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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Kriegsliteratur

besonders im Orient äußerst wichtigen Gebiete muß daher nach dem Frieden
sehr viel geschehen, damit es uns gelingt, den bisher noch vorherrschenden
französischen und englisch-amerikanischen Einfluß auf dem Gebiete des Schul¬
wesens in Ägypten und im Orient überhaupt zu brechen.

Als Ziel des jetzigen Krieges für die ägyptische Frage fordert Meyer.
"Deutschland und seinen Bundesgenossen wie in der gesamten Levante so auch
in Ägypten die Bahn für einen starken wirtschaftlichen und kulturellen Einfluß
freizumachen".

In derselben Sammlung wie die Meyersche Schrift erschien auch eine
Arbeit von Dr. Richard Hennig: "Der Kampf um den Suezkanal." Der
Verfasser gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte und die völkerrechtliche
Stellung des Suezkanals; er zeigt, wie England nach anfänglicher schroffer
Abneigung gegen den Kanalbau in den siebziger Jahren unter dem Ministerium
Disraeli plötzlich daran ging, den größten Teil der Suezkanalaktien aus¬
zulaufen, und wie die englische Regierung es bei Abschluß der Suezkanalakten
vom 29. Oktober 1883 verstanden hat, durch einen Vorbehalt die Bestimmungen
dieses Vertrages derartig zu drehen, "daß England am Suezkanal jederzeit
schalten und walten kann, wie es ihm beliebt, während alle anderen Staaten
nach englischen Wünschen ohne Einschränkung an die Kanalakte von 1838
gebunden sein sollen". -- Nach einer kurzen Darlegung der wirtschaftlichen
Bedeutung des Kanals bespricht dann Hennig den Vormarsch der Türken gegen
Ägypten und die Operationen auf der Sinaihalbinsel, wobei es die Türken
bisher vermieden haben, das wichtige Kulturwerk zu zerstören, obwohl dieses
sicherlich im militärischen Interesse gelegen hätte, um den englischen Truppen¬
transporten aus Indien und Australien den Weg zu verlegen.

Am Schluß seiner Schrift tritt der Versasser dafür ein. daß der Kanal
nach dem Kriege das werden muß, was er auf dem Papier schon längst ist:
ein internationales und neutrales Gewässer, dessen Verwaltung und Beauf¬
sichtigung niemals mehr einer einzigen Nation anvertraut wird, nachdem sich
der bisherige Vertrauensmann Europas, England, grobe Unredlichkeit in der
Verwaltung hat zuschulden kommen lassen.

Das Schicksal des Kanals und Ägyptens wird aber nicht am Suezkanal
oder im Niltale, sondern an den Dardanellen entschieden werden, um deren
Bezwingung sich England und Frankreich nun schon seit Monaten trotz der
größten Opfer vergeblich bemühen und -- "in-Schah-allah" -- bemühen werden.




Kriegsliteratur

besonders im Orient äußerst wichtigen Gebiete muß daher nach dem Frieden
sehr viel geschehen, damit es uns gelingt, den bisher noch vorherrschenden
französischen und englisch-amerikanischen Einfluß auf dem Gebiete des Schul¬
wesens in Ägypten und im Orient überhaupt zu brechen.

Als Ziel des jetzigen Krieges für die ägyptische Frage fordert Meyer.
„Deutschland und seinen Bundesgenossen wie in der gesamten Levante so auch
in Ägypten die Bahn für einen starken wirtschaftlichen und kulturellen Einfluß
freizumachen".

In derselben Sammlung wie die Meyersche Schrift erschien auch eine
Arbeit von Dr. Richard Hennig: „Der Kampf um den Suezkanal." Der
Verfasser gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte und die völkerrechtliche
Stellung des Suezkanals; er zeigt, wie England nach anfänglicher schroffer
Abneigung gegen den Kanalbau in den siebziger Jahren unter dem Ministerium
Disraeli plötzlich daran ging, den größten Teil der Suezkanalaktien aus¬
zulaufen, und wie die englische Regierung es bei Abschluß der Suezkanalakten
vom 29. Oktober 1883 verstanden hat, durch einen Vorbehalt die Bestimmungen
dieses Vertrages derartig zu drehen, „daß England am Suezkanal jederzeit
schalten und walten kann, wie es ihm beliebt, während alle anderen Staaten
nach englischen Wünschen ohne Einschränkung an die Kanalakte von 1838
gebunden sein sollen". — Nach einer kurzen Darlegung der wirtschaftlichen
Bedeutung des Kanals bespricht dann Hennig den Vormarsch der Türken gegen
Ägypten und die Operationen auf der Sinaihalbinsel, wobei es die Türken
bisher vermieden haben, das wichtige Kulturwerk zu zerstören, obwohl dieses
sicherlich im militärischen Interesse gelegen hätte, um den englischen Truppen¬
transporten aus Indien und Australien den Weg zu verlegen.

Am Schluß seiner Schrift tritt der Versasser dafür ein. daß der Kanal
nach dem Kriege das werden muß, was er auf dem Papier schon längst ist:
ein internationales und neutrales Gewässer, dessen Verwaltung und Beauf¬
sichtigung niemals mehr einer einzigen Nation anvertraut wird, nachdem sich
der bisherige Vertrauensmann Europas, England, grobe Unredlichkeit in der
Verwaltung hat zuschulden kommen lassen.

Das Schicksal des Kanals und Ägyptens wird aber nicht am Suezkanal
oder im Niltale, sondern an den Dardanellen entschieden werden, um deren
Bezwingung sich England und Frankreich nun schon seit Monaten trotz der
größten Opfer vergeblich bemühen und — „in-Schah-allah" — bemühen werden.




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[0267] Kriegsliteratur besonders im Orient äußerst wichtigen Gebiete muß daher nach dem Frieden sehr viel geschehen, damit es uns gelingt, den bisher noch vorherrschenden französischen und englisch-amerikanischen Einfluß auf dem Gebiete des Schul¬ wesens in Ägypten und im Orient überhaupt zu brechen. Als Ziel des jetzigen Krieges für die ägyptische Frage fordert Meyer. „Deutschland und seinen Bundesgenossen wie in der gesamten Levante so auch in Ägypten die Bahn für einen starken wirtschaftlichen und kulturellen Einfluß freizumachen". In derselben Sammlung wie die Meyersche Schrift erschien auch eine Arbeit von Dr. Richard Hennig: „Der Kampf um den Suezkanal." Der Verfasser gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte und die völkerrechtliche Stellung des Suezkanals; er zeigt, wie England nach anfänglicher schroffer Abneigung gegen den Kanalbau in den siebziger Jahren unter dem Ministerium Disraeli plötzlich daran ging, den größten Teil der Suezkanalaktien aus¬ zulaufen, und wie die englische Regierung es bei Abschluß der Suezkanalakten vom 29. Oktober 1883 verstanden hat, durch einen Vorbehalt die Bestimmungen dieses Vertrages derartig zu drehen, „daß England am Suezkanal jederzeit schalten und walten kann, wie es ihm beliebt, während alle anderen Staaten nach englischen Wünschen ohne Einschränkung an die Kanalakte von 1838 gebunden sein sollen". — Nach einer kurzen Darlegung der wirtschaftlichen Bedeutung des Kanals bespricht dann Hennig den Vormarsch der Türken gegen Ägypten und die Operationen auf der Sinaihalbinsel, wobei es die Türken bisher vermieden haben, das wichtige Kulturwerk zu zerstören, obwohl dieses sicherlich im militärischen Interesse gelegen hätte, um den englischen Truppen¬ transporten aus Indien und Australien den Weg zu verlegen. Am Schluß seiner Schrift tritt der Versasser dafür ein. daß der Kanal nach dem Kriege das werden muß, was er auf dem Papier schon längst ist: ein internationales und neutrales Gewässer, dessen Verwaltung und Beauf¬ sichtigung niemals mehr einer einzigen Nation anvertraut wird, nachdem sich der bisherige Vertrauensmann Europas, England, grobe Unredlichkeit in der Verwaltung hat zuschulden kommen lassen. Das Schicksal des Kanals und Ägyptens wird aber nicht am Suezkanal oder im Niltale, sondern an den Dardanellen entschieden werden, um deren Bezwingung sich England und Frankreich nun schon seit Monaten trotz der größten Opfer vergeblich bemühen und — „in-Schah-allah" — bemühen werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/267>, abgerufen am 17.06.2024.