkei berichtet. Wesentlich anders liegen hier die Verhältnisse bei unseren Gegnern. So wird in Frankreich allein schon der Kartoffelverlust, den die französische Landwirtschaft infolge besetzter Gebiete hat, auf 40 Millionen Zentner berechnet. In Rußland fehlen 15 bis 20 Prozent Arbeiter für die Feldbestellung und ebensoviel Arbeitsvieh. Im Ssamaraschen Gouvernement blieben beispielsweise nach Daten der Semstwoverwaltung von 402 000 Dessjätin Saatfläche allein 97 000 unbestellt. Die annehmbaren Verhältnisse Deutschlands in punkto der Preisfrage der notwendigsten Lebensmittel sind nun schon verschiedentlich von Vertretern der Presse der neutralen Staaten, die zu diesem Zwecke Deutschland bereist haben, bestätigt worden. So schreibt im März 1915 beispielsweise der Redakteur von „Nordsjällands Venstreblad" unter anderen: „Man spricht davon, daß man in Deutschland hungert. Gewiß es ist viel Not vorhanden, aber ein Notzustand, wie man sich ihn im Ausland denkt, existiert nicht. Ich lebte während meines Aufenthaltes in Deutschland gut und billig, allein hiermit rechne ich nicht. Mehr Gewicht lege ich darauf, daß die Preise der Lebensmittel, welche in den Läden der Arbeiterviertel Berlins feilgeboten werden, verhältnismäßig billig zu nennen sind." Diese und ähnliche Äußerungen entkräften ohne alle Frage die vielen Lügenmeldungen und Ammenmärchen, die von London, Paris und Petersburg aus über die deutschen und österreich-ungarischen Verhältnisse in die Welt gesetzt werden. Aber selbst auch unsere Gegner müssen notgedrungen die deutsche Vollkommenheit anerkennen. So wurde erst kürzlich im englischen Unterhaus bekundet, daß es Enttäuschung verursache, daß das englische Handelsamt im Gegensatze zu Deutschland und Österreich-Ungarn seine großen Machtbefugnisse nicht erfolgreicher benutzt habe, um die Preise der Lebensmittel und sonstigen Bedürfnisse Englands zu regulieren.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/135
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/135>, abgerufen am 09.06.2024.