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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Palästina und unsere Feinde

meisten Engländer, Russen und Franzosen nach Schließung ihrer Anstalten ab.
Später, nach Eintritt der Türkei in den Krieg wurde mit Ausnahme einiger
Wohltätigkeitsanstalten jede Tätigkeit der feindlichen Nationen untersagt, deren
Gebäude nun teilweise militärischen Zwecken dienen, auch auf Kirchen wurde
Beschlag gelegt. Die Schulen wurden vielfach in mohammedanische Unter¬
richtsanstalten umgewandelt wie das Kloster und Seminar der "Weißen
Väter" von der "Mission von Algier" in Jerusalem. Nur die orthodoxe
und die griechisch-unierte Kirche wie die Deutsche Mission beider Konfessionen
blieben von diesen Zwangsmaßregeln verschont, sie dürfen auch weiterhin ihre
Tätigkeit ausüben. Durch die Aufhebung der Kapitulationen wurden die
Sonderrechte der Europäer gestrichen. Von einschneidender Bedeutung für
die fernere Gestaltung des Schulwesens sind die Dezember 1914 erlassenen
Schulverordnungen geworden, die sämtliche fremde Unterrichtsanstalten der
Staatsaufsicht unterstellen, die Einreichung der Lehrpläne an die türkische Unter-
richtsbehörde, den obligatorischen Unterricht in der türkischen Sprache, sowie
die türkische Unterrichtssprache in türkischer Geographie und Geschichte
fordern, vor allem aber verbieten sie den Religionsunterricht der in den
Schulen aufgenommenen Fremdgläubigen, also der Muhammedaner, so daß sie
den Missionscharakter verlieren. Neugründungen dürfen nur für die Orte mit
einer entsprechenden starken Bevölkerung vorgenommen werden, so daß jede
fortschreitende fremde religiöse Tätigkeit nach Kräften unterbunden wird.

Alle diese Verordnungen bedeuten für unsere Feinde bei einem siegreichen
Ausgang des Krieges für die Türkei einen außerordentlich empfindlichen Rück¬
schlag in ihrer Tätigkeit und damit in ihrer friedlichen Eroberungspolitik, ganz
abgesehen davon, daß nach einer etwaigen Wiederaufnahme ihrer kulturellen
und kirchlichen Arbeit dieselbe von vornherein beschnitten und vom türkischen
Staat doppelt aufmerksam verfolgt werden wird.




Palästina und unsere Feinde

meisten Engländer, Russen und Franzosen nach Schließung ihrer Anstalten ab.
Später, nach Eintritt der Türkei in den Krieg wurde mit Ausnahme einiger
Wohltätigkeitsanstalten jede Tätigkeit der feindlichen Nationen untersagt, deren
Gebäude nun teilweise militärischen Zwecken dienen, auch auf Kirchen wurde
Beschlag gelegt. Die Schulen wurden vielfach in mohammedanische Unter¬
richtsanstalten umgewandelt wie das Kloster und Seminar der „Weißen
Väter" von der „Mission von Algier" in Jerusalem. Nur die orthodoxe
und die griechisch-unierte Kirche wie die Deutsche Mission beider Konfessionen
blieben von diesen Zwangsmaßregeln verschont, sie dürfen auch weiterhin ihre
Tätigkeit ausüben. Durch die Aufhebung der Kapitulationen wurden die
Sonderrechte der Europäer gestrichen. Von einschneidender Bedeutung für
die fernere Gestaltung des Schulwesens sind die Dezember 1914 erlassenen
Schulverordnungen geworden, die sämtliche fremde Unterrichtsanstalten der
Staatsaufsicht unterstellen, die Einreichung der Lehrpläne an die türkische Unter-
richtsbehörde, den obligatorischen Unterricht in der türkischen Sprache, sowie
die türkische Unterrichtssprache in türkischer Geographie und Geschichte
fordern, vor allem aber verbieten sie den Religionsunterricht der in den
Schulen aufgenommenen Fremdgläubigen, also der Muhammedaner, so daß sie
den Missionscharakter verlieren. Neugründungen dürfen nur für die Orte mit
einer entsprechenden starken Bevölkerung vorgenommen werden, so daß jede
fortschreitende fremde religiöse Tätigkeit nach Kräften unterbunden wird.

Alle diese Verordnungen bedeuten für unsere Feinde bei einem siegreichen
Ausgang des Krieges für die Türkei einen außerordentlich empfindlichen Rück¬
schlag in ihrer Tätigkeit und damit in ihrer friedlichen Eroberungspolitik, ganz
abgesehen davon, daß nach einer etwaigen Wiederaufnahme ihrer kulturellen
und kirchlichen Arbeit dieselbe von vornherein beschnitten und vom türkischen
Staat doppelt aufmerksam verfolgt werden wird.




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[0244] Palästina und unsere Feinde meisten Engländer, Russen und Franzosen nach Schließung ihrer Anstalten ab. Später, nach Eintritt der Türkei in den Krieg wurde mit Ausnahme einiger Wohltätigkeitsanstalten jede Tätigkeit der feindlichen Nationen untersagt, deren Gebäude nun teilweise militärischen Zwecken dienen, auch auf Kirchen wurde Beschlag gelegt. Die Schulen wurden vielfach in mohammedanische Unter¬ richtsanstalten umgewandelt wie das Kloster und Seminar der „Weißen Väter" von der „Mission von Algier" in Jerusalem. Nur die orthodoxe und die griechisch-unierte Kirche wie die Deutsche Mission beider Konfessionen blieben von diesen Zwangsmaßregeln verschont, sie dürfen auch weiterhin ihre Tätigkeit ausüben. Durch die Aufhebung der Kapitulationen wurden die Sonderrechte der Europäer gestrichen. Von einschneidender Bedeutung für die fernere Gestaltung des Schulwesens sind die Dezember 1914 erlassenen Schulverordnungen geworden, die sämtliche fremde Unterrichtsanstalten der Staatsaufsicht unterstellen, die Einreichung der Lehrpläne an die türkische Unter- richtsbehörde, den obligatorischen Unterricht in der türkischen Sprache, sowie die türkische Unterrichtssprache in türkischer Geographie und Geschichte fordern, vor allem aber verbieten sie den Religionsunterricht der in den Schulen aufgenommenen Fremdgläubigen, also der Muhammedaner, so daß sie den Missionscharakter verlieren. Neugründungen dürfen nur für die Orte mit einer entsprechenden starken Bevölkerung vorgenommen werden, so daß jede fortschreitende fremde religiöse Tätigkeit nach Kräften unterbunden wird. Alle diese Verordnungen bedeuten für unsere Feinde bei einem siegreichen Ausgang des Krieges für die Türkei einen außerordentlich empfindlichen Rück¬ schlag in ihrer Tätigkeit und damit in ihrer friedlichen Eroberungspolitik, ganz abgesehen davon, daß nach einer etwaigen Wiederaufnahme ihrer kulturellen und kirchlichen Arbeit dieselbe von vornherein beschnitten und vom türkischen Staat doppelt aufmerksam verfolgt werden wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/244>, abgerufen am 12.05.2024.