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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Volksdichtung über unsere gefallenen Helden

auf, es ist auch kein Unterschied darin zu finden zwischen Großstadt und Klein¬
stadt oder Land; nur die großen Zeitungen, die mehr als örtliche oder provinzielle
Bedeutung für sich beanspruchen können, haben solche Reime wenig oder gar
nicht aufzuweisen. Sie haben Ähnlichkeit mit den Inschriften und den Sprüchen
auf Kreuzen und Grabsteinen und sollen wie sie ein schmerzlicher Aufschrei der
Hinterbliebenen, ein liebevoller Nachruf an den Verschiedenen und ein zuspruchs¬
voller Trost für die Angehörigen sein.

Häufig finden wir unseren besten Dichtern Reime entnommen, die uns einen
tiefen Blick in die Seele der Hinterbliebenen gestatten. Wie stark zum Beispiel
fühlen diese, wenn sie dem Gefallenen die Goethescher Worte aus dem Liede
"Lila" (1787) nachrufen:

Die weitaus große Mehrzahl der Reime ist eigenes Erzeugnis. Da findet
zum Beispiel der Schmerz feinen Ausdruck in den schönen Worten:

In feltener Ergebenheit beklagen die Eltern den Heldentod ihrer beiden
Söhne, wenn sie sagen:

Am ergreifendsten und schönsten sind die Nachrufe, die von Eltern und
besonders von Müttern und Gattinnen den Dahingeschiedenen gewidmet werden.
Mit herbem kurzem Aufschrei sagt eine der letzteren:


Volksdichtung über unsere gefallenen Helden

auf, es ist auch kein Unterschied darin zu finden zwischen Großstadt und Klein¬
stadt oder Land; nur die großen Zeitungen, die mehr als örtliche oder provinzielle
Bedeutung für sich beanspruchen können, haben solche Reime wenig oder gar
nicht aufzuweisen. Sie haben Ähnlichkeit mit den Inschriften und den Sprüchen
auf Kreuzen und Grabsteinen und sollen wie sie ein schmerzlicher Aufschrei der
Hinterbliebenen, ein liebevoller Nachruf an den Verschiedenen und ein zuspruchs¬
voller Trost für die Angehörigen sein.

Häufig finden wir unseren besten Dichtern Reime entnommen, die uns einen
tiefen Blick in die Seele der Hinterbliebenen gestatten. Wie stark zum Beispiel
fühlen diese, wenn sie dem Gefallenen die Goethescher Worte aus dem Liede
„Lila" (1787) nachrufen:

Die weitaus große Mehrzahl der Reime ist eigenes Erzeugnis. Da findet
zum Beispiel der Schmerz feinen Ausdruck in den schönen Worten:

In feltener Ergebenheit beklagen die Eltern den Heldentod ihrer beiden
Söhne, wenn sie sagen:

Am ergreifendsten und schönsten sind die Nachrufe, die von Eltern und
besonders von Müttern und Gattinnen den Dahingeschiedenen gewidmet werden.
Mit herbem kurzem Aufschrei sagt eine der letzteren:


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[0071] Volksdichtung über unsere gefallenen Helden auf, es ist auch kein Unterschied darin zu finden zwischen Großstadt und Klein¬ stadt oder Land; nur die großen Zeitungen, die mehr als örtliche oder provinzielle Bedeutung für sich beanspruchen können, haben solche Reime wenig oder gar nicht aufzuweisen. Sie haben Ähnlichkeit mit den Inschriften und den Sprüchen auf Kreuzen und Grabsteinen und sollen wie sie ein schmerzlicher Aufschrei der Hinterbliebenen, ein liebevoller Nachruf an den Verschiedenen und ein zuspruchs¬ voller Trost für die Angehörigen sein. Häufig finden wir unseren besten Dichtern Reime entnommen, die uns einen tiefen Blick in die Seele der Hinterbliebenen gestatten. Wie stark zum Beispiel fühlen diese, wenn sie dem Gefallenen die Goethescher Worte aus dem Liede „Lila" (1787) nachrufen: Die weitaus große Mehrzahl der Reime ist eigenes Erzeugnis. Da findet zum Beispiel der Schmerz feinen Ausdruck in den schönen Worten: In feltener Ergebenheit beklagen die Eltern den Heldentod ihrer beiden Söhne, wenn sie sagen: Am ergreifendsten und schönsten sind die Nachrufe, die von Eltern und besonders von Müttern und Gattinnen den Dahingeschiedenen gewidmet werden. Mit herbem kurzem Aufschrei sagt eine der letzteren:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/71>, abgerufen am 17.06.2024.