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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Der Tauchbootkrieg

unmöglich gemacht werden kann, daß uns somit der Tauchbootkrieg gegen die
feindlichen Handelsschiffe vereitelt werden würde.

Jedoch nicht nur auf feindlichem Schiff sind Neutrale gefährdet, sondern
unter Umständen auch auf neutralem Schiff -- eine Folge des Flaggsnbetrugs
unserer Feinde. Das Hissen einer falschen Flagge, um der Aufbringung des
Schiffes zu entgehen, ist völkerrechtlich unzulässig, das britische auswärtige Amt
bezeichnet es allerdings unter Berufung auf inneres englisches Recht als einwandfrei.
Aber England kann weder über die Benutzung der Flagge eines anderen Staates
selbstherrlich entscheiden, noch kann es mit Zustimmung dieses Staates eine
völkerrechtliche Regel in ihr Gegenteil verkehren. Immerhin wiegt diese uner¬
laubte Kriegslist unter gewöhnlichen Umständen nicht allzu schwer, da sie die
neutrale Schiffahrt nicht schädigt, vielmehr nur den Gegner zu einer mehr oder
weniger lästigen Prüfung der Nationalität des Schiffes nötigt. Allein das
Hissen neutraler Flaggen, wie es planvoll nach Anordnung der britischen
Admiralität geschieht, wird ruchlos, wenn dadurch neutrale Schiffe nebst ihren
Insassen gefährdet werden. Und das ist der Fall wegen der den feindlichen
Schiffen drohenden plötzlichen Torpedierung. Diese droht nun auch dem neutralen
Schiffe, wenn es durch die Verkettung von unglücklichen Umständen in den
ernstlichen Verdacht gerät, ein feindliches zu sein. Den Tauchbootführer braucht
hierbei kein Verschulden zu treffen. Auch hier ist der wahre Grund des das
Schiff und seine Insassen treffenden Verhängnisses das völkerrechtswidrige
Gebühren unserer Gegner. Nichtsdestoweniger glaubt die amerikanische Regierung
in ihrer Note vom 12. Februar 1915, in der irrtümlich erfolgten Vernichtung
eines amerikanischen Schiffes oder des Lebens amerikanischer Bürger schwerlich etwas
anderes wie eine unentschuldbareVerletzung neutraler Rechte seitens Deutschlands er¬
blicken zu können. Das ist nichts anderes wieVerkennung eines obersten Rechtsgrund¬
satzes, daß allein der schuldhast Handelnde für den Erfolg verantwortlich ist, nicht
der entschuldbar Jrrende. Sache der Neutralen wäre es, mit allen Mitteln den
Mißbrauch ihrer Flagge durch England und seine Verbündeten zu verhindern.

Wie nie ein Krieg zuvor zieht dieser Krieg die neutralen Länder, zumal
die Deutschland benachbarten, in Mitleidenschaft. Neben reichen Gewinnen, die
einzelnen ihrer Angehörigen zufließen, wird den übrigen Entbehrung und Leiden
reichlich zuteil. Nie erhörte Bevormundung und Eingriffe in die Selbstbestimmung
der Staaten und ihrer Wirtschaftsmächte sind an der Tagesordnung: Überwachung
der Zufuhr und Ausfuhr, selbst Zuweisung der Brotrationen und tausend andere
Ungerechtigkeiten mehr. Und all dies wird geduldig ertragen.

Auch unsere Seekriegsmaßnahmen, obwohl sie rechtmäßig sind, haben
Unbequemlichkeiten und Härten für die Neutralen im Gefolge, aber sie sind
notwendig geworden durch die Völkerrechtswidrigkeiten unserer Gegner: durch
die völkerrechtswidrige Ausdehnung der Bannwarenliste, die völkerrechtswidrige
Bewaffnung der Handelsschiffe und den völkerrechtswidrigen Flaggenbetrug.




Der Tauchbootkrieg

unmöglich gemacht werden kann, daß uns somit der Tauchbootkrieg gegen die
feindlichen Handelsschiffe vereitelt werden würde.

Jedoch nicht nur auf feindlichem Schiff sind Neutrale gefährdet, sondern
unter Umständen auch auf neutralem Schiff — eine Folge des Flaggsnbetrugs
unserer Feinde. Das Hissen einer falschen Flagge, um der Aufbringung des
Schiffes zu entgehen, ist völkerrechtlich unzulässig, das britische auswärtige Amt
bezeichnet es allerdings unter Berufung auf inneres englisches Recht als einwandfrei.
Aber England kann weder über die Benutzung der Flagge eines anderen Staates
selbstherrlich entscheiden, noch kann es mit Zustimmung dieses Staates eine
völkerrechtliche Regel in ihr Gegenteil verkehren. Immerhin wiegt diese uner¬
laubte Kriegslist unter gewöhnlichen Umständen nicht allzu schwer, da sie die
neutrale Schiffahrt nicht schädigt, vielmehr nur den Gegner zu einer mehr oder
weniger lästigen Prüfung der Nationalität des Schiffes nötigt. Allein das
Hissen neutraler Flaggen, wie es planvoll nach Anordnung der britischen
Admiralität geschieht, wird ruchlos, wenn dadurch neutrale Schiffe nebst ihren
Insassen gefährdet werden. Und das ist der Fall wegen der den feindlichen
Schiffen drohenden plötzlichen Torpedierung. Diese droht nun auch dem neutralen
Schiffe, wenn es durch die Verkettung von unglücklichen Umständen in den
ernstlichen Verdacht gerät, ein feindliches zu sein. Den Tauchbootführer braucht
hierbei kein Verschulden zu treffen. Auch hier ist der wahre Grund des das
Schiff und seine Insassen treffenden Verhängnisses das völkerrechtswidrige
Gebühren unserer Gegner. Nichtsdestoweniger glaubt die amerikanische Regierung
in ihrer Note vom 12. Februar 1915, in der irrtümlich erfolgten Vernichtung
eines amerikanischen Schiffes oder des Lebens amerikanischer Bürger schwerlich etwas
anderes wie eine unentschuldbareVerletzung neutraler Rechte seitens Deutschlands er¬
blicken zu können. Das ist nichts anderes wieVerkennung eines obersten Rechtsgrund¬
satzes, daß allein der schuldhast Handelnde für den Erfolg verantwortlich ist, nicht
der entschuldbar Jrrende. Sache der Neutralen wäre es, mit allen Mitteln den
Mißbrauch ihrer Flagge durch England und seine Verbündeten zu verhindern.

Wie nie ein Krieg zuvor zieht dieser Krieg die neutralen Länder, zumal
die Deutschland benachbarten, in Mitleidenschaft. Neben reichen Gewinnen, die
einzelnen ihrer Angehörigen zufließen, wird den übrigen Entbehrung und Leiden
reichlich zuteil. Nie erhörte Bevormundung und Eingriffe in die Selbstbestimmung
der Staaten und ihrer Wirtschaftsmächte sind an der Tagesordnung: Überwachung
der Zufuhr und Ausfuhr, selbst Zuweisung der Brotrationen und tausend andere
Ungerechtigkeiten mehr. Und all dies wird geduldig ertragen.

Auch unsere Seekriegsmaßnahmen, obwohl sie rechtmäßig sind, haben
Unbequemlichkeiten und Härten für die Neutralen im Gefolge, aber sie sind
notwendig geworden durch die Völkerrechtswidrigkeiten unserer Gegner: durch
die völkerrechtswidrige Ausdehnung der Bannwarenliste, die völkerrechtswidrige
Bewaffnung der Handelsschiffe und den völkerrechtswidrigen Flaggenbetrug.




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[0182] Der Tauchbootkrieg unmöglich gemacht werden kann, daß uns somit der Tauchbootkrieg gegen die feindlichen Handelsschiffe vereitelt werden würde. Jedoch nicht nur auf feindlichem Schiff sind Neutrale gefährdet, sondern unter Umständen auch auf neutralem Schiff — eine Folge des Flaggsnbetrugs unserer Feinde. Das Hissen einer falschen Flagge, um der Aufbringung des Schiffes zu entgehen, ist völkerrechtlich unzulässig, das britische auswärtige Amt bezeichnet es allerdings unter Berufung auf inneres englisches Recht als einwandfrei. Aber England kann weder über die Benutzung der Flagge eines anderen Staates selbstherrlich entscheiden, noch kann es mit Zustimmung dieses Staates eine völkerrechtliche Regel in ihr Gegenteil verkehren. Immerhin wiegt diese uner¬ laubte Kriegslist unter gewöhnlichen Umständen nicht allzu schwer, da sie die neutrale Schiffahrt nicht schädigt, vielmehr nur den Gegner zu einer mehr oder weniger lästigen Prüfung der Nationalität des Schiffes nötigt. Allein das Hissen neutraler Flaggen, wie es planvoll nach Anordnung der britischen Admiralität geschieht, wird ruchlos, wenn dadurch neutrale Schiffe nebst ihren Insassen gefährdet werden. Und das ist der Fall wegen der den feindlichen Schiffen drohenden plötzlichen Torpedierung. Diese droht nun auch dem neutralen Schiffe, wenn es durch die Verkettung von unglücklichen Umständen in den ernstlichen Verdacht gerät, ein feindliches zu sein. Den Tauchbootführer braucht hierbei kein Verschulden zu treffen. Auch hier ist der wahre Grund des das Schiff und seine Insassen treffenden Verhängnisses das völkerrechtswidrige Gebühren unserer Gegner. Nichtsdestoweniger glaubt die amerikanische Regierung in ihrer Note vom 12. Februar 1915, in der irrtümlich erfolgten Vernichtung eines amerikanischen Schiffes oder des Lebens amerikanischer Bürger schwerlich etwas anderes wie eine unentschuldbareVerletzung neutraler Rechte seitens Deutschlands er¬ blicken zu können. Das ist nichts anderes wieVerkennung eines obersten Rechtsgrund¬ satzes, daß allein der schuldhast Handelnde für den Erfolg verantwortlich ist, nicht der entschuldbar Jrrende. Sache der Neutralen wäre es, mit allen Mitteln den Mißbrauch ihrer Flagge durch England und seine Verbündeten zu verhindern. Wie nie ein Krieg zuvor zieht dieser Krieg die neutralen Länder, zumal die Deutschland benachbarten, in Mitleidenschaft. Neben reichen Gewinnen, die einzelnen ihrer Angehörigen zufließen, wird den übrigen Entbehrung und Leiden reichlich zuteil. Nie erhörte Bevormundung und Eingriffe in die Selbstbestimmung der Staaten und ihrer Wirtschaftsmächte sind an der Tagesordnung: Überwachung der Zufuhr und Ausfuhr, selbst Zuweisung der Brotrationen und tausend andere Ungerechtigkeiten mehr. Und all dies wird geduldig ertragen. Auch unsere Seekriegsmaßnahmen, obwohl sie rechtmäßig sind, haben Unbequemlichkeiten und Härten für die Neutralen im Gefolge, aber sie sind notwendig geworden durch die Völkerrechtswidrigkeiten unserer Gegner: durch die völkerrechtswidrige Ausdehnung der Bannwarenliste, die völkerrechtswidrige Bewaffnung der Handelsschiffe und den völkerrechtswidrigen Flaggenbetrug.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/182>, abgerufen am 13.05.2024.