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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die heutige Soldatensprache -- ein Vorschlag zu ihrer Sammlung

hinaus feinfühliges Verständnis für die Regungen der Volksseele besitzen, die
nicht nur das Ziel eines Lexikon oder Thesaurus oder nur eine Vorarbeit
ins Auge fassen, sondern die Soldaten spräche als Ausdrucksformen des
deutschen Geistes verstehen und verständlich machen. Eine solche Organisation
müßte zugleich Fühlung genug mit dem Leben und mit der Presse, sowie
wissenschaftliche und sonstige Autorität haben, um diese Aufgabe nicht nur
anzupacken, sondern auch vorwärts und fertig zu bringen. Sie müßte oben
zugespitzt und einheitlich zentralisiert, unten aber so breit und tief wie möglich
in der Masse verankert sein, durch Aufsätze und Aufrufe die Mitarbeit der
Menschen da draußen und in der Heimat erzielen und so ein Werk schaffen,
das noch im verblaßten Einzelwort den Rhythmus des Krieges, den
funkelnden Glanz hoher Gesinnung und die Hingerissenheit einer Generation
spüren läßt.

So aufgebaut atmet eine solche "Sammlung der Soldatensprache" den
Geist der Zeit, aus der sie Daseinsberechtigung, ja Notwendigkeit schöpft.
Ihre Worte und Werte aber wie ihre literarhistorische Einordnung ausführlich
darzustellen, führt hier und jetzt zu weit, gehört in die Vorarbeit und Einleitung
zu dem großen Werk, das hier vorgeschlagen wird; doch auch an
wenigen Beispielen, die jeder aus eigener Erfahrung mehrt und bestätigt,
lassen sich Elemente, Mittel und Motive dieser Soldatensprache deutlich um¬
schreiben.

Man glaube aber nicht, daß eine solche wissenschaftliche Behandlung eine
Verwässerung hohen Soldatengeistes sei oder eine Herabwürdigung großen
Gefühls ... im Gegenteil, sie lehrt im Ausschnitt sprachlicher Betrachtung
erkennen, welche förderlichen und fortbildenden Sprach- und Kulturwerte der
scheinbar so harte und kulturlose Beruf des Soldaten auf abliegenden Gebiete
schafft. Ja, es wäre denkbar und nicht nur für Volks-, sondern erst recht für
Völkerpsychologie wertvoll, wenn solche Untersuchung durch eigene Kenntnis,
durch Befragung von Gefangenen oder durch Forschung fremder Gelehrter,
jetzt oder in späteren Zeiten, auf die anderen kriegführenden Völker ausgedehnt
würde; Material an Gefangenen wie an Ausdrücken gäbe es genug. Es
ergäbe sich eine lehrreiche Vergleichung, die auf die künstlerische Eigenart wie
auf den Charakter, die Weltbetrachtung der einzelnen Nationen Helles Licht
würfe. Und zugleich wäre diese Arbeit ein Zeichen der weiterarbeitenden,
zukunftbereitenden Wissenschaft, die doch, weit entfernt von schädlichem, törichten,
weil übertriebenen Internationalismus, voll zurückhaltender Stolzes es
ablehnt, etwa durch eine Hintertür irgendwelchen allzuweichlichen, falsch be¬
gonnenen und hastig fortgeführten "weltbürgerlichen" Bestrebungen Eingang zu
verschaffen.

Aus solchen allgemeinen Ausblicken erklärt sich das Interesse, das die
Gesamtheit an der Soldatensprache haben müßte, in der, genau wie in der
Weltanschauung, sich Ethik und Kultur, Gesinnung und Gesittung, "der Geist


Die heutige Soldatensprache — ein Vorschlag zu ihrer Sammlung

hinaus feinfühliges Verständnis für die Regungen der Volksseele besitzen, die
nicht nur das Ziel eines Lexikon oder Thesaurus oder nur eine Vorarbeit
ins Auge fassen, sondern die Soldaten spräche als Ausdrucksformen des
deutschen Geistes verstehen und verständlich machen. Eine solche Organisation
müßte zugleich Fühlung genug mit dem Leben und mit der Presse, sowie
wissenschaftliche und sonstige Autorität haben, um diese Aufgabe nicht nur
anzupacken, sondern auch vorwärts und fertig zu bringen. Sie müßte oben
zugespitzt und einheitlich zentralisiert, unten aber so breit und tief wie möglich
in der Masse verankert sein, durch Aufsätze und Aufrufe die Mitarbeit der
Menschen da draußen und in der Heimat erzielen und so ein Werk schaffen,
das noch im verblaßten Einzelwort den Rhythmus des Krieges, den
funkelnden Glanz hoher Gesinnung und die Hingerissenheit einer Generation
spüren läßt.

So aufgebaut atmet eine solche „Sammlung der Soldatensprache" den
Geist der Zeit, aus der sie Daseinsberechtigung, ja Notwendigkeit schöpft.
Ihre Worte und Werte aber wie ihre literarhistorische Einordnung ausführlich
darzustellen, führt hier und jetzt zu weit, gehört in die Vorarbeit und Einleitung
zu dem großen Werk, das hier vorgeschlagen wird; doch auch an
wenigen Beispielen, die jeder aus eigener Erfahrung mehrt und bestätigt,
lassen sich Elemente, Mittel und Motive dieser Soldatensprache deutlich um¬
schreiben.

Man glaube aber nicht, daß eine solche wissenschaftliche Behandlung eine
Verwässerung hohen Soldatengeistes sei oder eine Herabwürdigung großen
Gefühls ... im Gegenteil, sie lehrt im Ausschnitt sprachlicher Betrachtung
erkennen, welche förderlichen und fortbildenden Sprach- und Kulturwerte der
scheinbar so harte und kulturlose Beruf des Soldaten auf abliegenden Gebiete
schafft. Ja, es wäre denkbar und nicht nur für Volks-, sondern erst recht für
Völkerpsychologie wertvoll, wenn solche Untersuchung durch eigene Kenntnis,
durch Befragung von Gefangenen oder durch Forschung fremder Gelehrter,
jetzt oder in späteren Zeiten, auf die anderen kriegführenden Völker ausgedehnt
würde; Material an Gefangenen wie an Ausdrücken gäbe es genug. Es
ergäbe sich eine lehrreiche Vergleichung, die auf die künstlerische Eigenart wie
auf den Charakter, die Weltbetrachtung der einzelnen Nationen Helles Licht
würfe. Und zugleich wäre diese Arbeit ein Zeichen der weiterarbeitenden,
zukunftbereitenden Wissenschaft, die doch, weit entfernt von schädlichem, törichten,
weil übertriebenen Internationalismus, voll zurückhaltender Stolzes es
ablehnt, etwa durch eine Hintertür irgendwelchen allzuweichlichen, falsch be¬
gonnenen und hastig fortgeführten „weltbürgerlichen" Bestrebungen Eingang zu
verschaffen.

Aus solchen allgemeinen Ausblicken erklärt sich das Interesse, das die
Gesamtheit an der Soldatensprache haben müßte, in der, genau wie in der
Weltanschauung, sich Ethik und Kultur, Gesinnung und Gesittung, „der Geist


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[0186] Die heutige Soldatensprache — ein Vorschlag zu ihrer Sammlung hinaus feinfühliges Verständnis für die Regungen der Volksseele besitzen, die nicht nur das Ziel eines Lexikon oder Thesaurus oder nur eine Vorarbeit ins Auge fassen, sondern die Soldaten spräche als Ausdrucksformen des deutschen Geistes verstehen und verständlich machen. Eine solche Organisation müßte zugleich Fühlung genug mit dem Leben und mit der Presse, sowie wissenschaftliche und sonstige Autorität haben, um diese Aufgabe nicht nur anzupacken, sondern auch vorwärts und fertig zu bringen. Sie müßte oben zugespitzt und einheitlich zentralisiert, unten aber so breit und tief wie möglich in der Masse verankert sein, durch Aufsätze und Aufrufe die Mitarbeit der Menschen da draußen und in der Heimat erzielen und so ein Werk schaffen, das noch im verblaßten Einzelwort den Rhythmus des Krieges, den funkelnden Glanz hoher Gesinnung und die Hingerissenheit einer Generation spüren läßt. So aufgebaut atmet eine solche „Sammlung der Soldatensprache" den Geist der Zeit, aus der sie Daseinsberechtigung, ja Notwendigkeit schöpft. Ihre Worte und Werte aber wie ihre literarhistorische Einordnung ausführlich darzustellen, führt hier und jetzt zu weit, gehört in die Vorarbeit und Einleitung zu dem großen Werk, das hier vorgeschlagen wird; doch auch an wenigen Beispielen, die jeder aus eigener Erfahrung mehrt und bestätigt, lassen sich Elemente, Mittel und Motive dieser Soldatensprache deutlich um¬ schreiben. Man glaube aber nicht, daß eine solche wissenschaftliche Behandlung eine Verwässerung hohen Soldatengeistes sei oder eine Herabwürdigung großen Gefühls ... im Gegenteil, sie lehrt im Ausschnitt sprachlicher Betrachtung erkennen, welche förderlichen und fortbildenden Sprach- und Kulturwerte der scheinbar so harte und kulturlose Beruf des Soldaten auf abliegenden Gebiete schafft. Ja, es wäre denkbar und nicht nur für Volks-, sondern erst recht für Völkerpsychologie wertvoll, wenn solche Untersuchung durch eigene Kenntnis, durch Befragung von Gefangenen oder durch Forschung fremder Gelehrter, jetzt oder in späteren Zeiten, auf die anderen kriegführenden Völker ausgedehnt würde; Material an Gefangenen wie an Ausdrücken gäbe es genug. Es ergäbe sich eine lehrreiche Vergleichung, die auf die künstlerische Eigenart wie auf den Charakter, die Weltbetrachtung der einzelnen Nationen Helles Licht würfe. Und zugleich wäre diese Arbeit ein Zeichen der weiterarbeitenden, zukunftbereitenden Wissenschaft, die doch, weit entfernt von schädlichem, törichten, weil übertriebenen Internationalismus, voll zurückhaltender Stolzes es ablehnt, etwa durch eine Hintertür irgendwelchen allzuweichlichen, falsch be¬ gonnenen und hastig fortgeführten „weltbürgerlichen" Bestrebungen Eingang zu verschaffen. Aus solchen allgemeinen Ausblicken erklärt sich das Interesse, das die Gesamtheit an der Soldatensprache haben müßte, in der, genau wie in der Weltanschauung, sich Ethik und Kultur, Gesinnung und Gesittung, „der Geist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/186>, abgerufen am 09.06.2024.