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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Akademische Rriegsliteratur

ihre innere Stimmung in treffender Weise zusammenzufassen, besonders im
ersten Kriegshalbjahr, als der Stellungskrieg die Gemüter noch nicht zermürbte.
In allen Feldpostbriefen beider Sammlungen zeigt sich das stolze Bewußtsein
der bedeutsamen Rolle, welche der deutsche Akademiker in diesem Kriege zu
spielen berufen ist, und die glühende Liebe zur Heimat, der Freiherr von
Maltzahn kurzen, beredten Ausdruck in nachstehendem Gedicht verliehen hat:

"Wenn wir von Kampfessturm bei Tag und Nacht umtobt,
Am Ende fast zu unterliegen meinen
Der Welt, die uns den Untergang gelobt,
Dann brauchst du, Heimat, uns nur zu erscheinen.
Dann seh'n wir dich, den Blick auf uns gewandt:
"Ich hoff' und glaube" scheinst du uns zu sagen.
Für dich, o Heimat, wird die Welt gebannt,
Du gibst uns Stärke, alles zu ertragen."

Auch empfindet die Jugend die ganze Schwere dieses Riesenkampfes.
"Für Dichtung, Kunst, Philosophie, Kultur geht ja der Kampf", schreibt
ein Student. "Er ist traurig, aber groß. Das ganze Leben hier im Feld
durchdringt ein erhabener Ernst. Der Tod ist täglicher Genosse, der alles
weiht. Man nimmt ihn nicht mehr feierlich und mit großen Klagen. Man
wird einfach, schlicht gegenüber feiner Majestät. Er ist wie manche Menschen,
die man liebt, wenn sie auch Ehrfurcht und Schauer einflößen." Und diese
Verinnerlichung. die sich besonders an manchem Abschiedsbrief so herrlich zeigt,
hat ein erhöhtes religiöses Fühlen zur Folge, das für einen größeren Teil der
Studenten jetzt typisch sein dürfte. "Beten sollt Ihr", schreibt ein Mediziner
an die Daheimgebliebenen, "das Arbeiten wollen wir dann schon besorgen.
Nicht als ob wir nicht auch beteten; aber Ihr könnt Euch gar nicht ausmalen,
wie das kräftigt, wenn man weiß, zu Hause sind sie am Beten. Unser irdisches
Vaterland soll immer enger mit unserm himmlischen zusammenkommen. Dann
kann man mit Gott fürs Vaterland sterben". Und ein anderer schreibt: "Man
ginge seelisch zu Grunde, fände man nicht den Glauben an eine gerecht waltende
überirdische Macht, und darum findet man diesen Glauben, und darum werden
wir Soldaten die Apostel eines starken Gottesglaubens sein, -- und dieser
Gottesglaube führt uns zum Glauben an unser Volk und dieser Glaube zu
nner innigen Liebe und diese Liebe zur größten Opferbereitschaft."

lSchluß folgt)




Akademische Rriegsliteratur

ihre innere Stimmung in treffender Weise zusammenzufassen, besonders im
ersten Kriegshalbjahr, als der Stellungskrieg die Gemüter noch nicht zermürbte.
In allen Feldpostbriefen beider Sammlungen zeigt sich das stolze Bewußtsein
der bedeutsamen Rolle, welche der deutsche Akademiker in diesem Kriege zu
spielen berufen ist, und die glühende Liebe zur Heimat, der Freiherr von
Maltzahn kurzen, beredten Ausdruck in nachstehendem Gedicht verliehen hat:

„Wenn wir von Kampfessturm bei Tag und Nacht umtobt,
Am Ende fast zu unterliegen meinen
Der Welt, die uns den Untergang gelobt,
Dann brauchst du, Heimat, uns nur zu erscheinen.
Dann seh'n wir dich, den Blick auf uns gewandt:
„Ich hoff' und glaube" scheinst du uns zu sagen.
Für dich, o Heimat, wird die Welt gebannt,
Du gibst uns Stärke, alles zu ertragen."

Auch empfindet die Jugend die ganze Schwere dieses Riesenkampfes.
„Für Dichtung, Kunst, Philosophie, Kultur geht ja der Kampf", schreibt
ein Student. „Er ist traurig, aber groß. Das ganze Leben hier im Feld
durchdringt ein erhabener Ernst. Der Tod ist täglicher Genosse, der alles
weiht. Man nimmt ihn nicht mehr feierlich und mit großen Klagen. Man
wird einfach, schlicht gegenüber feiner Majestät. Er ist wie manche Menschen,
die man liebt, wenn sie auch Ehrfurcht und Schauer einflößen." Und diese
Verinnerlichung. die sich besonders an manchem Abschiedsbrief so herrlich zeigt,
hat ein erhöhtes religiöses Fühlen zur Folge, das für einen größeren Teil der
Studenten jetzt typisch sein dürfte. „Beten sollt Ihr", schreibt ein Mediziner
an die Daheimgebliebenen, „das Arbeiten wollen wir dann schon besorgen.
Nicht als ob wir nicht auch beteten; aber Ihr könnt Euch gar nicht ausmalen,
wie das kräftigt, wenn man weiß, zu Hause sind sie am Beten. Unser irdisches
Vaterland soll immer enger mit unserm himmlischen zusammenkommen. Dann
kann man mit Gott fürs Vaterland sterben". Und ein anderer schreibt: „Man
ginge seelisch zu Grunde, fände man nicht den Glauben an eine gerecht waltende
überirdische Macht, und darum findet man diesen Glauben, und darum werden
wir Soldaten die Apostel eines starken Gottesglaubens sein, — und dieser
Gottesglaube führt uns zum Glauben an unser Volk und dieser Glaube zu
nner innigen Liebe und diese Liebe zur größten Opferbereitschaft."

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[0422] Akademische Rriegsliteratur ihre innere Stimmung in treffender Weise zusammenzufassen, besonders im ersten Kriegshalbjahr, als der Stellungskrieg die Gemüter noch nicht zermürbte. In allen Feldpostbriefen beider Sammlungen zeigt sich das stolze Bewußtsein der bedeutsamen Rolle, welche der deutsche Akademiker in diesem Kriege zu spielen berufen ist, und die glühende Liebe zur Heimat, der Freiherr von Maltzahn kurzen, beredten Ausdruck in nachstehendem Gedicht verliehen hat: „Wenn wir von Kampfessturm bei Tag und Nacht umtobt, Am Ende fast zu unterliegen meinen Der Welt, die uns den Untergang gelobt, Dann brauchst du, Heimat, uns nur zu erscheinen. Dann seh'n wir dich, den Blick auf uns gewandt: „Ich hoff' und glaube" scheinst du uns zu sagen. Für dich, o Heimat, wird die Welt gebannt, Du gibst uns Stärke, alles zu ertragen." Auch empfindet die Jugend die ganze Schwere dieses Riesenkampfes. „Für Dichtung, Kunst, Philosophie, Kultur geht ja der Kampf", schreibt ein Student. „Er ist traurig, aber groß. Das ganze Leben hier im Feld durchdringt ein erhabener Ernst. Der Tod ist täglicher Genosse, der alles weiht. Man nimmt ihn nicht mehr feierlich und mit großen Klagen. Man wird einfach, schlicht gegenüber feiner Majestät. Er ist wie manche Menschen, die man liebt, wenn sie auch Ehrfurcht und Schauer einflößen." Und diese Verinnerlichung. die sich besonders an manchem Abschiedsbrief so herrlich zeigt, hat ein erhöhtes religiöses Fühlen zur Folge, das für einen größeren Teil der Studenten jetzt typisch sein dürfte. „Beten sollt Ihr", schreibt ein Mediziner an die Daheimgebliebenen, „das Arbeiten wollen wir dann schon besorgen. Nicht als ob wir nicht auch beteten; aber Ihr könnt Euch gar nicht ausmalen, wie das kräftigt, wenn man weiß, zu Hause sind sie am Beten. Unser irdisches Vaterland soll immer enger mit unserm himmlischen zusammenkommen. Dann kann man mit Gott fürs Vaterland sterben". Und ein anderer schreibt: „Man ginge seelisch zu Grunde, fände man nicht den Glauben an eine gerecht waltende überirdische Macht, und darum findet man diesen Glauben, und darum werden wir Soldaten die Apostel eines starken Gottesglaubens sein, — und dieser Gottesglaube führt uns zum Glauben an unser Volk und dieser Glaube zu nner innigen Liebe und diese Liebe zur größten Opferbereitschaft." lSchluß folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/422>, abgerufen am 26.05.2024.