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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Freimaurer und der Weltkrieg

land, Pisa, Florenz und Rom. Diese vereinigten sich zu einem Großlogen-
fystem, das in Turin seinen Sitz halte. Gleichzeitig bildeten sich auch im
Süden des Landes zwei Großlogen, die eine in Palermo unter Garibaldi, die
andere in Neapel. Alle drei vereinigten sich, und machten 1861 den alten
Garibaldi zum Großmeister, der aber schon bald sein Amt niederlegen mußte.
Infolge der politischen Treibereien dieser Großloge gründete man im scharfen
Gegensatze zu ihr eine neue mit dem Sitze Mailand. Gleichzeitig tauchte aber die
alte Garibaldiloge wieder auf, so daß in Italien nun wieder vier verschiedene
Systeme nebeneinander bestanden, die sich untereinander heftig bekämpften.
Es gelang aber Garibaldi, wenigstens drei davon wieder einmal unter dem
Titel Großorient unter einen Hut zu bringen.

Im Jahre 1870 endlich zog der Großorient von Italien mit dem ersten
Könige des geeinten Italien, Victor Emanuel, in Rom ein. Unter dem Ein¬
flüsse CrispiS rin suchte sich nun auch die italienische Freimaurerei mehr und
mehr der Vormundschaft Frankreichs zu entziehen und nahm sogar entschiedene
Stellung gegen den von dort gepredigten Deutschenhaß. Ihr Großmeister
Mazzoni gab sich auch redliche Mühe, wenigstens die gröbsten Ausschreitungen
bei den politischen und religiösen Streitigkeiten in den Logen zu unterdrücken,
und die letzten Reste der noch beiseite stehenden italienischen Freimaurer traten
1873 dem Großorient von Rom bei. So war die italienische Freimaurerei
endlich geeinigt. Nun erkannte auch der deutsche Großlogmbund die italienische
Großloge an und trat zu ihr in freundschaftliche Beziehungen. Nur dauerte
der Frieden nicht lange. Die Politik zerstörte ihn schon bald wieder. Im
Jahre 1894 hielt Crispi in Neapel eine Rede, aus deren Inhalt geschloffen
wurde, daß eine Aussöhnung zwischen dem Papste und dem Könige in Aussicht
stünde. Das gab Anlaß zu neuem Streite. Man hielt Crispi für den Troger
und Förderer der Aussöhnungspolitik und forderte seine Ausschließung aus der
Freimaurerei. Als das nicht geschah, trat eine große Zahl der Brüder aus,
und es entstanden wieder mehrere neue Logen, die aber seit dem Jahre 1900
auf Grund eines Vereinigungsvertrages zu einem Logenbunde zusammen¬
gefaßt find.

Die von Mazzoni begonnene Reform, deren Hauptzweck die Säuberung
der Logen von der unmaurerischen politischen Arbeit war, hatte praktisch gar
keinen Erfolg. Man politisierte ruhig weiter und änderte sogar 1906 die
Bundessatzung, indem man darin die Bestimmung aufnahm, der eigentliche
Zweck der Freimaurerei sei "der Kampf für das demokratische Prinzip in sozialer
und politischer Beziehung". Damit war die italienische Freimaurerei auch
satzungsgemäß zum politischen Klub herabgesunken. Ihr eigentlicher Erzieher
und Organisator ist seit 1870 Mazzinc gewesen, der selbst nicht Freimaurer
war. Die Organisationsarbeit besorgten seine Freunde Mazzoni, Adriano
Lemmi und Garibaldi. Durch sie ließ Mazzini der Freimaurerei die Idee
einimpfen, daß die Republik die einzig mögliche freiheitliche Staatsform für


Die Freimaurer und der Weltkrieg

land, Pisa, Florenz und Rom. Diese vereinigten sich zu einem Großlogen-
fystem, das in Turin seinen Sitz halte. Gleichzeitig bildeten sich auch im
Süden des Landes zwei Großlogen, die eine in Palermo unter Garibaldi, die
andere in Neapel. Alle drei vereinigten sich, und machten 1861 den alten
Garibaldi zum Großmeister, der aber schon bald sein Amt niederlegen mußte.
Infolge der politischen Treibereien dieser Großloge gründete man im scharfen
Gegensatze zu ihr eine neue mit dem Sitze Mailand. Gleichzeitig tauchte aber die
alte Garibaldiloge wieder auf, so daß in Italien nun wieder vier verschiedene
Systeme nebeneinander bestanden, die sich untereinander heftig bekämpften.
Es gelang aber Garibaldi, wenigstens drei davon wieder einmal unter dem
Titel Großorient unter einen Hut zu bringen.

Im Jahre 1870 endlich zog der Großorient von Italien mit dem ersten
Könige des geeinten Italien, Victor Emanuel, in Rom ein. Unter dem Ein¬
flüsse CrispiS rin suchte sich nun auch die italienische Freimaurerei mehr und
mehr der Vormundschaft Frankreichs zu entziehen und nahm sogar entschiedene
Stellung gegen den von dort gepredigten Deutschenhaß. Ihr Großmeister
Mazzoni gab sich auch redliche Mühe, wenigstens die gröbsten Ausschreitungen
bei den politischen und religiösen Streitigkeiten in den Logen zu unterdrücken,
und die letzten Reste der noch beiseite stehenden italienischen Freimaurer traten
1873 dem Großorient von Rom bei. So war die italienische Freimaurerei
endlich geeinigt. Nun erkannte auch der deutsche Großlogmbund die italienische
Großloge an und trat zu ihr in freundschaftliche Beziehungen. Nur dauerte
der Frieden nicht lange. Die Politik zerstörte ihn schon bald wieder. Im
Jahre 1894 hielt Crispi in Neapel eine Rede, aus deren Inhalt geschloffen
wurde, daß eine Aussöhnung zwischen dem Papste und dem Könige in Aussicht
stünde. Das gab Anlaß zu neuem Streite. Man hielt Crispi für den Troger
und Förderer der Aussöhnungspolitik und forderte seine Ausschließung aus der
Freimaurerei. Als das nicht geschah, trat eine große Zahl der Brüder aus,
und es entstanden wieder mehrere neue Logen, die aber seit dem Jahre 1900
auf Grund eines Vereinigungsvertrages zu einem Logenbunde zusammen¬
gefaßt find.

Die von Mazzoni begonnene Reform, deren Hauptzweck die Säuberung
der Logen von der unmaurerischen politischen Arbeit war, hatte praktisch gar
keinen Erfolg. Man politisierte ruhig weiter und änderte sogar 1906 die
Bundessatzung, indem man darin die Bestimmung aufnahm, der eigentliche
Zweck der Freimaurerei sei „der Kampf für das demokratische Prinzip in sozialer
und politischer Beziehung". Damit war die italienische Freimaurerei auch
satzungsgemäß zum politischen Klub herabgesunken. Ihr eigentlicher Erzieher
und Organisator ist seit 1870 Mazzinc gewesen, der selbst nicht Freimaurer
war. Die Organisationsarbeit besorgten seine Freunde Mazzoni, Adriano
Lemmi und Garibaldi. Durch sie ließ Mazzini der Freimaurerei die Idee
einimpfen, daß die Republik die einzig mögliche freiheitliche Staatsform für


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[0374] Die Freimaurer und der Weltkrieg land, Pisa, Florenz und Rom. Diese vereinigten sich zu einem Großlogen- fystem, das in Turin seinen Sitz halte. Gleichzeitig bildeten sich auch im Süden des Landes zwei Großlogen, die eine in Palermo unter Garibaldi, die andere in Neapel. Alle drei vereinigten sich, und machten 1861 den alten Garibaldi zum Großmeister, der aber schon bald sein Amt niederlegen mußte. Infolge der politischen Treibereien dieser Großloge gründete man im scharfen Gegensatze zu ihr eine neue mit dem Sitze Mailand. Gleichzeitig tauchte aber die alte Garibaldiloge wieder auf, so daß in Italien nun wieder vier verschiedene Systeme nebeneinander bestanden, die sich untereinander heftig bekämpften. Es gelang aber Garibaldi, wenigstens drei davon wieder einmal unter dem Titel Großorient unter einen Hut zu bringen. Im Jahre 1870 endlich zog der Großorient von Italien mit dem ersten Könige des geeinten Italien, Victor Emanuel, in Rom ein. Unter dem Ein¬ flüsse CrispiS rin suchte sich nun auch die italienische Freimaurerei mehr und mehr der Vormundschaft Frankreichs zu entziehen und nahm sogar entschiedene Stellung gegen den von dort gepredigten Deutschenhaß. Ihr Großmeister Mazzoni gab sich auch redliche Mühe, wenigstens die gröbsten Ausschreitungen bei den politischen und religiösen Streitigkeiten in den Logen zu unterdrücken, und die letzten Reste der noch beiseite stehenden italienischen Freimaurer traten 1873 dem Großorient von Rom bei. So war die italienische Freimaurerei endlich geeinigt. Nun erkannte auch der deutsche Großlogmbund die italienische Großloge an und trat zu ihr in freundschaftliche Beziehungen. Nur dauerte der Frieden nicht lange. Die Politik zerstörte ihn schon bald wieder. Im Jahre 1894 hielt Crispi in Neapel eine Rede, aus deren Inhalt geschloffen wurde, daß eine Aussöhnung zwischen dem Papste und dem Könige in Aussicht stünde. Das gab Anlaß zu neuem Streite. Man hielt Crispi für den Troger und Förderer der Aussöhnungspolitik und forderte seine Ausschließung aus der Freimaurerei. Als das nicht geschah, trat eine große Zahl der Brüder aus, und es entstanden wieder mehrere neue Logen, die aber seit dem Jahre 1900 auf Grund eines Vereinigungsvertrages zu einem Logenbunde zusammen¬ gefaßt find. Die von Mazzoni begonnene Reform, deren Hauptzweck die Säuberung der Logen von der unmaurerischen politischen Arbeit war, hatte praktisch gar keinen Erfolg. Man politisierte ruhig weiter und änderte sogar 1906 die Bundessatzung, indem man darin die Bestimmung aufnahm, der eigentliche Zweck der Freimaurerei sei „der Kampf für das demokratische Prinzip in sozialer und politischer Beziehung". Damit war die italienische Freimaurerei auch satzungsgemäß zum politischen Klub herabgesunken. Ihr eigentlicher Erzieher und Organisator ist seit 1870 Mazzinc gewesen, der selbst nicht Freimaurer war. Die Organisationsarbeit besorgten seine Freunde Mazzoni, Adriano Lemmi und Garibaldi. Durch sie ließ Mazzini der Freimaurerei die Idee einimpfen, daß die Republik die einzig mögliche freiheitliche Staatsform für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/374>, abgerufen am 17.06.2024.