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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Die Macht des amerikanischen Präsidenten

betrachten; als der erste Beamte einer sorgfältig abgestuften und unparteiischen
Zivilverwaltung."

Auch in der zwölften Auflage (1896) seines Werkes vertritt Wilson noch
diesen Standpunkt, aber als Präsident des Princeton-College erklärte er am
15. März 1907: "Der Einfluß und Erfolg des Präsidenten als Parteiführer
beruht nur auf seiner jeweiligen Kraft und seinen Geistesgaben. Dasselbe gilt
von ihm als Oberhaupt der Nation. Gelingt es ihm, das Vertrauen und die
Bewunderung des Volkes zu erringen, so kann ihm keine Macht mehr wider¬
stehen. Auch nicht ein Heer von Widersachern. Sein Auftreten entspricht der
Phantasie des Volkes. Nur der Präsident wird von der ganzen Nation erwählt.
Interpretiert er in wahrer Weise die nationale Meinung und besteht kühn auf
ihre Befolgung, so ist er unwiderstehlich. Mit einem solchen Präsidenten wird
das Volk durch dick und dünn gehen."

Läßt man die letzte Amtszeit Wilsons Revue passieren, so kann man sich
der Überzeugung nicht verschließen, daß er seine Worte als Princeton-Präsident
jetzt ans der Theorie in die Praxis umzusetzen gedachte, aber einen Schiffbruch
erlitt. Er konnte einen Teil des Volkes, gewerbsmäßige Deutschenfresser,
Munitionsfabrikanten und Wallstreetleute mit sich fortreißen, aber der klare und
nüchterne Teil legte sein Veto ein und ließ es durch seine Volksvertreter im'
Kapital zum Ausdruck bringen.

Ich muß hier eines Urteils des verstorbenen Präsidenten Cleveland über
Wilsons politische Auslassungen gedenken, das einer der intimsten Freunde
Clevelands, der Journalist Richard Watson Gitter, vor einigen Jahren im
"Century Magazine" veröffentlicht hat. Gitter schrieb: "Am Sonntag Abend
(im Jahre 1899) brachte ich Professor Woodrow Wilson in das Cleoelandsche
Hous, weil sich Cleveland mit Wilson über dessen Steckenpferd, hohe Politik,
unterhalten wollte. Wie mir Cleveland später erzählte, war es schwierig für
ihn, in den Wilsonschen Theorien die Grenze zu ziehen. Lachend meinte Cleve¬
land: Ich habe meinem Gegner so ost widersprechen müssen, daß ich froh
war, wenn wir eine Art und Weise fanden, die es mir ermöglichte, ihm ent¬
gegenzukommen."

Was war der Grundgedanke, der die "Väter der Konstitution" bei deren
Abfassung beseelte?

Die Bundesversammlung von 1787 nahm sich als Vorbild für die amerikanische
Verfassung die britische Konstitution, aber die Delegierten suchten die Stellen auszu¬
schalten, welche Georg dem Dritten zu große Macht verliehen hatten. Die Delegierten
waren sich einig, daß die bestehende Konföderation auf sehr schwachen Füßen ruhte,
wodurch die Republik im Auslande an Ansehen einbüßte. Lange Zeit berieten
die Delegierten vergeblich hin und her, bis eine Einigung auf eine kraftvolle
alleinige Exekutivgewalt erzielt wurde. Ein vom Kongreß unabhängige Exekutive
mit genügender Machtbefugnis in den einzelnen Abteilungen. Eine Exekutive,
die, nach James Wilsons Worten, einen legislativen Despotismus ausschloß und,


Die Macht des amerikanischen Präsidenten

betrachten; als der erste Beamte einer sorgfältig abgestuften und unparteiischen
Zivilverwaltung."

Auch in der zwölften Auflage (1896) seines Werkes vertritt Wilson noch
diesen Standpunkt, aber als Präsident des Princeton-College erklärte er am
15. März 1907: „Der Einfluß und Erfolg des Präsidenten als Parteiführer
beruht nur auf seiner jeweiligen Kraft und seinen Geistesgaben. Dasselbe gilt
von ihm als Oberhaupt der Nation. Gelingt es ihm, das Vertrauen und die
Bewunderung des Volkes zu erringen, so kann ihm keine Macht mehr wider¬
stehen. Auch nicht ein Heer von Widersachern. Sein Auftreten entspricht der
Phantasie des Volkes. Nur der Präsident wird von der ganzen Nation erwählt.
Interpretiert er in wahrer Weise die nationale Meinung und besteht kühn auf
ihre Befolgung, so ist er unwiderstehlich. Mit einem solchen Präsidenten wird
das Volk durch dick und dünn gehen."

Läßt man die letzte Amtszeit Wilsons Revue passieren, so kann man sich
der Überzeugung nicht verschließen, daß er seine Worte als Princeton-Präsident
jetzt ans der Theorie in die Praxis umzusetzen gedachte, aber einen Schiffbruch
erlitt. Er konnte einen Teil des Volkes, gewerbsmäßige Deutschenfresser,
Munitionsfabrikanten und Wallstreetleute mit sich fortreißen, aber der klare und
nüchterne Teil legte sein Veto ein und ließ es durch seine Volksvertreter im'
Kapital zum Ausdruck bringen.

Ich muß hier eines Urteils des verstorbenen Präsidenten Cleveland über
Wilsons politische Auslassungen gedenken, das einer der intimsten Freunde
Clevelands, der Journalist Richard Watson Gitter, vor einigen Jahren im
„Century Magazine" veröffentlicht hat. Gitter schrieb: „Am Sonntag Abend
(im Jahre 1899) brachte ich Professor Woodrow Wilson in das Cleoelandsche
Hous, weil sich Cleveland mit Wilson über dessen Steckenpferd, hohe Politik,
unterhalten wollte. Wie mir Cleveland später erzählte, war es schwierig für
ihn, in den Wilsonschen Theorien die Grenze zu ziehen. Lachend meinte Cleve¬
land: Ich habe meinem Gegner so ost widersprechen müssen, daß ich froh
war, wenn wir eine Art und Weise fanden, die es mir ermöglichte, ihm ent¬
gegenzukommen."

Was war der Grundgedanke, der die „Väter der Konstitution" bei deren
Abfassung beseelte?

Die Bundesversammlung von 1787 nahm sich als Vorbild für die amerikanische
Verfassung die britische Konstitution, aber die Delegierten suchten die Stellen auszu¬
schalten, welche Georg dem Dritten zu große Macht verliehen hatten. Die Delegierten
waren sich einig, daß die bestehende Konföderation auf sehr schwachen Füßen ruhte,
wodurch die Republik im Auslande an Ansehen einbüßte. Lange Zeit berieten
die Delegierten vergeblich hin und her, bis eine Einigung auf eine kraftvolle
alleinige Exekutivgewalt erzielt wurde. Ein vom Kongreß unabhängige Exekutive
mit genügender Machtbefugnis in den einzelnen Abteilungen. Eine Exekutive,
die, nach James Wilsons Worten, einen legislativen Despotismus ausschloß und,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/357>, abgerufen am 21.05.2024.