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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Freimaurer und der Weltkrieg

den alten Steiimretzengenossenschaften. Das aber wissen sie aus dem Konstitutions-
bnche von 1723, den "Alten Pflichten", daß die Gründer der "symbolischen
Freimaurerei" einen Bund von Männern ins Leben gerufen haben, dessen
Zweck es ist, seine Mitglieder zur Humanität zu erziehen. Auf dem Boden
der Humanität sollten die Gegensätze ausgeglichen werden, welche die Ursache
von Feindschaft, Haß und Neid von jeher unter den Menschen gewesen sind.
Der Bund erstrebte also die Bildung des Menschen im Menschlichen, des
Geistigen im Natürlichen in Übereinstimmung mit nationaler Lebensgesittung.
Politisches Parteigetriebe und konfessionelle Gehässigkeit hatten schon deshalb
keinen Platz unter den Bundesbrüdern, und selbst Erörterungen über politische
oder konfessionelle Parteifragen waren von den Versammlungen der Bundes¬
mitglieder grundsätzlich ausgeschlossen.

Von England und Schottland aus hat sich der neue Menschheitsbund
rasch über Frankreich, Italien, Deutschland und die nordischen Länder verbreitet,
und bald schon wurde er ein bedeutender Faktor auch im gesellschaftlichen
Leben dieser Völker; denn es gab im achtzehnten Jahrhundert nur wenig
Männer von Stand und Ansehen, die es verschmäht hätten, Mitglieder von
Freimaurerlogen zu werden. Man drängte sich förmlich in die Logen. Boten
diese doch jenen seltsam widerspruchsvollen Menschen eine sichere Stätte, wo
edle Geselligkeit gepflegt wurde, an der man weilen konnte unberührt von dem
Gezänke über politische oder religiöse Streitfragen, an denen das Zeitalter so
reich war.

Die grundsätzliche Abneigung gegen den politischen und besonders kon¬
fessionellen Zank brachte aber der jungen Freimaurerei auch schon bald ihre
geschworenen Feinde, die katholische Kirche und die protestantische Orthodoxie.
Beide hielten die Freimaurerei wenigstens für grundsätzlich gleichgültig gegen
die Religion; die katholische Kirche hielt sie sogar für religionsfeindlich und
behauptete, die Freimaurer schmiedeten in ihren geheimen Versammlungen
Pläne, die auf die Vernichtung des Christentums abzielten. Im Jahre 1738
richtete Papst Clemens der Zwölfte die erste Bannbulle gegen die Freimaurer,
und seitdem hat das Papsttum nicht aufgehört, im Freimaurerbunde den
ärgsten Feind der katholischen Kirche zu sehen. Acht weitere Päpste haben die
Bannung ihres Vorgängers erneuert. Manche dieser päpstlichen Rundschreiben,
so insbesondere die von Leo dem Dreizehnter am 20. April 1834 erlassene
Enzyklika ttumAnum ^crus, zeugten von solcher Unkenntnis der wirklichen
Verhältnisse, daß sie in der Freimaurerwelt nur Heiterkeit erregten. Aber durch
diese Verfolgungen haben die Päpste gegen ihre Absicht mitgewirkt, der Frei¬
maurerei immer neue Mitglieder zuzuführen. Gleichzeitig haben die katholische
Kirche und die ihr ergebenen Regierungen in vielen Ländern, so insbesondere
^ Italien, durch ihre Verfolgungen dafür gesorgt, daß die Freimaurer schon
frühzeitig in eine Kampfstellung gerieten und allmählich eine oppositionelle
Dichtung als Grundstimmung erhielten. Die wahren Ziele der Freimaurerei


Die Freimaurer und der Weltkrieg

den alten Steiimretzengenossenschaften. Das aber wissen sie aus dem Konstitutions-
bnche von 1723, den „Alten Pflichten", daß die Gründer der „symbolischen
Freimaurerei" einen Bund von Männern ins Leben gerufen haben, dessen
Zweck es ist, seine Mitglieder zur Humanität zu erziehen. Auf dem Boden
der Humanität sollten die Gegensätze ausgeglichen werden, welche die Ursache
von Feindschaft, Haß und Neid von jeher unter den Menschen gewesen sind.
Der Bund erstrebte also die Bildung des Menschen im Menschlichen, des
Geistigen im Natürlichen in Übereinstimmung mit nationaler Lebensgesittung.
Politisches Parteigetriebe und konfessionelle Gehässigkeit hatten schon deshalb
keinen Platz unter den Bundesbrüdern, und selbst Erörterungen über politische
oder konfessionelle Parteifragen waren von den Versammlungen der Bundes¬
mitglieder grundsätzlich ausgeschlossen.

Von England und Schottland aus hat sich der neue Menschheitsbund
rasch über Frankreich, Italien, Deutschland und die nordischen Länder verbreitet,
und bald schon wurde er ein bedeutender Faktor auch im gesellschaftlichen
Leben dieser Völker; denn es gab im achtzehnten Jahrhundert nur wenig
Männer von Stand und Ansehen, die es verschmäht hätten, Mitglieder von
Freimaurerlogen zu werden. Man drängte sich förmlich in die Logen. Boten
diese doch jenen seltsam widerspruchsvollen Menschen eine sichere Stätte, wo
edle Geselligkeit gepflegt wurde, an der man weilen konnte unberührt von dem
Gezänke über politische oder religiöse Streitfragen, an denen das Zeitalter so
reich war.

Die grundsätzliche Abneigung gegen den politischen und besonders kon¬
fessionellen Zank brachte aber der jungen Freimaurerei auch schon bald ihre
geschworenen Feinde, die katholische Kirche und die protestantische Orthodoxie.
Beide hielten die Freimaurerei wenigstens für grundsätzlich gleichgültig gegen
die Religion; die katholische Kirche hielt sie sogar für religionsfeindlich und
behauptete, die Freimaurer schmiedeten in ihren geheimen Versammlungen
Pläne, die auf die Vernichtung des Christentums abzielten. Im Jahre 1738
richtete Papst Clemens der Zwölfte die erste Bannbulle gegen die Freimaurer,
und seitdem hat das Papsttum nicht aufgehört, im Freimaurerbunde den
ärgsten Feind der katholischen Kirche zu sehen. Acht weitere Päpste haben die
Bannung ihres Vorgängers erneuert. Manche dieser päpstlichen Rundschreiben,
so insbesondere die von Leo dem Dreizehnter am 20. April 1834 erlassene
Enzyklika ttumAnum ^crus, zeugten von solcher Unkenntnis der wirklichen
Verhältnisse, daß sie in der Freimaurerwelt nur Heiterkeit erregten. Aber durch
diese Verfolgungen haben die Päpste gegen ihre Absicht mitgewirkt, der Frei¬
maurerei immer neue Mitglieder zuzuführen. Gleichzeitig haben die katholische
Kirche und die ihr ergebenen Regierungen in vielen Ländern, so insbesondere
^ Italien, durch ihre Verfolgungen dafür gesorgt, daß die Freimaurer schon
frühzeitig in eine Kampfstellung gerieten und allmählich eine oppositionelle
Dichtung als Grundstimmung erhielten. Die wahren Ziele der Freimaurerei


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[0347] Die Freimaurer und der Weltkrieg den alten Steiimretzengenossenschaften. Das aber wissen sie aus dem Konstitutions- bnche von 1723, den „Alten Pflichten", daß die Gründer der „symbolischen Freimaurerei" einen Bund von Männern ins Leben gerufen haben, dessen Zweck es ist, seine Mitglieder zur Humanität zu erziehen. Auf dem Boden der Humanität sollten die Gegensätze ausgeglichen werden, welche die Ursache von Feindschaft, Haß und Neid von jeher unter den Menschen gewesen sind. Der Bund erstrebte also die Bildung des Menschen im Menschlichen, des Geistigen im Natürlichen in Übereinstimmung mit nationaler Lebensgesittung. Politisches Parteigetriebe und konfessionelle Gehässigkeit hatten schon deshalb keinen Platz unter den Bundesbrüdern, und selbst Erörterungen über politische oder konfessionelle Parteifragen waren von den Versammlungen der Bundes¬ mitglieder grundsätzlich ausgeschlossen. Von England und Schottland aus hat sich der neue Menschheitsbund rasch über Frankreich, Italien, Deutschland und die nordischen Länder verbreitet, und bald schon wurde er ein bedeutender Faktor auch im gesellschaftlichen Leben dieser Völker; denn es gab im achtzehnten Jahrhundert nur wenig Männer von Stand und Ansehen, die es verschmäht hätten, Mitglieder von Freimaurerlogen zu werden. Man drängte sich förmlich in die Logen. Boten diese doch jenen seltsam widerspruchsvollen Menschen eine sichere Stätte, wo edle Geselligkeit gepflegt wurde, an der man weilen konnte unberührt von dem Gezänke über politische oder religiöse Streitfragen, an denen das Zeitalter so reich war. Die grundsätzliche Abneigung gegen den politischen und besonders kon¬ fessionellen Zank brachte aber der jungen Freimaurerei auch schon bald ihre geschworenen Feinde, die katholische Kirche und die protestantische Orthodoxie. Beide hielten die Freimaurerei wenigstens für grundsätzlich gleichgültig gegen die Religion; die katholische Kirche hielt sie sogar für religionsfeindlich und behauptete, die Freimaurer schmiedeten in ihren geheimen Versammlungen Pläne, die auf die Vernichtung des Christentums abzielten. Im Jahre 1738 richtete Papst Clemens der Zwölfte die erste Bannbulle gegen die Freimaurer, und seitdem hat das Papsttum nicht aufgehört, im Freimaurerbunde den ärgsten Feind der katholischen Kirche zu sehen. Acht weitere Päpste haben die Bannung ihres Vorgängers erneuert. Manche dieser päpstlichen Rundschreiben, so insbesondere die von Leo dem Dreizehnter am 20. April 1834 erlassene Enzyklika ttumAnum ^crus, zeugten von solcher Unkenntnis der wirklichen Verhältnisse, daß sie in der Freimaurerwelt nur Heiterkeit erregten. Aber durch diese Verfolgungen haben die Päpste gegen ihre Absicht mitgewirkt, der Frei¬ maurerei immer neue Mitglieder zuzuführen. Gleichzeitig haben die katholische Kirche und die ihr ergebenen Regierungen in vielen Ländern, so insbesondere ^ Italien, durch ihre Verfolgungen dafür gesorgt, daß die Freimaurer schon frühzeitig in eine Kampfstellung gerieten und allmählich eine oppositionelle Dichtung als Grundstimmung erhielten. Die wahren Ziele der Freimaurerei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/347>, abgerufen am 17.06.2024.