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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Palästina und unsere Feinde

zu bereitwillig die ihnen entgegengestreckte Hand, da sie in ärgster Weise von
der griechischen meist nicht einmal ihre Sprache lernenden Geistlichkeit vernach¬
lässigt wurden. Ja, als es im Jahre 1908 zu einem offenen Bruch zwischen
Hirten und Herden kam, stellte sich Rußland völlig auf letzterer Seite. Der
russische Archimandrit Leonidas Sentsow schürte immer wieder das Feuer, und
der russische Generalkonsul stachelte immer wieder die aufgeregten Araber gegen
die Griechen auf.

Auch England hat seine Missionare in Palästina, deren Arbeit in der
1841 erfolgten Errichtung eines anglo-protestantischen Bistums in Jerusalem
eine starke Rückendeckung hat, und unter dessen zweiten Inhaber, dem rühmlichst
bekannten Bischof Gobat, sich die LnureK M88ionurv Society der Evangelisation
vor allem der griechisch-orthodoxen Christenheit zuwandte, die es auch zu einer
Reihe von Gemeindegründungen bis in das Ostjordanland hinein gebracht hat.
Dieselbe Misstonsgescllschaft ist zugleich auch diejenige, die weitaus am um¬
fassendsten und planmäßigsten Mohammedanermission treibt, seit dem Jahre 1823
ist die Londoner Intermission als einzige ihrer Art vor allem in Jerusalem
tätig. Irgendwelche politische Absichten liegen den Missionaren bei ihrer
Tätigkeit fern, wenn sie auch bei ihrem hochgespannter Nationalgefühl nicht zu
unterschätzende Pioniere ihrer Heimat auf palästinensischen Boden sind. Auch
unterstützt der englische Staat gerade diese Mission mit nicht unbeträchtlichen
Geldmitteln, während er z. B. in Indien und im Sudan die missionarische
Tätigkeit zu hemmen sucht.

Doch weiß der Brite auch ohne seine Missionare sein Schäfchen ins Trockene
zu bringen. Der durch den genialen jüdischen Schriftsteller Theodor Herzl ins
Leben gerufene Zionismus hat Tausende von Juden in das Land der Väter
gerufen, die es wieder Israel zurückgewinnen wollen. Aber ihre Anstedlung,
ihre Schulen und gemeinnützigen Anstalten, ihre Industrie kostet Geld, viel
Geld, und die Geldquellen fließen in -- England. Die Londoner jüdische
Nationalbank, das eigentliche "finanzielle Instrument" des Zionismus, ihr
Töchterinstitut, die /mZIo palestine LompaZnv und die Paladine I^ana Deve¬
lopment Lompanv sind englische Institute, die vor allem in den jüdischen
Kolonien mehr oder minder Kapital untergebracht haben, so daß der englische
Staat ein gewisses jüdisch-zionistisches Protektorat auszuüben berechtigt ist. Wie
weit dahingehende Bestrebungen schon verwirklicht sind, geht aus einer von
Zangwill, dem Führer der englischen Zionisten, auf dem siebenten zionistischen
Kongreß gehaltenen Rede hervor, in der er der britischen Regierung als der
regen Förderin der zionistischen Bestrebungen höchste Anerkennung zollt. Auch
die Sympathien der palästinensischen Judenheit selber, soweit sie sich wenigstens
aus den aus Europa eingewanderten Elementen, den sogenannten Aschkenasim,
zusammensetzt, entsprechen ganz denen der englischen Zionisten trotz alles Hasses
gegen die englische Intermission. Als die Krönung König Eduards infolge
Krankheit verschoben werden mußte, beteten viele Aschkenasim für seine Ge-


Palästina und unsere Feinde

zu bereitwillig die ihnen entgegengestreckte Hand, da sie in ärgster Weise von
der griechischen meist nicht einmal ihre Sprache lernenden Geistlichkeit vernach¬
lässigt wurden. Ja, als es im Jahre 1908 zu einem offenen Bruch zwischen
Hirten und Herden kam, stellte sich Rußland völlig auf letzterer Seite. Der
russische Archimandrit Leonidas Sentsow schürte immer wieder das Feuer, und
der russische Generalkonsul stachelte immer wieder die aufgeregten Araber gegen
die Griechen auf.

Auch England hat seine Missionare in Palästina, deren Arbeit in der
1841 erfolgten Errichtung eines anglo-protestantischen Bistums in Jerusalem
eine starke Rückendeckung hat, und unter dessen zweiten Inhaber, dem rühmlichst
bekannten Bischof Gobat, sich die LnureK M88ionurv Society der Evangelisation
vor allem der griechisch-orthodoxen Christenheit zuwandte, die es auch zu einer
Reihe von Gemeindegründungen bis in das Ostjordanland hinein gebracht hat.
Dieselbe Misstonsgescllschaft ist zugleich auch diejenige, die weitaus am um¬
fassendsten und planmäßigsten Mohammedanermission treibt, seit dem Jahre 1823
ist die Londoner Intermission als einzige ihrer Art vor allem in Jerusalem
tätig. Irgendwelche politische Absichten liegen den Missionaren bei ihrer
Tätigkeit fern, wenn sie auch bei ihrem hochgespannter Nationalgefühl nicht zu
unterschätzende Pioniere ihrer Heimat auf palästinensischen Boden sind. Auch
unterstützt der englische Staat gerade diese Mission mit nicht unbeträchtlichen
Geldmitteln, während er z. B. in Indien und im Sudan die missionarische
Tätigkeit zu hemmen sucht.

Doch weiß der Brite auch ohne seine Missionare sein Schäfchen ins Trockene
zu bringen. Der durch den genialen jüdischen Schriftsteller Theodor Herzl ins
Leben gerufene Zionismus hat Tausende von Juden in das Land der Väter
gerufen, die es wieder Israel zurückgewinnen wollen. Aber ihre Anstedlung,
ihre Schulen und gemeinnützigen Anstalten, ihre Industrie kostet Geld, viel
Geld, und die Geldquellen fließen in — England. Die Londoner jüdische
Nationalbank, das eigentliche „finanzielle Instrument" des Zionismus, ihr
Töchterinstitut, die /mZIo palestine LompaZnv und die Paladine I^ana Deve¬
lopment Lompanv sind englische Institute, die vor allem in den jüdischen
Kolonien mehr oder minder Kapital untergebracht haben, so daß der englische
Staat ein gewisses jüdisch-zionistisches Protektorat auszuüben berechtigt ist. Wie
weit dahingehende Bestrebungen schon verwirklicht sind, geht aus einer von
Zangwill, dem Führer der englischen Zionisten, auf dem siebenten zionistischen
Kongreß gehaltenen Rede hervor, in der er der britischen Regierung als der
regen Förderin der zionistischen Bestrebungen höchste Anerkennung zollt. Auch
die Sympathien der palästinensischen Judenheit selber, soweit sie sich wenigstens
aus den aus Europa eingewanderten Elementen, den sogenannten Aschkenasim,
zusammensetzt, entsprechen ganz denen der englischen Zionisten trotz alles Hasses
gegen die englische Intermission. Als die Krönung König Eduards infolge
Krankheit verschoben werden mußte, beteten viele Aschkenasim für seine Ge-


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[0242] Palästina und unsere Feinde zu bereitwillig die ihnen entgegengestreckte Hand, da sie in ärgster Weise von der griechischen meist nicht einmal ihre Sprache lernenden Geistlichkeit vernach¬ lässigt wurden. Ja, als es im Jahre 1908 zu einem offenen Bruch zwischen Hirten und Herden kam, stellte sich Rußland völlig auf letzterer Seite. Der russische Archimandrit Leonidas Sentsow schürte immer wieder das Feuer, und der russische Generalkonsul stachelte immer wieder die aufgeregten Araber gegen die Griechen auf. Auch England hat seine Missionare in Palästina, deren Arbeit in der 1841 erfolgten Errichtung eines anglo-protestantischen Bistums in Jerusalem eine starke Rückendeckung hat, und unter dessen zweiten Inhaber, dem rühmlichst bekannten Bischof Gobat, sich die LnureK M88ionurv Society der Evangelisation vor allem der griechisch-orthodoxen Christenheit zuwandte, die es auch zu einer Reihe von Gemeindegründungen bis in das Ostjordanland hinein gebracht hat. Dieselbe Misstonsgescllschaft ist zugleich auch diejenige, die weitaus am um¬ fassendsten und planmäßigsten Mohammedanermission treibt, seit dem Jahre 1823 ist die Londoner Intermission als einzige ihrer Art vor allem in Jerusalem tätig. Irgendwelche politische Absichten liegen den Missionaren bei ihrer Tätigkeit fern, wenn sie auch bei ihrem hochgespannter Nationalgefühl nicht zu unterschätzende Pioniere ihrer Heimat auf palästinensischen Boden sind. Auch unterstützt der englische Staat gerade diese Mission mit nicht unbeträchtlichen Geldmitteln, während er z. B. in Indien und im Sudan die missionarische Tätigkeit zu hemmen sucht. Doch weiß der Brite auch ohne seine Missionare sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Der durch den genialen jüdischen Schriftsteller Theodor Herzl ins Leben gerufene Zionismus hat Tausende von Juden in das Land der Väter gerufen, die es wieder Israel zurückgewinnen wollen. Aber ihre Anstedlung, ihre Schulen und gemeinnützigen Anstalten, ihre Industrie kostet Geld, viel Geld, und die Geldquellen fließen in — England. Die Londoner jüdische Nationalbank, das eigentliche „finanzielle Instrument" des Zionismus, ihr Töchterinstitut, die /mZIo palestine LompaZnv und die Paladine I^ana Deve¬ lopment Lompanv sind englische Institute, die vor allem in den jüdischen Kolonien mehr oder minder Kapital untergebracht haben, so daß der englische Staat ein gewisses jüdisch-zionistisches Protektorat auszuüben berechtigt ist. Wie weit dahingehende Bestrebungen schon verwirklicht sind, geht aus einer von Zangwill, dem Führer der englischen Zionisten, auf dem siebenten zionistischen Kongreß gehaltenen Rede hervor, in der er der britischen Regierung als der regen Förderin der zionistischen Bestrebungen höchste Anerkennung zollt. Auch die Sympathien der palästinensischen Judenheit selber, soweit sie sich wenigstens aus den aus Europa eingewanderten Elementen, den sogenannten Aschkenasim, zusammensetzt, entsprechen ganz denen der englischen Zionisten trotz alles Hasses gegen die englische Intermission. Als die Krönung König Eduards infolge Krankheit verschoben werden mußte, beteten viele Aschkenasim für seine Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/242>, abgerufen am 30.05.2024.