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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Friedensziele der Elektrotechnik

Vor Ausbruch des Krieges waren die elektrotechnischen Werke mit Auf¬
trägen reichlich versehen. Tausende von Händen waren emsig bei der Arbeit,
um den großen Bedarf des In- und Auslandes an elektrischen Maschinen und
Apparaten zu decken, bis der Schlachtenruf ertönte und der Krieg die meisten
wehrfähigen Männer an die Front rief. Den wenigen Zurückgebliebenen fiel
die wichtige Aufgabe zu, den Krieg auf dem Boden der Werkstätten durch¬
zukämpfen, und den Kameraden in der Front die Waffen zur Bekämpfung der
Feinde zu liefern. Die sogenannten Friedenslieferungen verloren an Ansehen,
und man arbeitete an ihnen nur, soweit es die Verhältnisse gestatteten. Dort,
wo früher Wellen gedreht und Unter gehobelt wurden, lösten stahlharte Werk¬
zeuge meterlange Spähne von dem zähen Material der Geschosse oder schufen
Maschinen und Vorrichtungen für Heer und Marine. Manche Erzeugnisse der
elektrotechnischen Industrie, die kurz vor der Fertigstellung oder der Ablieferung
standen, mußten den Kriegslieferungen das Feld räumen und wanderten
in entlegene Ecken der Werkstätten oder in Lagerräume, wo sie das Ende des
Krieges abwarten, um ihrer Bestimmung übergeben zu werden. Unschätzbar
hoch sind die Werte, die in dieser Form brach liegen, doch noch höher sind die
mittelbaren Schäden, die der Volkswirtschaft durch den Ausfall der den elektro¬
technischen Werken übertragenen Lieferungen entstanden sind. Durch die von
der feindlichen Seestreitkrast ausgeübte Blockade der deutschen Küsten und durch
die unrechtmäßige Einmischung englischer Kontrollbeamten in die Rechte der
Neutralen, war die Verschiffung der fertigen Waren nach überseeischen Ländern
unmöglich gemacht. Da der Wert der Ausfuhr der deutschen elektrotechnischen
Erzeugnisse nach Übersee vor dem Kriege beinahe 100 Millionen Mark betrug,
kann man sich einen Begriff davon bilden, in welchem Maße die überseeische
Volkswirtschaft durch die englische Willkürherrschaft zur See geschädigt wurde.
Wird von unseren siegreichen Truppen erst die Freiheit der Meere erkämpft
werden, werden wir wohl unsere Sorge auch der überseeischen Kundschaft an-
gedeihen lassen.

Durch die Transportschwierigkeitcn, die Ausfuhrverbote, die Knappheit und
Beschlagnahme von Rohstoffen einerseits, und durch die schikanösen Einmischungen
der die Rechte der Neutralen angeblich beschützenden Engländer in die die Aus¬
fuhr der Rohstoffe nach Deutschland betreffenden Angelegenheiten ist auch der
Handel mit den wenigen neutral gebliebenen Staaten des europäischen Fest¬
landes erschwert und dadurch auch ihre Volkswirtschaft arg geschädigt worden.
Unsere Aufgabe wird es sein, in kürzester Zeit auch diese Schäden zu beseitigen
und den Bedürfnissen unserer Nachbarn in weitem Maße Rechnung zu tragen.

Die elektrotechnische Industrie wird sich jedoch vor allem bemühen, die der
heimischen Volkswirtschaft durch den Krieg geschlagenen Wunden zu heilen.
Mancher Industriezweig, manches dem Gemeinwohls dienende Unternehmen
wurde durch den Krieg gelähmt oder doch wenigstens in der Entwicklung und
freien Entfaltung der Kräfte gehemmt. Durch die Erklärung der Baumwolle


Friedensziele der Elektrotechnik

Vor Ausbruch des Krieges waren die elektrotechnischen Werke mit Auf¬
trägen reichlich versehen. Tausende von Händen waren emsig bei der Arbeit,
um den großen Bedarf des In- und Auslandes an elektrischen Maschinen und
Apparaten zu decken, bis der Schlachtenruf ertönte und der Krieg die meisten
wehrfähigen Männer an die Front rief. Den wenigen Zurückgebliebenen fiel
die wichtige Aufgabe zu, den Krieg auf dem Boden der Werkstätten durch¬
zukämpfen, und den Kameraden in der Front die Waffen zur Bekämpfung der
Feinde zu liefern. Die sogenannten Friedenslieferungen verloren an Ansehen,
und man arbeitete an ihnen nur, soweit es die Verhältnisse gestatteten. Dort,
wo früher Wellen gedreht und Unter gehobelt wurden, lösten stahlharte Werk¬
zeuge meterlange Spähne von dem zähen Material der Geschosse oder schufen
Maschinen und Vorrichtungen für Heer und Marine. Manche Erzeugnisse der
elektrotechnischen Industrie, die kurz vor der Fertigstellung oder der Ablieferung
standen, mußten den Kriegslieferungen das Feld räumen und wanderten
in entlegene Ecken der Werkstätten oder in Lagerräume, wo sie das Ende des
Krieges abwarten, um ihrer Bestimmung übergeben zu werden. Unschätzbar
hoch sind die Werte, die in dieser Form brach liegen, doch noch höher sind die
mittelbaren Schäden, die der Volkswirtschaft durch den Ausfall der den elektro¬
technischen Werken übertragenen Lieferungen entstanden sind. Durch die von
der feindlichen Seestreitkrast ausgeübte Blockade der deutschen Küsten und durch
die unrechtmäßige Einmischung englischer Kontrollbeamten in die Rechte der
Neutralen, war die Verschiffung der fertigen Waren nach überseeischen Ländern
unmöglich gemacht. Da der Wert der Ausfuhr der deutschen elektrotechnischen
Erzeugnisse nach Übersee vor dem Kriege beinahe 100 Millionen Mark betrug,
kann man sich einen Begriff davon bilden, in welchem Maße die überseeische
Volkswirtschaft durch die englische Willkürherrschaft zur See geschädigt wurde.
Wird von unseren siegreichen Truppen erst die Freiheit der Meere erkämpft
werden, werden wir wohl unsere Sorge auch der überseeischen Kundschaft an-
gedeihen lassen.

Durch die Transportschwierigkeitcn, die Ausfuhrverbote, die Knappheit und
Beschlagnahme von Rohstoffen einerseits, und durch die schikanösen Einmischungen
der die Rechte der Neutralen angeblich beschützenden Engländer in die die Aus¬
fuhr der Rohstoffe nach Deutschland betreffenden Angelegenheiten ist auch der
Handel mit den wenigen neutral gebliebenen Staaten des europäischen Fest¬
landes erschwert und dadurch auch ihre Volkswirtschaft arg geschädigt worden.
Unsere Aufgabe wird es sein, in kürzester Zeit auch diese Schäden zu beseitigen
und den Bedürfnissen unserer Nachbarn in weitem Maße Rechnung zu tragen.

Die elektrotechnische Industrie wird sich jedoch vor allem bemühen, die der
heimischen Volkswirtschaft durch den Krieg geschlagenen Wunden zu heilen.
Mancher Industriezweig, manches dem Gemeinwohls dienende Unternehmen
wurde durch den Krieg gelähmt oder doch wenigstens in der Entwicklung und
freien Entfaltung der Kräfte gehemmt. Durch die Erklärung der Baumwolle


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[0062] Friedensziele der Elektrotechnik Vor Ausbruch des Krieges waren die elektrotechnischen Werke mit Auf¬ trägen reichlich versehen. Tausende von Händen waren emsig bei der Arbeit, um den großen Bedarf des In- und Auslandes an elektrischen Maschinen und Apparaten zu decken, bis der Schlachtenruf ertönte und der Krieg die meisten wehrfähigen Männer an die Front rief. Den wenigen Zurückgebliebenen fiel die wichtige Aufgabe zu, den Krieg auf dem Boden der Werkstätten durch¬ zukämpfen, und den Kameraden in der Front die Waffen zur Bekämpfung der Feinde zu liefern. Die sogenannten Friedenslieferungen verloren an Ansehen, und man arbeitete an ihnen nur, soweit es die Verhältnisse gestatteten. Dort, wo früher Wellen gedreht und Unter gehobelt wurden, lösten stahlharte Werk¬ zeuge meterlange Spähne von dem zähen Material der Geschosse oder schufen Maschinen und Vorrichtungen für Heer und Marine. Manche Erzeugnisse der elektrotechnischen Industrie, die kurz vor der Fertigstellung oder der Ablieferung standen, mußten den Kriegslieferungen das Feld räumen und wanderten in entlegene Ecken der Werkstätten oder in Lagerräume, wo sie das Ende des Krieges abwarten, um ihrer Bestimmung übergeben zu werden. Unschätzbar hoch sind die Werte, die in dieser Form brach liegen, doch noch höher sind die mittelbaren Schäden, die der Volkswirtschaft durch den Ausfall der den elektro¬ technischen Werken übertragenen Lieferungen entstanden sind. Durch die von der feindlichen Seestreitkrast ausgeübte Blockade der deutschen Küsten und durch die unrechtmäßige Einmischung englischer Kontrollbeamten in die Rechte der Neutralen, war die Verschiffung der fertigen Waren nach überseeischen Ländern unmöglich gemacht. Da der Wert der Ausfuhr der deutschen elektrotechnischen Erzeugnisse nach Übersee vor dem Kriege beinahe 100 Millionen Mark betrug, kann man sich einen Begriff davon bilden, in welchem Maße die überseeische Volkswirtschaft durch die englische Willkürherrschaft zur See geschädigt wurde. Wird von unseren siegreichen Truppen erst die Freiheit der Meere erkämpft werden, werden wir wohl unsere Sorge auch der überseeischen Kundschaft an- gedeihen lassen. Durch die Transportschwierigkeitcn, die Ausfuhrverbote, die Knappheit und Beschlagnahme von Rohstoffen einerseits, und durch die schikanösen Einmischungen der die Rechte der Neutralen angeblich beschützenden Engländer in die die Aus¬ fuhr der Rohstoffe nach Deutschland betreffenden Angelegenheiten ist auch der Handel mit den wenigen neutral gebliebenen Staaten des europäischen Fest¬ landes erschwert und dadurch auch ihre Volkswirtschaft arg geschädigt worden. Unsere Aufgabe wird es sein, in kürzester Zeit auch diese Schäden zu beseitigen und den Bedürfnissen unserer Nachbarn in weitem Maße Rechnung zu tragen. Die elektrotechnische Industrie wird sich jedoch vor allem bemühen, die der heimischen Volkswirtschaft durch den Krieg geschlagenen Wunden zu heilen. Mancher Industriezweig, manches dem Gemeinwohls dienende Unternehmen wurde durch den Krieg gelähmt oder doch wenigstens in der Entwicklung und freien Entfaltung der Kräfte gehemmt. Durch die Erklärung der Baumwolle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/62>, abgerufen am 14.06.2024.