Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die neuen Männer in Frankreich

die radikale Presse gegen ihn mobil macht. Die strenge Durchführung des
Gesetzes gegen die Drückeberger, die Einberufung der Achtzehnjährigen und der
letzten alten Jahrgänge gaben Gelegenheit, ihm mangelndes Verständnis für die
wirtschaftlichen Notwendigkeiten vorzuwerfen, Angriffe, die selbst in den Leib¬
organen Briands mit unverhaltener Befriedigung wiederholt werden.

Mit neuen Männern, neuen Ministern und einem neuen Führer des Feld¬
heeres, ist Frankreich in den zweiten Kriegswinter eingetreten, verstimmt gegen
die eigene Regierung, die das Land nicht aus der orientalischen Sackgasse
herausgeführt hat, verbittert gegen die Bundesgenossen, die die versprochene
Hilfe zu spät und ungenügend geleistet haben. Die Erkenntnis bricht sich Bahn,
daß die Ziele der Verbündeten weitab von den eigenen liegen, daß England,
Italien und Nußland im Falle eines Erfolges weit reichere Aussichten auf
Gewinn besitzen, ja daß selbst ein Sieg auf der ganzen Linie die ungeheueren
Opfer, die an Gut und Blut gebracht sind, durch den geringen zu erhoffenden
Landerwerb nicht ausgleichen kann. Frankreich setzt seine letzten Reserven ein,
es weiß, daß sein Spiel verloren ist, wenn die nächste Offensive nicht zu einem
vollen Erfolg führt, ja man fragt sich, ob die Kräfte ausreichen, selbst einen
vollen taktischen Erfolg auch auszunutzen. Wird es trotzdem das Äußerste
wagen? Die Anzeichen sprechen dafür, das; die neuen Männer die Entscheidung
herausfordern werden, und sogar in nicht zu ferner Zeit. Der Vierverband
zeigt deutlich die Spuren von Nissen, die alle seine Beratungen nicht heilen
können, sondern höchstens noch das siegreiche Eisen.




Die neuen Männer in Frankreich

die radikale Presse gegen ihn mobil macht. Die strenge Durchführung des
Gesetzes gegen die Drückeberger, die Einberufung der Achtzehnjährigen und der
letzten alten Jahrgänge gaben Gelegenheit, ihm mangelndes Verständnis für die
wirtschaftlichen Notwendigkeiten vorzuwerfen, Angriffe, die selbst in den Leib¬
organen Briands mit unverhaltener Befriedigung wiederholt werden.

Mit neuen Männern, neuen Ministern und einem neuen Führer des Feld¬
heeres, ist Frankreich in den zweiten Kriegswinter eingetreten, verstimmt gegen
die eigene Regierung, die das Land nicht aus der orientalischen Sackgasse
herausgeführt hat, verbittert gegen die Bundesgenossen, die die versprochene
Hilfe zu spät und ungenügend geleistet haben. Die Erkenntnis bricht sich Bahn,
daß die Ziele der Verbündeten weitab von den eigenen liegen, daß England,
Italien und Nußland im Falle eines Erfolges weit reichere Aussichten auf
Gewinn besitzen, ja daß selbst ein Sieg auf der ganzen Linie die ungeheueren
Opfer, die an Gut und Blut gebracht sind, durch den geringen zu erhoffenden
Landerwerb nicht ausgleichen kann. Frankreich setzt seine letzten Reserven ein,
es weiß, daß sein Spiel verloren ist, wenn die nächste Offensive nicht zu einem
vollen Erfolg führt, ja man fragt sich, ob die Kräfte ausreichen, selbst einen
vollen taktischen Erfolg auch auszunutzen. Wird es trotzdem das Äußerste
wagen? Die Anzeichen sprechen dafür, das; die neuen Männer die Entscheidung
herausfordern werden, und sogar in nicht zu ferner Zeit. Der Vierverband
zeigt deutlich die Spuren von Nissen, die alle seine Beratungen nicht heilen
können, sondern höchstens noch das siegreiche Eisen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329714"/>
          <fw type="header" place="top"> Die neuen Männer in Frankreich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_100" prev="#ID_99"> die radikale Presse gegen ihn mobil macht. Die strenge Durchführung des<lb/>
Gesetzes gegen die Drückeberger, die Einberufung der Achtzehnjährigen und der<lb/>
letzten alten Jahrgänge gaben Gelegenheit, ihm mangelndes Verständnis für die<lb/>
wirtschaftlichen Notwendigkeiten vorzuwerfen, Angriffe, die selbst in den Leib¬<lb/>
organen Briands mit unverhaltener Befriedigung wiederholt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_101"> Mit neuen Männern, neuen Ministern und einem neuen Führer des Feld¬<lb/>
heeres, ist Frankreich in den zweiten Kriegswinter eingetreten, verstimmt gegen<lb/>
die eigene Regierung, die das Land nicht aus der orientalischen Sackgasse<lb/>
herausgeführt hat, verbittert gegen die Bundesgenossen, die die versprochene<lb/>
Hilfe zu spät und ungenügend geleistet haben. Die Erkenntnis bricht sich Bahn,<lb/>
daß die Ziele der Verbündeten weitab von den eigenen liegen, daß England,<lb/>
Italien und Nußland im Falle eines Erfolges weit reichere Aussichten auf<lb/>
Gewinn besitzen, ja daß selbst ein Sieg auf der ganzen Linie die ungeheueren<lb/>
Opfer, die an Gut und Blut gebracht sind, durch den geringen zu erhoffenden<lb/>
Landerwerb nicht ausgleichen kann. Frankreich setzt seine letzten Reserven ein,<lb/>
es weiß, daß sein Spiel verloren ist, wenn die nächste Offensive nicht zu einem<lb/>
vollen Erfolg führt, ja man fragt sich, ob die Kräfte ausreichen, selbst einen<lb/>
vollen taktischen Erfolg auch auszunutzen. Wird es trotzdem das Äußerste<lb/>
wagen? Die Anzeichen sprechen dafür, das; die neuen Männer die Entscheidung<lb/>
herausfordern werden, und sogar in nicht zu ferner Zeit. Der Vierverband<lb/>
zeigt deutlich die Spuren von Nissen, die alle seine Beratungen nicht heilen<lb/>
können, sondern höchstens noch das siegreiche Eisen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048] Die neuen Männer in Frankreich die radikale Presse gegen ihn mobil macht. Die strenge Durchführung des Gesetzes gegen die Drückeberger, die Einberufung der Achtzehnjährigen und der letzten alten Jahrgänge gaben Gelegenheit, ihm mangelndes Verständnis für die wirtschaftlichen Notwendigkeiten vorzuwerfen, Angriffe, die selbst in den Leib¬ organen Briands mit unverhaltener Befriedigung wiederholt werden. Mit neuen Männern, neuen Ministern und einem neuen Führer des Feld¬ heeres, ist Frankreich in den zweiten Kriegswinter eingetreten, verstimmt gegen die eigene Regierung, die das Land nicht aus der orientalischen Sackgasse herausgeführt hat, verbittert gegen die Bundesgenossen, die die versprochene Hilfe zu spät und ungenügend geleistet haben. Die Erkenntnis bricht sich Bahn, daß die Ziele der Verbündeten weitab von den eigenen liegen, daß England, Italien und Nußland im Falle eines Erfolges weit reichere Aussichten auf Gewinn besitzen, ja daß selbst ein Sieg auf der ganzen Linie die ungeheueren Opfer, die an Gut und Blut gebracht sind, durch den geringen zu erhoffenden Landerwerb nicht ausgleichen kann. Frankreich setzt seine letzten Reserven ein, es weiß, daß sein Spiel verloren ist, wenn die nächste Offensive nicht zu einem vollen Erfolg führt, ja man fragt sich, ob die Kräfte ausreichen, selbst einen vollen taktischen Erfolg auch auszunutzen. Wird es trotzdem das Äußerste wagen? Die Anzeichen sprechen dafür, das; die neuen Männer die Entscheidung herausfordern werden, und sogar in nicht zu ferner Zeit. Der Vierverband zeigt deutlich die Spuren von Nissen, die alle seine Beratungen nicht heilen können, sondern höchstens noch das siegreiche Eisen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/48
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/48>, abgerufen am 21.05.2024.